Ein Feuerwehrmann löscht Bäume in einem bewohnten Gebiet
Katastrophen wie die diesjährigen Waldbrände in Griechenland werden durch Wetterextreme häufiger. Insgesamt steigt das Risiko für die Stabilität des irdischen Ökosystems.
IMAGO/Michalis Karagiannis / Eur

Der Mensch verändert den Planeten Erde zunehmend auf unumkehrbare Weise. Das Ökosystem wird dabei Belastungen ausgesetzt, die mit schwer kalkulierbaren Risiken einhergehen. Die zumutbaren Belastungen für den Planeten wurden 2009 in einer Arbeit im Fachjournal "Ecology & Society" definiert. Nun zeigt eine neue Studie im Fachjournal "Science Advances", dass sechs der neun damals festgesetzten Grenzen inzwischen überschritten sind. Teilweise sei die Überschreitung deutlich, heißt es dort.

"Wir können uns die Erde als einen menschlichen Körper vorstellen und die planetaren Grenzen als eine Form des Blutdrucks. Ein Blutdruck von über 120/80 bedeutet zwar nicht, dass ein sofortiger Herzinfarkt droht, aber er erhöht das Risiko", sagt Erstautorin Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen.

Die Grenzen betreffen neun verschiedene Teilbereiche wie etwa die Nutzung von Süßwasser, die Funktion des Biosphäre, das Klima oder die Aerosolbelastung der Atmosphäre. Nun analysierte das internationale Forschungsteam um Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Richardson den Zustand aller neun Systeme.

Funktionsfähigkeit der Biosphäre gefährdet

Deutlich überschritten sei der sichere Bereich bei der globalen Erwärmung sowie bei der Unversehrtheit der Biosphäre, schreibt das Team im Fachjournal "Science Advances" und verweist etwa auf das Artensterben und die Zerstörung von Lebensräumen. "Neben dem Klimawandel ist die Funktionsfähigkeit der Biosphäre die zweite Säule der Stabilität unseres Planeten", sagt Co-Autor Wolfgang Lucht. "Und wie beim Klima destabilisieren wir derzeit auch diese Säule."

Überschritten sei die Grenze auch im Bereich des Einbringens neuartiger Stoffe in die Umwelt – also dem Eintrag vom Menschen erzeugter chemischer Verbindungen wie Mikroplastik, Pestiziden oder Atommüll. Nicht ganz so kritisch sei die Situation beim Verbrauch von Süßwasser, doch auch hier sei die planetare Grenze überschritten, heißt es weiter.

Derzeit noch im sicheren Bereich liegt demnach die weltweite Partikelverschmutzung der Atmosphäre, auch wenn in einigen Regionen wie etwa Südasien diese Grenze regelmäßig überschritten werde. Die Ozeanversauerung liegt nach der Definition der Forscher gerade noch im grünen Bereich, ebenso der Ozonabbau in der oberen Atmosphäre.

Verbesserung bei Ozonschicht lässt hoffen

Gerade aus dieser Entwicklung zieht das Team eine Hoffnung auf Besserung auch für andere Probleme: In den 1990er-Jahren habe der Abbau der Ozonschicht die planetare Grenze überschritten. "Aber dank globaler Initiativen, die durch das Montrealer Protokoll erreicht wurden, wird dieser Grenzwert aktuell nicht mehr überschritten", betont Richardson.

Für die Neubewertung der planetaren Grenzen nutzte das Forschungsteam zum einen aktuelle Studien, zum anderen simulierte es die Entwicklung der Erde mit Modellen des Erdsystems und auch der Biosphäre für mehrere Hundert Jahre in die Zukunft. Als Vergleichsbasis diente ihnen die Phase zwischen der letzten Eiszeit und dem Beginn der Industriellen Revolution.

Wenn eine Belastungsgrenze überschritten sei, gebe es aber noch Möglichkeiten, die Lage zu verbessern, betont das Team und verweist am Beispiel der Erderwärmung etwa auf Aufforstung. Sollte die Menschheit es schaffen, den CO2-Gehalt der Atmosphäre auf 450 Teilchen pro Million (parts per million, ppm) zu begrenzen – derzeit liegt er bei 417 – und zudem den Bestand des borealen und des tropischen Waldes nicht unter 60 Prozent der ursprünglichen Bewaldung sinken zu lassen, könnte die Erderwärmung deutlich gebremst werden: "Dann deutet die Simulation auf einen durchschnittlichen Temperaturanstieg über dem Land von 1,4 Grad bis zum Jahr 2100 hin", heißt es.

Das Erreichen des Ziels, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Phase auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wird aber zunehmend als unrealistisch eingeschätzt. "Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gutgeht", sagt Studienautor Rockström. (red, APA, 14.9.2023)