Holland Merten Kabelwerk
Esther Holland-Merten plant, das neue Theater am Werk (vormals Werk-X) für Themen zu öffnen, die die unmittelbare Lebensrealität der Menschen in Wien bzw. Österreich betreffen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Kabelwerk. Der griffige Name ist zurück. Die in den letzten neun Jahren von Ali M. Abdullah und Harald Posch unter der Marke Werk X betriebene popaffine Doppelbühne in Wien geht in eine neue Phase. Die neue Leiterin Esther Holland-Merten, bis dato für die Performanceschiene im Wuk verantwortlich, hat sich den alten, auf den Standort der ehemaligen Kabel und Drahtwerke AG in Meidling verweisenden Namen zurückgeholt. Man geht ab sofort wieder ins Kabelwerk (Außenbezirk) oder auf den Petersplatz (Innenstadt).

Der neue Name Theater am Werk fungiert lediglich als Dachmarke für beide Bühnen, die aus Synergiegründen zusammengespannt bleiben. Das sichtbare Tandem-Konstrukt soll zudem Publikum von Außen- und Innenbezirk mehr durchmischen. Holland-Merten (46) bekennt sich im Gespräch mit dem STANDARD zum Sprechtheater samt all seinen experimentellen Formen. Im Theater am Werk will sie deshalb die Traditionslinien des ehemaligen Ensembletheaters am Petersplatz sowie die Aufbauarbeit von Posch, Abdullah und Cornelia Anhaus (Petersplatz) aufgreifen und weiterführen. Die erste nun präsentierte Spielzeit hat einige Knüller zu bieten.

"Minihorror"

Holland-Merten konnte sich gleich einmal die Dramatisierungsrechte für Kim de l'Horizons Sensationsdebüt Blutbuch sichern. Idealerweise wird damit im April noch vor den Wiener Festwochen Premiere gefeiert, die ihrerseits die Inszenierung einer Blutstück-Fassung zeigen werden. Ebenso liegen die Erstdramatisierungsrechte von Barbi Markovićs neuem Roman Minihorror beim Theater am Werk. Genau einen Tag vor Erscheinungstermin des Buches läuft die Inszenierung von Aslı Kışlal am 8. Oktober.

Eröffnet wird die neue Ära bereits am 5. Oktober im Kabelwerk mit der Österreich-Premiere von Ewald Palmetshofers Die Verlorenen, einem sprachlich furiosen Stück aus dem Jahr 2019 über menschliches Unvermögen, welches das Burgtheater erstaunlicherweise links liegen ließ; Regie führt Maria Sendlhofer.

Die Kleinschwesterbühne in der Wiener Innenstadt am Petersplatz folgt tags darauf mit der in den pandemiebedingten Lockdown-Zeiten mit Zoom-Theater bekannt gewordenen Regisseurin und aktuell Filmakademiestudentin Cosmea Spelleken. Sie wird ganz analog eine raumgreifende Romeo und Julia-Inszenierung umsetzen.

Holland-Merten Meidling Kabelwerk
Esther Holland-Merten am 7. September bei der Präsentation des ersten Saisonprogramms im Kabelwerk Meidling.
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Detail: Kabelwerk und Petersplatz sind nach wie vor zwei getrennte GmbHs mit zwei verschiedenen Subventionssummen. Am Petersplatz wird voraussichtlich nur eine Eigenproduktion pro Spielzeit möglich sein, so Holland-Merten. Die Budgets (insgesamt 1,8 Millionen Euro) lassen sich also nicht einfach hin- und herschichten. Das hat den Vorteil, dass Geld dort gebündelt wird, wo die Theaterinfrastruktur es braucht, also im Außenbezirk und weniger in der an Bühnen ohnehin reichen Innenstadt.

Holland-Merten hat zuvor an diversen deutschen Stadttheatern gearbeitet und sich insbesondere für zeitgenössische Dramatik starkgemacht. Als grundlegend betrachtet sie, dass der Spielplan und seine Themen inhaltlich an die Lebensrealität der Menschen in Wien und Österreich anknüpfen. Das können Romandramatisierungen sein, aber auch in Regieteams eigens entwickelte Stoffe. Sogar eine direkte Einbindung der im Haus eingemieteten Wiener Wortstaetten und deren Dramalabor ist geplant.

Und natürlich: "Wir wollen neue Stimmen entdecken." Schauspiel, Text, Performance, Dokumentarisches, aber auch Formate, die man nicht sofort kategorisieren kann, werden die Doppelbühne in den nächsten Jahren charakterisieren.

Toxic Dreams, Aktionstheater

In einer Zeit, die sich rasend schnell ändert, will Holland-Merten lieber zuhören, anstatt Jahresmotti auszugeben, sich mit Künstlerinnen und Künstlern über Projekte beratschlagen. Denn: "Es kann ein Thema vom Herbst im Frühling schon wieder obsolet sein."

Weiterhin wird das Haus für Koproduktionen mit der freien Szene offen bleiben. Gruppen wie Toxic Dreams oder das Vorarlberger Aktionstheater sind altbekannte Fixstarter mit großer Fangemeinde. Dafür soll auch ein neuer Probenraum im Meidlinger Gebäudekonglomerat (anstelle des hofseitigen Lokals) zur Verfügung stehen. Ebenso soll das große Haus für Initiativen aus dem Bezirk zugänglich werden, etwa für Chor- oder Tanzgruppen.

Durch den Rückbau der Bar beziehungsweise der Sitztribünen im Foyer durch Gabu Heindl Architektur wird in Meidling neuerdings Barrierefreiheit gewährt. Im Zuge dessen wandert die Garderobe ins Erdgeschoß. Auch am Petersplatz wird Infrastruktur saniert. Zu den weiteren Highlights der ersten Saison zählen Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein, inszeniert von Mirja Biel, sowie eine weitere Uraufführung von Barbi Marković: Das Kitzelmonster. (Margarete Affenzeller, 8.9.2023)