Im Gastblog stellt Stefan Czurda den Street-Photographer Siegfried Hansen und dessen Vorliebe für visuelle Kompositionen des Alltags vor.
Im frühen Sommer dieses Jahres habe ich an einem Street-Photography-Workshop teilgenommen, der im neuen Wiener Leica-Store in der Seilergasse stattgefunden hat. Referent dieses Kurses war Siegfried Hansen, Deutschlands renommiertester Street-Photographer, dessen Arbeit mehrfach ausgezeichnet und ausgestellt wurde und der das Genre der Street-Photography seit 2002 sehr erfolgreich umsetzt. Im Vorfeld des Kurses habe ich bei Siegfried angefragt, ob wir zusammen einen Beitrag über seine Arbeit hier in meinem Gastblog im STANDARD umsetzen möchten.
Siegfried hat zugestimmt. Bei einem gemeinsamen Frühstück und im anschließenden Workshop habe ich einen sympathischen Vollblutfotografen kennengelernt, der sein Wissen nicht nur leidenschaftlich gerne teilt, sondern dem auch sehr viel Freude bereitet, sich über unser gemeinsames Interesse der Street-Photography auszutauschen.
Siegfrieds Zugang zur Fotografie
Siegfried Hansen beschreibt seine Fotografie als Ausdruck seiner Kreativität mithilfe seiner Kamera. Er selbst achtet weniger darauf, in welchem Genre der Fotografie er sich gerade befindet, ordnet sich aber prinzipiell schon der Street-Photography zu, allerdings mit einem grafischen Schwerpunkt, der in Richtung Fine-Art-Photography geht. Wichtig sind ihm auf jeden Fall sein Bauchgefühl und seine innere Stimme beim Fotografieren, die ihm sagt, was interessant und ebenso abbildenswert ist.
Aufspüren visueller Kompositionen des Alltags
Im Zentrum von Siegfrieds Fotografie stehen grafische Beziehungen und formale Verbindungen zwischen den grundlegenden Elementen seiner Fotos. Über das Formale hinaus erkennt er aber auch Skurriles in alltäglichen Dingen und sucht dabei durchaus kompositorisch anspruchsvolle Motive. Während seiner Fototouren scannt er das Geschehen des Alltags und versucht, einen ganz bestimmten Ausschnitt zu isolieren, der sein Interesse weckt. Der Fotograf hat ein gutes Gespür entwickelt, wie Linien zusammenlaufen, grafische Flächen zueinanderstehen und wie ein Bild aufgebaut sein muss, um es für den Betrachter interessant wirken zu lassen.
Das Matrosenbild
Eines seiner bekanntesten Fotos ist sein Matrosenbild. Um Siegfried Hansens Fotografie etwas besser zu verstehen, habe ich den Künstler gebeten, sein Bild im Sinne seiner visuellen Komposition etwas näher zu erklären.
Menschen sind nicht der Hauptfokus
Siegfried Hansen unterscheidet sich sicher von vielen Fotograf:innen im Bereich der Street-Photography, da er Menschen nicht als unmittelbaren Schwerpunkt seiner Fotografie sieht.
Inspiration und Werdegang
Siegfrieds Fotografie wurde durch die Werke von Henri Cartier Bresson, Ernst Haas, Ray K. Metzker und Saul Leiter, aber auch von Malern wie Piet Mondrian, Lyonel Feininger und Edward Hopper inspiriert. Sein visueller Wegbegleiter war aber auf jeden Fall der ungarische Fotograf André Kertész, von dem Siegfried 2002 zufällig eine Ausstellung besuchte. Seine Bilder haben ihn dermaßen beeindruckt, dass er einen Teil seines Lebens – den beruflichen Teil – ändern und unbedingt Fotograf werden wollte.
Heute kann Siegfried auf eine beachtliche Karriere als Fotograf zurückblicken. 2010 waren seine Fotos im Bestseller "Street Photography Now" (Thames-and-Hudson-Verlag) veröffentlicht und zusammen mit den Werken der bekanntesten Fotograf:innen im Bereich Street-Photography aus aller Welt, wie Martin Paar, Alex Webb und Bruce Gilden, zu sehen. Durch dieses Buch ist Siegfried Hansen international bekannt geworden.
2015 und 2020 veröffentlichte er seine eigenen Bücher mit dem Namen "Hold the Line" im Kettler-Verlag und "The Flow of Lines" im Eyeshot-Verlag. 2017 war er in der sehr erfolgreichen Fernsehstaffel "Master of Photography" als Mentor auf Sky Arte zu sehen. 2021 folgt dann sein erstes Sachbuch "Mit offenen Augen", das er zusammen mit der Fotografin Pia Parolin im Dpunkt-Verlag veröffentlichte. In dem Werk erklärt Siegfried, wie seine Fotos anhand seines P.I.L.O.T.-Systems und spezieller Trigger entstehen.
Workshop mit Siegfried Hansen
In seinem Workshop, den ich zusammen mit vier anderen Fotografen besucht habe, stellt Siegfried ebenso sein P.I.L.O.T.-System vor und erklärt, wie es Fotografen helfen kann, auf der Straße strukturiert vorzugehen. Das P.I.L.O.T.-System ist ein Gerüst, um Motive und komplexere Bildzusammenhänge zu erkennen und zu analysieren.
Das war es dann auch schon mit der Theorie, denn während des restlichen Kurses haben wir Siegfrieds Ansatz in der Wiener Innenstadt, am Naschmarkt, am Praterstern und am Areal des Vienna International Center mit seiner professionellen Unterstützung umgesetzt. Analysiert haben wir unsere entstandenen Werke dann in der Leica-Galerie, wo auch regelmäßig Werke bekannter Fotografen ausgestellt werden.
Beeindruckt hat mich vor allem Siegfrieds Gespür für Kompositionen und Details auf der Straße, aber auch seine unglaubliche Passion fürs Fotografieren, die er sich über die vielen Jahre als Street-Photographer bewahrt hat.
Ziele als Fotograf für die nächsten Jahre
Auf die Frage, was Siegfried sich im Sinne seiner Fotografie für die nächsten Jahren wünscht, antwortet er:
Ich bedanke mich herzlich bei Siegfried Hansen für seine detaillierten und inspirierenden Ausführungen und für die gemeinsamen Stunden. Ich kann wirklich jedem empfehlen, der sich für Street-Photography interessiert und von einem renommierten Fotografen lernen möchte, einen Workshop bei Siegfried Hansen zu besuchen.
Ich hoffe, Ihnen hat mein Beitrag gefallen. Ich freue mich sehr über Ihre Kommentare und einen Besuch meines Instagram-Profiles, in dem ich nicht nur meine abstrakte Street-Photography vorstelle, sondern auch auf zukünftige Beiträge hier in meinem Gastblog im STANDARD verweise. (Stefan Czurda, 22.9.2023)