Raab in blauer Bluse am Mikrofon
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP).
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) will die Vereinbarkeit mit einem Vollzeitberuf zu einem Kriterium bei der Verteilung der von der Regierung angekündigten zusätzlichen 4,5 Milliarden Euro für Kinderbetreuung machen. Bei den Verhandlungen mit den Ländern soll etwa als Ziel definiert werden, dass jeder neugeschaffene Platz "VIF-konform" (Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf), ist, wiederholte Raab bereits gestellte Forderungen am Sonntag in der ORF-"Pressestunde".

Damit Eltern auch in Vollzeit arbeiten können, sollen laut dem Indikator Einrichtungen mindestens 45 Stunden und an fünf Tagen in der Woche sowie an vier davon zumindest 9,5 Stunden geöffnet haben. Ganzjährig sollen sie mindestens an 47 Wochen geöffnet haben, die Kinder müssen außerdem mit einem Mittagessen versorgt sein. Derzeit sind nur rund 50 Prozent der Kinder über drei Jahren in VIF-konformen Einrichtungen, bei den Jüngeren sind es rund 60 Prozent.

Entsprechende Ziele müssen mit den Ländern bzw. Gemeinden festgelegt werden, derzeit wird gerade der Finanzausgleich verhandelt. Hier zeigte sich Raab trotz unterschiedlicher Vorstellungen optimistisch: Bei solchen Verhandlungen sei es üblich, dass jeder bis zur letzten Sekunde versuche, das Beste für sich herauszuholen.

Andere Betreuung im Bregenzerwald als in Wien

Mit den 4,5 Milliarden Euro bis 2030 werde jedenfalls nicht nur wie bisher in den Ausbau der Infrastruktur wie etwa neue Gebäude investiert, sondern auch etwa den Erhalt. Überhaupt sollen die Länder die Mittel anhand vorgegebener Ziele flexibel einsetzen können. Das sei nötig, weil Kinderbetreuung in Wien anders als im Bregenzerwald finanziert werden müsse. Bei den Zielen werde es auch um den Betreuungsschlüssel gehen – dabei habe man mit der geltenden Bund-Länder-Vereinbarung schon ein Fundament. Bei der Betreuungsquote schwebt ihr etwa bei den Zweijährigen eine Verdoppelung der derzeitigen 27 Prozent vor.

Die Bundesländer brauche es auch für eine Steigerung der Attraktivität des Berufs. Derzeit sei nur die Hälfte der fertigen Kindergartenpädagoginnen drei Jahre nach dem Abschluss auch im Beruf. Hier brauche es etwa höhere Gehälter, mehr Vorbereitungszeit und kleinere Gruppen. Eine Änderung der Kompetenzen strebt sie nicht an. Österreich sei ein föderaler Staat: Sie wünsche sich zwar eine gewisse Angleichung der Rahmenbedingungen, aber für unterschiedliche regionale Gegebenheiten müsse es Flexibilität geben.

Gleichzeitig müsse auch immer der Bedarf an Kinderbetreuung erhoben werden, betonte Raab. Ansonsten könne man nicht zielgerichtet vorgehen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass es ein "Henne-Ei-Problem" gebe. "Wenn die Plätze da sind, werden sie auch angenommen."

"Gekränktes Männerego" bei Landbauer

In Sachen Gendern plädierte Raab für mehr Natürlichkeit: "Wenn sich ein Stellvertreter einer Landeshauptfrau Landeshauptmannstellvertreter nennen lassen will, ist das ein bisschen gekränktes Männerego", meinte sie in Richtung Udo Landbauer (FPÖ). Gleiches gelte, wenn Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) Mütter als schwangere Personen bezeichne.

Eine baldige Lösung kündigte Raab beim Thema Kinderschutz an: Am Paket mit Änderungen im Strafrecht werde mit Hochdruck gearbeitet, Justizministerin Alma Zadić (Grüne) habe ihr in der Vorwoche einen Entwurf vorgelegt.

Das Urteil im Fall Teichtmeister wollte Raab nicht bewerten, die Strafen müssten aber verschärft werden. Diese hätten nicht nur eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter – man müsse auch deutlich machen, dass verurteile Personen Teil einer Maschinerie sind, die bestimmte Fälle des Missbrauchs erst ermöglichen. Natürlich seien strengere Strafen nicht die alleinige Lösung des Problems, konzedierte Raab. Die Regierung habe aber etwa mit den Kinderschutzkonzepten auch andere Schritte gesetzt.

Andere Parteien verlangen Taten

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner verlangte von Raab konkrete Taten. "Der Ausbau der Kinderbildung darf nicht weiter heiße Regierungsluft sein, sondern muss rasch umgesetzt werden. Klares Ziel muss der Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Lebensjahr sein", hieß es in einer Aussendung.

"Wir werden Ministerin Raab beim Wort nehmen, dass sie beim Ausbau vor allem auf die Qualität der Betreuungsplätze achten wird", meinte Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Die von der Ministerin vielzitierte "echte Wahlfreiheit" könne es nur bei einem österreichweiten Rechtsanspruch auf einen hochqualitativen Platz ab dem ersten Geburtstag, kleineren Gruppen und längeren Öffnungszeiten geben.

Für die FPÖ sind Raabs Pläne "vage". "Was von Ankündigungen der ÖVP zu halten ist, wissen die Österreicher nur allzu gut: Da ist Skepsis angebracht", sagte die blaue Familiensprecherin Rosa Ecker. Ihr fehlt auch die "finanzielle Wertschätzung der familiären Betreuung".

Der ÖGB kritisierte die unklare Finanzierung beim Kindergartenausbau sowie dessen langsames Voranschreiten. "Nachdem uns die Ministerin weiter nichts Konkretes verraten hat, wie das Geld investiert wird, ist jedenfalls Vorsicht geboten. Einen Marketingschmäh auf dem Rücken der Eltern werden wir nicht akzeptieren", sagte ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann. (APA, 17.9.2023)