Atacama Crossing, Racing the Planet, 4 Deserts
Auf sechs Etappen zwischen 16 und 76 Kilometern geht es durch die Atacama in Chile – die trockenste Wüste der Welt.
Thiago Diz / Racing the Planet

Das Schöne am Laufen ist, dass man es überall machen kann. Zum Beispiel auf dem Feldweg hinterm Haus. Oder quer durch die Atacama-Wüste in Chile. Und wenn man bei der Atacama nicht aufhört, sondern auch noch durch die Wüste Gobi, die Namib und die Antarktis läuft – dann ist man bei der Ultralaufserie "Racing the Planet – The 4 Deserts" gelandet. Vier Etappenrennen über je rund 250 Kilometer durch unwirtliche Gefilde und mit Gepäck auf dem Rücken zählen zum Härtesten, was man sich läuferisch aussuchen kann. Ruhm und Ehre im "4 Deserts Club" gibt es für diejenigen, die alle vier Rennen absolvieren. Noch mehr Ruhm und Ehre für die, denen das in einem Kalenderjahr gelingt: der Grand Slam.

Für den Einstieg ist auch eine einzelne Wüste Herausforderung genug. Am 24. September steigt mit dem Atacama Crossing der nächste Event: sechs Etappen zwischen 16 und 76 Kilometer, durch Salzseen, Sanddünen und Canyons. Einer, der den langen Lauf durch die trockenste Wüste der Erde im Vorjahr hinter sich gebracht hat, ist der Tiroler Harald Gruber. Der 52-jährige Maschinenschlosser war davor kein unbeschriebenes Blatt, hatte den Ironman und den legendären Marathon des Sables in der Sahara bereits überstanden. Im Fitnessstudio lernte er einen Gleichgesinnten kennen, dessen großer Traum das Atacama Crossing war. Realisieren konnte der Freund diesen Traum aber nicht mehr – er starb an Krebs. "Dann habe ich gesagt, ich mache das für ihn", erzählt Gruber.

Der Tiroler Harald Gruber 2022 in der Atacamawüste.
Der Tiroler Harald Gruber 2022 in der Atacamawüste.
Harald Gruber

Nasenbluten und Fieberschübe

Im September 2022 reist er nach Chile, ist beeindruckt von Landschaft und Leuten – und bekommt in den Tagen vor dem Start Nasenbluten und Fieberschübe: 3200 Meter Seehöhe am Startort sind eine Herausforderung, noch bevor der erste Schritt gelaufen ist. Dazu kommen Temperaturen von bis zu 40 Grad am Tag und bitterkalte Nächte mit bis zu zehn Minusgraden, "und du hast nur die Kleidung mit, die du selbst tragen kannst. An Schlaf war kaum zu denken." Denn von den Organisatoren gibt es für die Läufer im Wesentlichen nur ein Zelt, Wasser und medizinische Versorgung. Alles andere wie Gewand oder Essen für sechs Tage müssen die Teilnehmenden im Rucksack mit sich führen. Die verpflichtende Grundausstattung wird genauestens überprüft, sogar die vorgeschriebenen 14.000 Kalorien Nahrung werden penibel abgezählt.

Massenevents sind die Wüstenläufe der 4 Deserts nicht. Auf der Startliste des Atacama Crossing stehen wenige Tage vor der diesjährigen Austragung 121 Teilnehmende, darunter zehn Frauen. Das Startgeld von 3900 US-Dollar, dazu die Kosten für die Anreise, macht das Abenteuer zu einem kostspieligen Trip. Doch viele der Starter sind für den guten Zweck unterwegs – wie die Tirolerin Christine Eder, die im Juni 2023 gemeinsam mit ihrem Partner Valentin Mayr beim Gobi March am Start war.

"Ich war gar nicht so die Läuferin"

Am Anfang ihres Laufs stand für Eder der Reiz der Wüste. Schon seit Jahren hatte sich in ihr der Wunsch festgesetzt, in die Gobi zu reisen. Doch erst als sie beim Surfen im Internet von den 4 Deserts und dem Gobi March liest, weiß sie: jetzt oder nie. "Dabei war ich gar nicht so die Läuferin", gibt Eder zu. Sie sei nur hin und wieder gelaufen, sei eher beim Bergsteigen und Mountainbiken zu Hause. Doch ein Dreivierteljahr konsequenter Vorbereitung – Racing the Planet stellt auf seiner Website kostenlose Trainingspläne für unterschiedliche Leistungsgruppen zur Verfügung – genügt. Sie steigert sich von etwa einer halben Stunde täglich bis hin zu langen Läufen von vier Stunden.

Christine Eder lief 2023 durch die Wüste Gobi in der Mongolei.
Christine Eder lief 2023 durch die Wüste Gobi in der Mongolei.
Christine Eder

Die 35-jährige Eder leitet einen Verein, der mobile Pflege anbietet: "Mir ist der Lauf während der Vorbereitung wie das reale Leben unserer Patienten und von deren Angehörigen vorgekommen, die oft lange Durststrecken durchmachen müssen." Für sie machte sich Eder in der Gobi auf den Weg, um Spenden zu sammeln. Rund 3000 Euro kamen zusammen, mit dem Geld ermöglicht sie jetzt vergünstigte Pflegestunden, Fahrpreise und Nachtdienste für Palliativpatienten.

Spenden, Forschung und Business

Auch Racing the Planet selbst initiiert immer wieder Spendenaktionen, unter anderem für medizinische Hilfsorganisationen, Bildungseinrichtungen oder Tierschutz-NGOs. Und regelmäßig werden die Läuferinnen und Läufer zu Objekten der Forschung. 2016 etwa untersuchten Wissenschafter deren Strategien im Umgang mit Schmerz. In der Atacama geht es heuer um die Linderung von Muskelschmerzen mittels Riboflavin.

Racing the Planet, Namib, 4 Deserts
Nichts als Sand in der Namib.
Thiago Diz / Racing the Planet

Doch Eventgründerin Mary Gadams, selbst Ultraläuferin und frühere Investmentbankerin, ist auch geschäftstüchtig, betreibt unter der Marke Racing the Planet einen Onlineshop für alles, was man bei einem Ultramarathon so braucht.

2023 feiert die Rennserie ihr 20-jähriges Bestehen. Immer wieder fanden neben den Wüstenrennen Ultramarathons an wechselnden Schauplätzen wie Vietnam, Australien, Nepal, Island, Ecuador oder Sri Lanka statt. Das Jubiläumsrennen steigt heuer im November in Jordanien. Das nächste Rennen durch die Namib startet im April 2024, der Lauf durch die Gobi im Juni, in die Antarktis geht es erst wieder im November 2024. Wer dort dabei sein will, muss zumindest zwei der anderen Rennen bereits bestritten – und 13.900 US-Dollar für das Startgeld beiseitegeschafft – haben.

Racing the Planet, 4 Deserts, Antarktis
"The last desert": Im November 2024 geht es wieder in die Antarktis
Thiago Diz / Racing the Planet

Beim Atacama Crossing werden die Starter am 30. September das Tal des Todes (Valle de la Muerte) und das Tal des Mondes (Valle de la Luna) durchquert haben und im Zielort San Pedro de Atacama eintreffen. Die Schnellsten werden dafür knapp über 20 Stunden brauchen, die hinteren Ränge um die 50 Stunden. Und wenn alles gutgeht, hat dann der Klub derer, die alle vier Wüstenläufe hinter sich gebracht haben, vier Mitglieder mehr. (Michael Windisch, 23.9.2023)