Im Gastblog schreibt die New Yorkerin Stella Schuhmacher über die Auswirkungen des Klimawandels und darüber, wie sich New York auf diese Veränderungen vorbereitet.

Anfang Juni färbte sich der Himmel über New York orange und dunkelgrau. Der Air-Quality-Index, eine Skala von null bis 500, lag zum Teil bei über 400, die Luft war damit "very hazardous" und die Bevölkerung kramte ihre Masken wieder aus den Schränken hervor. Diesmal für den Gebrauch auf der Straße und nicht in Innenräumen. Seither breiten sich in regelmäßigen Abständen die Rauchwolken aus den hauptsächlich in den kanadischen Provinzen British Columbia und Quebec brennenden Feuern über großen Teilen des nordamerikanischen Kontinents aus. Je nach Großwetterlage ziehen die Rauchschwaden über die Großen Seen, erstrecken sich Richtung Süden oder über den Nordosten der Vereinigten Staaten.

Air Quality Index June 2023
Air Quality June 2023
Stella Schuhmacher

Riesige Ausmaße der kanadischen Brände

Waldbrände fressen sich jedes Jahr durch die kanadischen Wälder. So groß und weitläufig wie heuer waren sie noch nie. "Waldbrände hat es in Kanada schon immer gegeben, aber neu ist ihre Häufigkeit und Intensität. Die Wissenschaft ist eindeutig. Die Hauptursache dafür ist der Klimawandel", sagt Jonathan Wilkinson, kanadischer Bundesminister für Energie und natürliche Ressourcen. Nach Angaben von Natural Resources Canada gab es im Land bis Anfang September insgesamt 6.174 Brände, von denen derzeit immer noch mehr als tausend lodern. Insgesamt mussten mehr als 233.000 Menschen evakuiert werden. Manche Brände könnten auch in den nächsten Monaten noch weiter wüten. In ganz Kanada verbrannten heuer bisher 16,5 Millionen Hektar. Zwei Millionen Hektar jährlich waren es im Durchschnitt in den letzten 20 Jahren. Die Waldbrände haben auch die Treibhausgasemissionen verschlimmert. Heuer wurden schätzungsweise 1,7 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen.

Luftverschmutzung New York City, 7. Juni 2023
Luftverschmutzung New York City, 7. Juni 2023.
Stella Schuhmacher
Radfahrer mit Maske
Ein Radfahrer mit Maske schützt sich vor der Luftverschmutzung.
Stella Schuhmacher

Was tut sich in New York bezüglich Klimaschutz und Klimawandel?

In Anbetracht der Entwicklungen beim nördlichen Nachbarn, der anhaltenden Hitzewellen in weiten Teilen der USA und der weitläufigen Rauchbelastung durch Waldbrände stellt sich die Frage, was in New York zum Thema Klimaschutz getan wird. Und wie weit ist die Stadt New York darauf vorbereitet, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen? Selbst bei den US Open war Klimaschutz Thema. Extinction Rebellion NYC unterbrach das Halbfinale zwischen Coco Gauff und Karolina Muchova, um auf "die größte Notlage unserer Zeit" aufmerksam zu machen: den durch fossile Brennstoffe verursachten Klimawandel. Drei Demonstranten in den oberen Etagen des Stadions standen auf und riefen: "Kein Tennis auf einem toten Planeten", während ein Demonstrant seine nackten Füße auf dem Zementboden der Tribüne festklebte. Bei der New York Fashion Week kam es gerade zu einem Protest von Tierschützern.

New York City ist besonders durch die Auswirkungen des Klimawandels gefährdet. Die Acht-Millionen-Stadt befindet sich auf Inseln und ist von Wasser umgeben. Gleichzeitig sinkt sie jährlich circa zwei Millimeter aufgrund des Gewichts der Bauten, wie eine Studie kürzlich zeigte. Das Abwassersystem ist veraltet. Wer hier lebt, weiß: Bei jedem stärkeren Regen- oder Schneefall quillt das Wasser aus der Kanalisation. Subway, Autobahnen und Straßen werden regelmäßig überschwemmt.

Der Chief Climate Officer von New York City, Rohit T. Aggarwala, unterhielt sich vor kurzem mit der "New York Times" darüber, was ihm in der Nacht den Schlaf raube, nämlich Hurricanes und Hitzewellen. Aggarwala ist ein Pragmatiker, der sich nicht von existenziellen Ängsten abschrecken lässt. "Wir befinden uns in einem Klimawandel-Notfall", sagte er. "Und zwei Dinge sind im Notfall nicht hilfreich: Panik und Verzweiflung." Als die größte infrastrukturelle Herausforderung der Stadt sieht der Chief Climate Officer die Küstensicherung und den Schutz vor Regenwasser. Ein Büro für Küsten-Resilienz soll dafür eingerichtet werden. Mit der Befestigung von Küstenabschnitten und Flussufern oder der Errichtung von Wasserbarrieren wurde bereits begonnen. Entlang des East River unterhalb des FDR-Drives wird beispielsweise eine Mauer gebaut, um das Wasser bei Sturm abzuhalten und die dahinterliegende Infrastruktur zu schützen. Die Strände in den Rockaways, einer Halbinsel, die sich vom Stadtteil Queens aus in den Atlantik erstreckt, wurden gerade erweitert und erhöht.

