Nun also wohl der nächste Krieg um Bergkarabach. Für die Menschen dort bedeutet er Angst. Hunger kennen sie schon seit Monaten. Die Lage zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan hatte sich in den letzten Wochen stark zugespitzt. "Aserbaidschan hat im Verlauf der letzten Tage Streitkräfte entlang der Kontaktlinie mit Bergkarabach und an der Grenze zu Armenien zusammengezogen", sagte der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan gegenüber örtlichen Medien. Der Krieg kam nicht unerwartet.

Proteste in der armenischen Haupstadt Eriwan gegen Aserbaidschan.
Proteste in der armenischen Haupstadt Eriwan gegen Aserbaidschan.
AFP/KAREN MINASYAN

Bergkarabach zählt aus UN-Sicht zu Aserbaidschan, hat aber 1991 seine Unabhängigkeit von der Regierung in Baku erklärt. 2020 eskalierte der Konflikt in einen Krieg mit zahlreichen Toten, der nach sechs Wochen mit einer von Russland vermittelten Waffenruhe endete. Aserbaidschan hatte zuvor weite Teile der Region erobert. In einem Waffenstillstandsabkommen mussten die Armenier mehr als 70 Prozent der zuvor von ihnen kontrollierten Gebiete in Bergkarabach sowie besetzte aserbaidschanische Bezirke in der Umgebung abtreten.

Russland braucht die Türkei

Nun schlägt Aserbaidschan erneut zu. Baku hofft darauf, dass sich Russland, die Schutzmacht Armeniens, nicht allzu stark engagieren wird. Einerseits ist Russland militärisch in der Ukraine stark gebunden. Andererseits will Russland es sich nicht mit der Türkei, der Schutzmacht Aserbaidschans, verscherzen. Für Russland ist die Türkei ein wichtiger Partner, das Land trägt die Sanktionen des Westens im Ukrainekrieg nicht mit, viele sanktionierte Waren kommen über die Türkei ins Land.

Wieder einmal wird Bergkarabach, vielleicht sogar Armenien, zerrieben zwischen allen möglichen weltpolitischen Interessen. Wahrscheinlich ist, dass der Westen jenseits warmer Worte und Verurteilungen nicht allzu viel unternehmen wird. Denn im Unterschied zur Ukraine ist Armenien geostrategisch und auch wirtschaftlich uninteressant.

Das Leid der Menschen in Bergkarabach wird bleiben und sehr wahrscheinlich größer werden. Schon jetzt fehlen Nahrungsmittel und Medikamente. Die Schlangen vor den Geschäften werden immer länger. Und Menschenrechtler vor Ort berichten von den ersten Hungertoten. Ein Satz eines Einwohners von Stepanakert, der Hauptstadt von Bergkarabach, bleibt hängen: Es gibt buchstäblich einen Mangel an allem. Diplomatisch ist jetzt der Westen gefragt. Schließlich ist die Türkei, die Schutzmacht Aserbaidschans, Nato-Mitglied. (Jo Angerer, 19.9.2023)