Der Präsident der Bundeswirtschaftskammer, Harald Mahrer, im Bild mit einer Österreich-Fahne.
Statt einer Kammerreform, wie 2018 vom damaligen Bundeskanzler Kurz beauftragt, legte Wirtschaftskammerpräsident eine Mini-Entlastung vor.
Imago / Martin Juen

Am Ende war der Druck der Industrie doch zu hoch. Eigentlich wollten die Wirtschaftskammer-Organisationen erst im Vorfeld der Wirtschaftskammer-Wahl im Februar 2025 ihre Pflichtmitgliedsbeiträge senken. Angesichts der hohen Inflation, die über hohe Lohnabschlüsse automatisch Rekordeinnahmen ins verästelte Wirtschaftskammer-Imperium spült, war die Zeit bis Februar 2025 aber zu lang. Nun kommt die Absenkung der Kammerumlagen bereits mit Jänner 2024, kündigte Kammerpräsident Harald Mahrer im Trend an.

Zwölf Prozent Ermäßigung klingt auf den ersten Blick nach viel. In absoluten Zahlen sind es aber gerade einmal 35 Millionen Euro, die sich Wirtschaftstreibende vom Einzelhändler bis zum Milliardenkonzern ersparen. Denn 35 Millionen fallen bei jährlichen Gesamteinnahmen aller Kammer-Organisationen zusammen von rund 1,2 Milliarden Euro kaum nicht ins Gewicht, sie beziehen sich lediglich auf den Bundesanteil. "Spüren wird davon kaum jemand Nennenswertes", bringt es ein Industriekapitän süffisant auf den Punkt.

Geld kommt automatisch

Ein Dorn im Auge sind die Pflichtmitgliedsbeiträge insbesondere den Schwergewichten der heimischen Wirtschaft seit Jahren. Angesichts der hohen Inflation, die Löhne und Gehälter in die Höhe treibt – und mit ihnen die Lohnsummen-abhängige Kammerumlage 2 (KU2) –, waren vor Monaten eine Reihe von Unternehmen im oberösterreichischen Automotivsektor aktiv geworden, aber nicht nur dort. Die Kammern wüssten gar nicht, wo sie das viele Geld, das hereingespült wird, verstecken sollen, ätzt ein Interessenvertreter im Gespräch mit dem STANDARD.

Die wichtigsten Einnahmen der Wirtschaftskammern sind Grundumlage, Kammerumlage 1 und 2, sie werden nach einem komplizierten Schlüssel auf Bundes-, Landes- und Fachverbände aufgeteilt. 
Die wichtigsten Einnahmen der Wirtschaftskammern sind Grundumlage, Kammerumlage 1 und 2, sie werden nach einem komplizierten Schlüssel auf Bundes-, Landes- und Fachverbände aufgeteilt.

Ins gleiche Horn stieß Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker: "Das ist eine Alibiaktion. Präsident Mahrer hält seine Mitglieder am Schmäh." Mehr als 900 Millionen Euro habe die Wirtschaftskammer den Unternehmerinnen und Unternehmern im Vorjahr aus der Tasche gezogen, heuer seien es noch einmal hundert Millionen Euro mehr. Die von der Zahl der Beschäftigten abhängige Kammerumlage 2 müsse komplett gestrichen werden, nicht gekürzt. In diesem Zusammenhang hatte Sabine Jungwirth von der Grünen Wirtschaft stets auch die Reduzierung der inzwischen auf zwei Milliarden Euro angehäuften Rücklagen gefordert. Das ist deutlich mehr als ein Jahresaufwand, wie er gemäß Haushaltsrecht der Kammer als Höhe für eine Reserve anempfohlen wird.

Landeskammern am Zug

Klar ist angesichts der Schieflage der in Aussicht gestellten Absenkung gemessen an den jährlichen Gesamteinnahmen: Der Druck auf die Landeskammern steigt, ihrerseits die Umlagensätze zu reduzieren. Denn sie vereinnahmen den größten Teil der Pflichtmitgliedsbeiträge. Diesbezüglich sind insbesondere die Landeskammern Burgenland, Tirol, Salzburg und Kärnten gefordert. Ihre KU2-Sätze sind die höchsten, während das Industrieland Oberösterreich mit 0,34 Prozent den niedrigsten Satz einhebt. Bei allen gleich ist der Sockelbetrag von 0,14 Prozent, der jeweils der Wirtschaftskammer Österreich zufließt. Fachgruppen und Fachverbände (nach Branchen) werden aus der bedarfsabhängigen Grundumlage finanziert, während die Kammerumlage 1 überall gleich ist und von Betrieben ab einem Jahresumsatz von 150.000 Euro zu zahlen ist.

Die Rücklagen der Wirtschaftskammer-Organisationen aufgeteilt nach Bund, Bundesländern und Fachorganisationen.
Die Geldspeicher der Wirtschaftskammern füllten sich auch in Krisenzeiten.

ÖVP-Wirtschaftsbund-Chef Harald Mahrer sieht die Kammer keineswegs im Geld schwimmen. Den Spielraum für die Beitragssenkung auf Bundesebene habe man sich durch Effizienzsteigerung erarbeitet, betonte er im Trend. 35 Millionen Euro weniger schränkten den Investitionsspielraum ein. Bildungsangebote und Auslandsrepräsentanzen werde man künftig zumindest teilweise aus den Rücklagen finanzieren. Die Geldspeicher der Kammer sind ohnehin wohlgefüllt, sie belaufen sich, wie berichtet, auf knapp zwei Milliarden Euro.

Ob das Sozialpartner-Gegenüber, die Arbeiterkammer, ihre Beiträge ebenfalls senkt, war am Freitag nicht in Erfahrung zu bringen. Zuletzt hatte die Arbeitnehmerorganisation betont, ihr Beratungsangebot für rund vier Millionen unselbständig Erwerbstätige ausbauen zu wollen und deshalb die Kammerbeiträge nicht zu senken.

Die Landwirtschaftskammer winkt ab. Man sei kein Inflationsgewinner, die Beiträge stagnierten, weil sie auf Einheitswerten basieren, die seit Jahren nicht angehoben wurden. (Luise Ungerboeck, 8.9.2023)