Um Verzicht auf einige Auswüchse der Konsumgesellschaft und so manche Bequemlichkeit kommen wir nicht herum, etwa wenn es um motorisierten Individualverkehr geht.
APA/GEORG HOCHMUTH

Proteste zeigen Wirkung: Der Klimaschutz ist in Österreich in den vergangenen Jahren im Denken der Menschen viel präsenter geworden. Dazu haben auch die Fridays-for-Future-Demonstrationen und die umstrittenen Aktionen der Letzten Generation beigetragen. Doch politisch rührt sich wenig: Zwischen den Klimazielen und dem Status quo klafft eine enorme Lücke.

Bis 2030 müsste Österreich 48 Prozent der Emissionen einsparen, um der EU-Vorgabe gerecht zu werden. Selbst im besten Fall würden die aktuellen Pläne nur 35 Prozent bringen. Das sieht schlechter aus als bei vielen anderen EU-Staaten – und das in einem Land, das mit einem großen Anteil von Wasserkraft am Strommix beste Voraussetzungen hätte, Vorreiter zu sein.

Verantwortung nicht Einzelnen aufbürden

Stattdessen stürzt man sich hier auf E-Fuels, CO2-Speicherung und andere technologische Scheinlösungen, als könne man allein damit die Krise bewältigen. Dabei ist wissenschaftlich klar: Es braucht außerdem in nahezu allen Lebensbereichen große Veränderungen, um die Emissionen nachhaltig zu senken. Um Verzicht auf einige Auswüchse der Konsumgesellschaft und so manche Bequemlichkeit kommen wir nicht herum. Das betrifft etwa motorisierten Individualverkehr, intensiven Fleischkonsum und unsanierte Wohnungen, aus denen Wärme entweicht.

Klimaschutz: Proteste und Demonstrationen, junge Frauen halten Schilder u.a. mit
Auch am Freitag finden wieder weltweite Demonstrationen für Klimaschutz statt. Sie haben dem Thema in der breiten Öffentlichkeit Präsenz verschafft.
Foto: Imago / Wolfgang Maria Weber

Diese Verantwortung darf nicht dem Einzelnen aufgebürdet werden. Wenn eine Klimaschützerin – oder auch eine beliebige andere Person – einmal das Flugzeug nimmt oder Fleisch isst, geht die Welt nicht unter. Vielmehr geht es um ein umfassendes System, das klimafreundliches Verhalten möglichst einfach und günstig macht. Wenig ändert sich, solange Zugfahren teurer als Fliegen ist und Fleischersatz nicht günstiger als echtes Fleisch. Zu diesem Zweck müssten aber Milliarden an klimaschädlichen Subventionen umgelenkt werden.

Internationale Konsequenz

Dafür wäre es nötig, dass Österreichs verschlafene Klimapolitik in die Gänge kommt, was offensichtlich vor allem an einer ÖVP im Tiefschlaf scheitert. Das fehlende Klimaschutzgesetz ist nur ein Beispiel für ihre Blockaden. Und weil sich Bundeskanzler Karl Nehammer dem Traum von Technologie als Deus ex Machina hingibt, werden faule Kompromisse erzwungen, die Österreich abgeschlagen liegen lassen.

Das macht auch international einen schlechten Eindruck. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in ihrer Rede zur Lage der Union, der Green Deal könne nicht aufgeweicht werden. Damit setzt sie sich mitunter gegen Stimmen ihrer Fraktion durch: In der Europäischen Volkspartei hätten viele ebenfalls lieber den einen oder anderen Kompromiss nach österreichischem Vorbild. Man kann einiges an der EU-Bürokratie kritisieren, doch genau diese überparteiliche und supranationale Konsequenz beim Klimaschutz ist nötig, damit wir uns und folgende Generationen an die Auswirkungen der Klimakrise anpassen und ihr Ausmaß eindämmen können.

Dafür ist es höchste Zeit: Wird die globale Erhitzung nicht abgeschwächt, könnte Österreich bis zum Jahr 2100 ein Temperaturanstieg um fünf Grad bevorstehen. Das weltweite Versagen beim Klimaschutz würde uns besonders teuer zu stehen kommen – finanziell, sozialpolitisch und gesundheitlich. Wären die Aussichten besser, dann könnten sich die Aktivistinnen und Aktivisten in ihrer Freizeit anderen Aufgaben widmen. (Julia Sica, 15.9.2023)