Modernisierung der Gebäude

Die zweite große Infrastrukturherausforderung ist die Modernisierung aller Gebäude. Der ambitionierte Climate Mobilization Act von 2019 ist eines der kühnsten Klimagesetze des Landes. Ziel ist es, die Kohlenstoffemissionen bis 2030 um 40 Prozent zu senken und bis 2050 Netto-Null zu erreichen. Dafür werden den größten Umweltverschmutzern der Stadt, den Gebäuden, immer strengere Grenzwerte auferlegt. Ein Gasverbot bringt beispielsweise den Kampf gegen den Klimawandel in die Küche. New York ist die größte Stadt des Landes, die Gasherde in Neubauten in Zukunft verbietet. Gleichzeitig ist eine hitzige Diskussion darüber entbrannt, wie ungesund Gasherde in der Küche nun eigentlich wirklich sind. Auch über Resilienz wird nachgedacht. "Wir müssen eine maximale Innentemperatur festlegen. Dies bedeutet effektiv, dass wir eine Klimaanlage vorschreiben werden. Für Neubauten ist das ziemlich einfach. Aber alle bezahlbaren Wohnungen in der Stadt mit Klimaanlagen nachzurüsten ist eine große Aufgabe," sagt Klimachef Aggarwala.

Was er nicht erwähnt: In den zum Teil sehr alten Gebäuden der Stadt, "pre-war buildings" oder den "townhouses", die seit längerem nicht renoviert wurden, sind Heizungen nur schwer regulierbar. Den Winter übersteht man in manchen Wohnungen nur durch das Öffnen der Fenster, um die überhitzte Innentemperatur auf ein erträgliches Niveau zu bringen. New Yorker scherzten während der Lockdowns zum Teil sogar darüber, dass New Yorker Gebäude für eine Pandemie ideal seien, weil man sowieso ständig lüften müsste. Im Sommer hingegen sind Geschäfte zum Teil völlig unterkühlt und lassen ihre Türen weit offen, um Konsumenten anzulocken. Beides nicht wirklich klimafreundliche Zustände.

Verkehr: Congestion Pricing und Bike sharing Programme

Aufgrund der Bevölkerungsdichte ist die Stadt, zumindest was den Verkehr betrifft, ein relativ umweltfreundlicher Ort, der das Gehen, Radfahren und den öffentlichen Nahverkehr ermöglicht. Für Autofahrer sind die Strecken kürzer als zum Beispiel in den Suburbs. Radwege wurden ausgebaut und E-Scooters und Bikesharing-Programme erfreuen sich großer Beliebtheit. Eine Maut, das sogenannte „congestion pricing", soll im nächsten Frühjahr gestartet werden. Diese Maut wird für die verkehrsreichen Gebiete unterhalb der 60. Straße in Manhattan gelten und wäre das erste Programm dieser Art in den Vereinigten Staaten. Die vorgeschlagen Beträge variieren zwischen neun und 23 US-Dollar. Zumindest ein Teil des so eingehobenen Geldes käme der Metropolitan Transportation Authority zugute, die für Subway und Bussystem verantwortlich ist.

Bike Sharing in NYC wird immer populärer.
"Feel the power on an E-Bike": Auch um ältere Radfahrer wird geworben.
Stella Schuhmacher

Bundesstaat New York: erneuerbare Energien

Die New Yorker Stadtregierung und der Bundesstaat müssen sich im Bereich Klimaschutz koordinieren und eng zusammenarbeiten, wobei sich auch auf Bundesstaatenebene einiges tut. Der 2019 in Kraft getretene Climate Leadership and Community Protection Act (Climate Act) ist das Kernstück des Klimawandelgesetzes des Staates New York. Das Klimagesetz verlangt von New York, die gesamtwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent und bis 2050 um nicht weniger als 85 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Auch wird die Produktion erneuerbarer Energien im Bundesstaat gesteigert. Der öffentliche Stromversorger des Staates soll bis 2030 seinen gesamten Strom aus sauberer Energie erzeugen, zudem sollen alle staatlichen Immobilien ausschließlich mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Ein Climate Action Council wird darüber hinaus Empfehlungen abgeben, wie diese Richtlinien zu erfüllen seien und New York auf den Weg zur Klimaneutralität gebracht werden kann. Und auch ein neues Klimazentrum in der Stadt New York soll Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise liefern. Bürgermeister Eric Adams kündigte einen 700-Millionen-Dollar-Campus auf Governors Island im New Yorker Hafen an, der 2028 eröffnet werden soll.

Keine Holzofenpizza mehr in New York?

Manche geplanten Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung treffen auf Widerstand. Im Juni schlug das städtische Ministerium für Umweltschutz vor, dass Restaurants mit Kohle- oder Holzöfen diese mit einem teuren Emissionsfiltersystem ausstatten müssen. "Alle New Yorker verdienen es, gesunde Luft zu atmen, und Holz- und Kohleöfen gehören zu den größten Verursachern schädlicher Schadstoffe in Vierteln mit schlechter Luftqualität", sagte das Umweltschutzministerium dazu in einer Erklärung. Ein politischer Feuersturm brach aus. Fehlinformationen kursierten, die Befürchtungen schürten, dass die Stadt erwäge, holz- und kohlebefeuerte Pizzaöfen zu verbieten. Ein Demonstrant warf sogar Pizzastücke über den Zaun der City Hall, um dagegen zu protestieren. Aber keine Sorge. New York Style Pizza wird es weiterhin geben. (Stella Schuhmacher, 19.9.2023)