Ein ehemaliger Verfassungsschutz-Chef, der seine Erinnerungen an Skandale und Intrigen niederschreibt: Das sorgte naturgemäß für Aufmerksamkeit bei Nachrichtendiensten. Und zwar für so große, dass sie Peter Gridlings Buchpräsentation beobachten ließen. Mehrere Mitarbeiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sollen dienstlich an Gridlings Lesung am 5. September in der Buchhandlung Thalia in Wien-Mitte teilgenommen haben, bestätigen mehrere Quellen dem STANDARD.

Sie sollten feststellen, ob der frühere Direktor des BVT – also des einstigen Verfassungsschutzes – bei seiner Buchpräsentation Interna nach außen trägt oder Vorgänge enthüllt, die der DSN Probleme bereiten könnten. Die heimischen Beamten seien sicher nicht die einzigen Mitarbeiter von Nachrichtendiensten gewesen, die Gridling gelauscht hätten, heißt es hinter vorgehaltener Hand aus der DSN. Und: Es sei doch "naheliegend", dass man sich anschaue, was ein Ex-Direktor öffentlich erzähle. Verdeckt habe jedenfalls niemand ermittelt.

Kickl und Gridling
Gridling (rechts) als BVT-Direktor mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).
REUTERS

Angedeutet hatte den Vorgang Sibylle Geißler, die ehemalige Chefin des Extremismus-Referats im BVT. "Wenn bei Buchpräsentation eines ehem. Verfassungsschutzdirektors im Hintergrund #DSN beobachtet! Wie nennt man das?", fragte sie auf X, früher Twitter.

Abwehramt ließ nicht beobachten

Dem Vernehmen nach soll auch ein Mitarbeiter des militärischen Abwehramts bei Gridlings Lesung dabei gewesen sein. Ein dienstlicher Zusammenhang sei aber "zu hundert Prozent auszuschließen", sagt Bundesheer-Sprecher Michael Bauer. Sollte ein Mitarbeiter des Abwehramts anwesend gewesen sein, dann als Privatperson, so Bauer.

Aus der DSN heißt es: "Da sich das Buch inhaltlich mit dem Verfassungsschutz beschäftigt, hat die DSN im Sinne ihres Aufgabengebietes Interesse an dessen Inhalte". Es sei daher "naheliegend, dass auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes die Veranstaltung besuchten."

Gridling wollte die Causa nicht kommentieren. Sein Verhältnis zur aktuellen DSN-Spitze soll dem Vernehmen nach nicht das beste sein. Intern ist zu hören, dass Gridling immer wieder Kontakt zu seinen früheren Mitarbeitern aufgenommen haben soll, was deren neue Vorgesetzte störe.

Gridling mit Kritik an ÖVP und FPÖ

In seinem Buch "Überraschungsangriff", das Anfang September erschienen ist, beschreibt Gridling seine Sicht auf die Ermittlungen gegen ihn und andere BVT-Beamte. Das Team des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) hatte im Frühjahr 2018 mehrere Belastungszeugen gegen die BVT-Spitze an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übermittelt, die daraufhin eine skandalumwitterte Razzia im Verfassungsschutz durchführen ließ. Polizeibeamte durchwühlten dort hochgeheime Dokumente, mehrere Beamte – darunter auch Gridling selbst – wurden suspendiert.

Gridling vermutet, dass die FPÖ die Ermittlungen befeuert hatte, um eigene Leute im BVT unterbringen zu können. In mehreren Interviews, darunter auch mit dem STANDARD, kritisierte Gridling aber auch fehlende Unterstützung der ÖVP sowie deren früheres politisches "Hineinregieren" in den Verfassungsschutz. (fsc, 11.9.2023)