Die Suche nach Wohnplätzen für Asylwerber und Asylwerberinnen sorgt in Österreich seit Jahren immer wieder für Konflikte. Während der letzten Krise im Herbst 2022 stellte die Bundesbetreuungsagentur (BBU) sogar Zelte auf, weil es mit der Verlegung der Flüchtlinge in die Bundesländer laut Grundversorgungsvereinbarung (GVV, siehe "Wissen" unterhalb) nicht klappte. Die Quartiere des Bundes platzten damals monatelang aus allen Nähten – dabei sollen sie die Flüchtlinge laut GVV an sich nur zu Verfahrensbeginn beherbergen.

Wiens Stadtrat Peter Hacker und Innenminister Gerhard Karner bei Pressekonferenz im Innenministerium
Rotes Land und türkises Ministerium gingen aufeinander zu: Wiens Stadtrat Peter Hacker und Innenminister Gerhard Karner (von links) bei der Vorstellung des neuen Asylabrechnungsmodells.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wichtigste Ursache der Quartiernot waren die damals hohen Asylantragszahlen. Verbunden mit mangelnder finanzieller Sicherheit für NGOs und andere potenzielle Unterkunftgeber, die zu wenig Plätze anboten, brachten sie das Grundversorgungssystem insgesamt ins Wanken – und zwar nicht zum ersten Mal. Die Abrechnung für die Flüchtlingsunterbringung nach Tagsätzen, die zum Teil jahrelang nicht erhöht wurden und die Kostenwahrheit daher nicht mehr abbildeten, führt in Österreich regelmäßig zu einer organisatorischen und politischen Krise.

"Hart, aber herzlich verhandelt"

In Wien, dem Bundesland, das mit Abstand am meisten Flüchtlinge in Landesbetreuung hat, soll es mit den Finanzproblemen nun aber ein Ende haben. Das türkis geführte Innenministerium und das rot regierte Land haben sich auf ein neues Asylquartier-Abrechnungssystem geeinigt. Als Grundlage werden statt der unflexiblen und oft unzureichenden Tagsätze in Zukunft die realen Kosten für die Asylwerberversorgung herangezogen. "Was es wiegt, das hat es", kommentierte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei der Vorstellung des Modells am Freitag in Wien. "Wir haben hart, aber herzlich verhandelt. Das geht auch, wenn man zu Flüchtlingsfragen oft unterschiedlicher Meinung ist", sagte der zuständige Wiener Stadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Was aber ändert sich konkret? Bis dato erhielten Quartiergeber in der Bundeshauptstadt zum Beispiel pro erwachsenen Flüchtling ohne außerordentlichen Betreuungsbedarf 25 Euro am Tag. Das Geld wurde im Nachhinein ausbezahlt – und reichte vielfach nicht, vor allem seit dem Steigen der Inflation. Ab Jänner 2024 sollen die Unterbringer nun Rechnungen über ihre tatsächlichen Ausgaben legen. Diese werden anhand der mit dem Quartiergeber vertraglich vereinbarten Versorgungs- und Betreuungsleistungen kontrolliert. Für die Versorgung Minderjähriger und vulnerabler Asylwerbender sowie von Flüchtlingen mit Behinderungen gilt das neue System rückwirkend ab Jänner 2023.

Teurer werde die Wiener Landesflüchtlingsversorgung dadurch aber insgesamt nicht, betonten Karner und Hacker vor der Presse: "Die von den Tagsätzen bisher nicht abgedeckten Kosten mussten vom Land ohnehin getragen werden", sagte Hacker. Die Grundversorgung wird seit ihrem Bestehen zu 60 Prozent vom Bund zu 40 Prozent von den Ländern finanziert, dauert ein Asylverfahren länger als ein Jahr, fallen die Kosten zu 100 Prozent dem Bund zu.

Karner will Modell auch in anderen Bundesländern

Entwickelt wurde das neue "Transparente Realkostenmodell" als Pilotprojekt in einer von Ministerium und Fonds Soziales Wien beschickten Arbeitsgruppe. Diese wurde von Sandra Mahr von der internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma EY geleitet. Auslöser war ein Bericht des Rechnungshofs über die "Grundversorgung in Wien" im Jahr 2021, in dem unter anderem eine "effektive und wirtschaftliche Vorgehensweise bei einem erneuten Ansteigen der Zahl der Asylwerbenden" eingemahnt wurde. Dem Vernehmen nach haben das Ministerium und der Fonds Soziales Wien einander im Rahmen der Arbeitsgruppe Einblicke in ihre jeweilige Grundversorgungs-Finanzgebarung gewährt, was davor nicht üblich gewesen sei.

Karner will das neue System auch auf andere Bundesländer ausweiten. Am kommenden Dienstag soll es deren Repräsentanten beim Treffen der Landesflüchtlingsreferenten vorgestellt werden. Ob das Modell so einfach übertragbar ist, bezweifelt der Flüchtlingsexperte Christoph Riedl von der Diakonie jedoch: "Um Rechnungen zu kontrollieren, braucht es Leistungskataloge. Es muss klar sein, was die Quartiergeber in den Ländern den Asylwerbenden bieten müssen", sagt er. Derlei Auflistungen existierten außerhalb Wiens aber nur beschränkt.

Klar aber sei: "Die Realkostenabrechnung in der Asylversorgung ist ein großer Fortschritt." Das betont auch Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. Der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner sprach ebenfalls von einem "wichtigen Schritt". Es sei aber "schade, dass sich nicht gleich weitere Bundesländer für dieses neue Modell entschieden haben. Als Caritas hoffen wir dennoch, dass dieses Modell der qualitätsvollen Betreuung in Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen wird und bald auch österreichweit umgesetzt wird", sagte er.(Irene Brickner, 15.9.2023)