Das Bild zeigt die Silhouetten von Menschen vor einem Google-Schriftzug im Hintergrund.
Seit Dienstag muss sich Internetgigant Google wegen Vorwürfen der US-Regierung vor Gericht verantworten. Schon der erste Prozesstag stellte indirekt die Integrität des Verfahrens infrage.
AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Der aktuelle Kartellprozess gegen Google wirft nicht nur Fragen über mögliche wettbewerbswidrige Praktiken des Internetgiganten auf, er stellt offenbar auch die Sachkenntnis des leitenden Richters infrage. Der Fall wurde dem US-Bezirksrichter Amit P. Mehta zugewiesen, der die gewichtige Aufgabe hat, zwischen den Argumenten des US-Regierung und der Verteidigung von Google abzuwägen. Am ersten Tag des zehnwöchigen Marathons warf die US-Regierung Google vor, seine marktbeherrschende Stellung im Such- und Werbemarkt illegal aufrechterhalten zu haben. Google hingegen verteidigt sich damit, seine Position aufgrund von Innovation und Qualität verdient zu haben.

Eine der bemerkenswertesten Auffälligkeiten des ersten Prozesstags war, dass Richter Mehta während der Eröffnungsplädoyers Schwierigkeiten hatte, grundlegende technologische Konzepte zu verstehen. Seine Unklarheit darüber, ob Mozillas Firefox ein Browser oder eine Suchmaschine ist, wirft ernste Fragen auf. Im digitalen Zeitalter, in dem Begriffe wie "Suchmaschine", "Browser" und "mobiles Gerät" eigentlich zum Alltag gehören, sollte auch für die Beurteilung eines komplexen Falles die Fähigkeit vorausgesetzt sein, mit solchem Vokabular umgehen zu können.

Es wird nur komplizierter

Und das sind nur die Grundlagen, die Fragestellungen in diesem Fall sind um einiges komplexer. Sie erfordern ein tiefes Verständnis der Funktionsweise digitaler Märkte, der Entwicklung der Suchmaschinentechnologie und der Dynamik zwischen Wettbewerbern wie Google und Microsoft. Die US-Regierung plant, eine Vielzahl von Zeugen aufzurufen, darunter ehemalige und aktuelle Google-Mitarbeiter sowie Personen mit einem finanziellen Interesse an Googles Geschäftspraktiken.

Bei so vielen technischen Details und spezialisierten Wissensbereichen erscheint es also umso wichtiger, dass der vorsitzende Richter nicht nur ein umfassendes juristisches Verständnis, sondern auch über angemessenes technologisches Grundlagenwissen verfügt. Nur so kann er die Tragweite der Argumente beider Parteien vollständig erfassen. Das Problem wird noch verschärft durch die Tatsache, dass der Fall einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt abdeckt, in dem sich die Technologie rasant weiterentwickelt hat.

Richter Mehta hatte aber schon Schwierigkeiten damit, die Details der Suchmaschinenwerbung und des Verhältnisses zwischen Google und Microsoft zu verstehen. Die augenscheinliche fehlende Sachkenntnis des Richters könnte somit die Integrität des Verfahrens infrage stellen. In einem Rechtsstreit, der so weitreichende Folgen für die Technologieindustrie und die Verbraucher haben könnte, erscheint das besonders bitter.

Viel auf dem Spiel

Google verteidigte sich am ersten Prozesstag gegen die Vorwürfe der US-Regierung, gegen das Gesetz verstoßen zu haben, um seine dominante Marktposition zu bewahren. Das Unternehmen betonte, dass seine Suchmaschine vor allem aufgrund ihrer hohen Qualität so weit verbreitet sei. Zudem könnten Nutzer, die mit dem Service unzufrieden seien, sehr einfach zu einer anderen Suchmaschine wechseln. Auf der anderen Seite hat die US-Regierung Google konkret beschuldigt, jedes Jahr etwa zehn Milliarden Dollar an verschiedene Partner wie Apple, AT&T und Mozilla zu zahlen, um sicherzustellen, dass seine Suchmaschine einen Marktanteil von rund 90 Prozent behält.

Die Eröffnungsplädoyers im Prozess fanden vor einem voll besetzten Bundesgericht in Washington statt. Der Prozess wird voraussichtlich bis zu zehn Wochen dauern und in zwei Phasen ablaufen. In der ersten soll Richter Mehta zunächst entscheiden, ob Google das Kartellrecht in Bezug auf die Verwaltung von Suche und Suchwerbung gebrochen hat. Sollte Google für schuldig befunden werden, werden vom Gericht Maßnahmen festgelegt, die das Unternehmen ergreifen muss. Diese könnten von der Einstellung bestimmter Geschäftspraktiken bis hin zur Anordnung reichen, bestimmte Vermögenswerte zu verkaufen.

Der laufende Rechtsfall hat weitreichende Konsequenzen für die großen Technologieunternehmen, denen wiederholt vorgeworfen wird, kleinere Wettbewerber zu verdrängen oder aufzukaufen. Bisher konnten sich viele dieser Firmen erfolgreich gegen Kartellrechtsvorwürfe verteidigen, da ihre Dienste für die Nutzer entweder kostenfrei, wie bei Google, oder sehr kostengünstig, wie bei Amazon, sind. (bbr, 13.9.2023)