Zerstörung in Derna
Eine Aufnahme aus Derna, wo bis zu 20.000 Tote befürchtet werden.
AFP/ABDULLAH DOMA

Tripolis – Nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen benötigen nach Einschätzung des Nothilfebüros der Vereinten Nationen hunderttausende Menschen dringend Hilfe. In einem Dringlichkeitsappell rief das UN-Büro für humanitäre Hilfe zu Soforthilfen in Höhe von 71,4 Millionen Dollar (rund 67 Millionen Euro) auf, "um den dringenden Bedarf von 250.000 am stärksten betroffenen Libyern zu decken". Die Lage im Nordosten des Landes sei kritisch.

Fast 900.000 Menschen in fünf Provinzen des Bürgerkriegslands lebten in Gebieten, die vom Sturm Daniel und den dadurch ausgelösten Sturzfluten "direkt und in unterschiedlichem Ausmaß" betroffen seien. Das Internationale Rote Kreuz schickt unterdessen tausende Leichensäcke in die Überschwemmungsgebiete. Ein Flugzeug mit 5.000 Leichensäcken sei von Genf nach Benghazi gestartet, teilte die Organisation am Donnerstag mit.

Die verschiedenen Rettungsteams stehen vor gewaltigen logistischen Herausforderungen. Die Fluten haben Zufahrtsstraßen zur besonders schwer betroffenen Hafenstadt Derna weggeschwemmt, wichtige Brücken sind unter Schlammmassen begraben. Ein Risiko könnten laut Experten auch Blindgänger und verlassene Munitionslager darstellen. In Libyen herrscht seit Jahren Bürgerkrieg.

Versorgung mit Lebensmitteln

Internationale Helfer haben am Freitag von einer "katastrophalen humanitären Lage" im Land gesprochen. "Es ist dringend eine Koordination der Hilfe nötig", berichtete die Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) am Freitagabend. Ihr erstes Nothilfeteam ist seit Donnerstag in der Stadt. Ähnlich hatte sich auch das Rote Kreuz geäußert, das von Anfang an mit seinen lokalen Freiwilligen im Einsatz war. Es fehle an Absprachen, sagte der Einsatzleiter der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, IFRC.

Ein Flugzeug des Internationalen Roten Kreuzes startete mit 5.000 Leichensäcken von Genf nach Bengasi, wie die Organisation bei X (vormals Twitter) mitteilte.Das Welternährungsprogramm (WFP) hat unterdessen die Versorgung tausender Familien mit Lebensmitteln aufgenommen. Für mehr als 5.000 Familien werde dringend benötigte Nahrungsmittelhilfe bereitgestellt, teilte die Organisation mit. Zugleich wächst die Sorge vor dem Ausbruch von Krankheiten angesichts der vielen Todesopfer und nicht abfließender Wassermassen. In Darna seien mehrfach Durchfallerkrankungen gemeldet worden, sagte Haidar al-Saih, Leiter des Nationalen Zentrums für Seuchenbekämpfung.

Karte von Derna
Die Karte zeigt das Ausmaß der Schäden in Derna.
AP/Phil Holm

Daniel hatte das nordafrikanische Land am Sonntag erfasst. Nahe Derna brachen zwei Dämme, ganze Viertel der 100.000 Einwohner zählenden Stadt wurden regelrecht ins Meer gespült. "Wir erwarten eine sehr hohe Zahl von Opfern", hatte Bürgermeister Abdel-Moneim al-Gheithy dem Sender Al-Arabiya gesagt. Ausgehend von den zerstörten Bezirken der Stadt könnten es "18.000 bis 20.000 Tote sein", so der Bürgermeister. (APA, red, 15.9.2023)