Russell Brand streift in seinem Videomonolog das eigentliche Thema nur am Rande.
Russell Brand streift in seinem Videomonolog das eigentliche Thema nur am Rande.
APA/AFP/ANDREW COWIE

Emotionaler Missbrauch, sexuelle Übergriffe, Vergewaltigung – die Vorwürfe gegen den britischen Komiker Russell Brand wiegen schwer, das gibt er auch selbst in einem knapp dreiminütigem Video zu. Darin versucht er sich zu verteidigen: Mit dem Gestus eines Gejagten und mit einigen Hinweisen auf viel ärgere Machenschaften als sexualisierte Gewalt. Auf X, früher Twitter, wurde das Video bisher fast 65 Millionen Mal angezeigt.

Der Verschwörungserzählungen zugeneigte Star betont darin, dass er jahrelang extrem promiskuitiv gewesen sei. Damit sei er aber stets völlig transparent umgegangen. Vielleicht "zu transparent" sagt er, denn seine Ehrlichkeit würde ihm jetzt als etwas Kriminelles ausgelegt. Brand fühlt sich somit – sehr ungewöhnlich – als männliches Opfer einer Art von "Slutshaming". Die Wortkreation ist eigentlich für Frauen reserviert, deren Verhalten oder gelebte Sexualität gegen ihre Glaubwürdigkeit als Betroffene von sexualisierter Gewalt ins Feld geführt wird.

Dahinter steckt was Ärgeres?

Doch immerhin in einem hat Brand recht: Die Vorwürfe sind schwerwiegend. Trotzdem geht er in seinem Videomonolog nur am Rande darauf ein. All seine Beziehungen seien "immer" und "absolut" einvernehmlich gewesen. Er weist scharf zurück, dass es anders gewesen sei. Fertig. Seinem Dafürhalten nach muss er sich nicht weiter damit beschäftigen, stattdessen lassen die Vorwürfe in ihm eine andere Frage aufkommen: Gibt es hier womöglich eine andere Agenda? Eine viel größere als sexualisierte Gewalt? Whataboutism vom Feinsten. Was das ist? "Eine rhetorische Figur, um einen Missstand durch den Verweis auf einen anderen zu relativieren", besser als Wikipedia kann man es nicht zusammenfassen.

Für Brand scheint festzustehen: Ja. Allerdings könnte der Kampf gegen sexualisierte Gewalt sehr wohl als große Agenda angesehen werden. Längst keine besonders knackige mehr, weil sehr alt. Alt ist aber auch Brands Verteidigungslinie: über alles andere als über die konkreten Vorwürfe reden. Die sind für ihn ein Nebenschauplatz – während sich die wahren Skandale angeblich ganz woanders abspielen. (Beate Hausbichler, 19.9.2023)