Welche Auswirkungen eine Arbeitszeitverkürzung, also die Viertagewoche, auf die Effizienz und Produktivität in Firmen hat, wird nun auch umfassend im deutschsprachigen Raum untersucht. Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), welches die Informationen von der Unternehmensberatung Intraprenör bekam. Die Agentur ist für die Koordination der Untersuchung in Deutschland verantwortlich. Mitmachen sollen Unternehmen aus ganz Deutschland, die das Arbeitszeitmodell implementieren und in ihrer Belegschaft testen.

Donnerstags schon ins Wochenende verabschieden? Das könnte produktiver machen.
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Beginnend am 1. Februar, soll die Pilotstudie sechs Monate laufen. Die Arbeitszeit wird von fünf auf vier Tage reduziert, während das Gehalt gleich bleibt. Geplant ist, dass sich mehr als 50 Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Größen an der Studie beteiligen. Schon jetzt sei der Andrang an Unternehmen groß, lässt Intraprenör auf Anfrage wissen. Die Bewerbung läuft seit Anfang September und geht noch bis Ende November. Nach einer Planungsphase, die der individuellen Vorbereitung der teilnehmenden Firmen dient, findet der eigentliche Test von Februar bis August 2024 statt.

Anschließend folgt eine wissenschaftliche Auswertung, durchgeführt wird sie von der Universität Münster. Untersucht werden sowohl qualitativ das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und ihre Sicht auf die Arbeitszeitverkürzung als auch quantitativ die Leistungsfähigkeit via Umfragen, durchgeführt vom Boston College. Sowohl positive als auch negative Effekte sollen beleuchtet werden, Arbeitszeitwünsche und die Gesundheit der Beschäftigten sollen bei den Fragen im Vordergrund stehen. Am wichtigsten sei aber die Fragestellung zur Produktivität: Ohne Steigerung dieser wäre das Modell der Viertagewoche für Unternehmen langfristig nicht vertretbar.

Das Projekt wird außerdem von der Non-Profit-Organisation 4 Day Week Global begleitet, welche bereits an anderen Pilotstudien in Großbritannien und Island beteiligt war. Gegründet wurde die Initiative von Andrew Barnes, Gründer einer Treuhandgesellschaft in Neuseeland, in welcher er die Viertagewoche selbst eingeführt hatte. Bekannt wurde er durch das Medieninteresse an einer Studie in seinem Unternehmen zur Viertagewoche, seitdem gilt er als Verfechter des Arbeitszeitmodells. In einem Buch, das er zu dem Thema schrieb, berichtet er über große Produktionssteigerungen in seinem Unternehmen und stellt einen Leitfaden für andere Firmen für eine Umsetzung des Konzepts bereit.

Für die Teilnahme müssen Unternehmen eine Teilnahmegebühr entrichten, mit dieser soll die wissenschaftliche Arbeit von 4 Day Week Global finanziert werden. Die Summe richtet sich dabei nach der Größe des Unternehmens. Ab zehn Personen im Unternehmen sind es etwa 500 Euro einmalig, jene mit über 1.000 Mitarbeitenden müssen 15.200 Euro zahlen. Noch ist das Projekt selbst finanziert, das deutsche Arbeitsministerium habe sich nach einer Kontaktaufnahme noch nicht zu einer Unterstützung bereiterklärt.

Wirklich produktiver?

Die Unternehmensberatung Intraprenör hingegen hilft den Firmen bei der Auswahl passender Arbeitszeitmodelle. Es werde individuell entschieden, ob es für die Unternehmen besser passe, weniger Stunden auf alle fünf Tage zu verteilen, oder etwa einen anderen Tag als den Freitag freizunehmen. 4 Day Week Global bewirbt jedenfalls das sogenannte 100-80-100-Prinzip, was 100 Prozent Gehalt, 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Leistung bedeuten soll. "Es soll auf jeden Fall um eine kürzere Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich gehen", heißt es von Intraprenör.

Bei einem ähnlichen groß angelegten Modellversuch in Großbritannien 2022 zeigten sich die Umsätze der teilnehmenden Unternehmen erst stabil, dann stiegen sie im Schnitt um 1,4 Prozent. Zusätzlich verbesserte sich laut Ergebnissen der Untersuchung, an der ebenfalls 4 Day Week Global beteiligt war, die Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten. Vier von zehn Arbeitenden gaben an, weniger gestresst zu sein, das Burnout-Risiko soll um rund 70 Prozent gesunken sein. Auch die Zahl der Krankheitstage ging im Testzeitraum um zwei Drittel zurück. 61 Unternehmen nahmen damals teil, und knapp 3.000 Angestellte reduzierten ihre Arbeitszeit für sechs Monate um 20 Prozent bei vollem Gehalt.

Mal angenommen, mal nicht

In Österreich steht die Hälfte laut einer Spectra-Umfrage aus 2022 einer gesetzlich verankerten Wahlmöglichkeit zwischen einer Vier- und Fünftagewoche bei unveränderter Gesamtarbeitszeit positiv gegenüber. Vor allem junge Arbeitnehmende seien angetan: Sieben von zehn der unter 30-Jährigen sind dafür. Ablehnend stehen der Idee im Bevölkerungsschnitt lediglich 15 Prozent gegenüber. Die Hauptmotive für den Wunsch nach einer Viertagewoche sind "mehr Freizeit" und "mehr freie Tage / ein verlängertes Wochenende". Gleichzeitig ist die Zufriedenheit der Österreicherinnen und Österreicher im Job auf einem neuen Tiefststand, wie der Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer (AK) zeigt.

Als erstes großes österreichisches Unternehmen erprobten die Wiener Linien letzten Herbst mit 300 Mitarbeitern die Viertagewoche, mit dem Arbeitszeitverdichtungsmodell. 37,5 Stunden Arbeitszeit wurden auf vier Tage aufgeteilt. Die ÖBB zog jetzt nach: Die ÖBB Infrastruktur testet ab Oktober mit rund 1.500 Mitarbeitenden ein "Flexi-Friday-Modell", mit dem durch den Wegfall der Kernarbeitszeit – eben am Freitag – eine Viertagewoche möglich wird. Auch eine Ausweitung auf weitere Bereiche und Berufsbilder sei ab Jänner 2024 in Planung. Weniger Wochenstunden bei gleichem Gehalt bedeutet die Viertagewoche bei der ÖBB jedoch nicht, wie eine Sprecherin auf Nachfrage des STANDARD bestätigt hatte. "Die Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden bleibt erhalten", sagt Pressesprecherin Julia Krutzler. Eine wirkliche Arbeitszeitreduktion gibt es in Österreich noch kaum, umgesetzt haben das Viertagemodell mit 30 Stunden bisher etwa die Personalberatung epunkt oder die Online Marketing Agentur emagnetix. (red,7.9.2023)