Das Google Maps Symbol auf einem Smartphone ist kurz davor, von einem User angetippt zu werden.
Google Maps ist eine der bekanntesten Bewertungsplattformen für Klein- und Mittelunternehmen. Leider wird dort auch viel Falschinformation verbreitet.
REUTERS/Dado Ruvic

Letztlich nutzen wir sie wahrscheinlich alle: die Bewertungsfunktion der Tech-Plattformen, allen voran Google Maps. Um uns ein Bild der Services in einem Unternehmen zu machen, lesen wir die Rezensionen. Ein Stern, zwei Sterne, fünf Sterne. Dazu kleine Texte, Anekdoten, Kommentare. Dass dabei auch einige Bewertungen über die Stränge schlagen, ist immer wieder auffällig. Es ist für die betroffenen Unternehmen aber nicht so einfach, dagegen vorzugehen. Das möchte der Verein Cobin Claims ändern und kündigt nun eine Klageaktion an.

An der Aktion können sich in einem ersten Schritt Einzelunternehmen sowie Klein- und Mittelunternehmen beteiligen, die durch diffamierende Rezensionen im Internet zu Unrecht öffentlich an den virtuellen Pranger gestellt werden. Die Gastronomie ist dabei zwar ein besonders prominentes Beispiel, das Problem betreffe jedoch auch "andere Branchen". Man richte sich an alle, die im "normalen Wirtschaftsleben" stehen, so Obmann Oliver Jaindl vom Verein "Cobin Claims". In den nächsten Monaten möchte man diejenigen ausfindig machen, bei denen durch diffamierende Online-Bewertungen "tatsächliche Schäden" entstehen.

Langfristiges Ziel dabei: Es soll in Zukunft einfacher und schneller möglich werden, rufschädigende und diffamierende Bewertungen löschen zu lassen. Der notwendige Druck für so ein Vorhaben lässt sich aber nur in einer Gruppenklage herstellen, ideal realisierbar unter dem Schirm eines Vereins. In diesem Fall richtet man sich ausschließlich an Unternehmen, nicht an Privatpersonen. Die Registrierung dafür wird online und gratis möglich sein.

Idee entstand durch Häufung von Beschwerden

"Anstoß der Aktion sind Beschwerden von Vereinsmitgliedern über wiederholte Untätigkeit von großen Online-Multis bei Verstößen gegen Nutzungsbedingungen, wenn User unrichtige oder abwertende Rezensionen abgeben", erklärt Jaindl. Im Gespräch mit dem STANDARD berichtet auch Rechtsanwalt Severin Hammer, der mit Cobin Claims zusammenarbeitet, über vermehrte Anfragen seiner Kundinnen und Kunden zum Thema.

Unwahrheiten, beleidigende oder rufschädigende Bewertungen können laut dem Verein Cobin Claims zu einer bedrohlichen finanziellen Situation für die Unternehmen führen. In der Praxis hätten die meisten Klein- und Mittelunternehmen wie Handwerker, Ärztinnen und Wirte aber nicht die Zeit und das Geld, um den Bewertungen nachzugehen. Treten die bewertenden Personen online nicht mit Klarnamen auf, führt das zusätzlich zu langwierigen Umwegen. Im Zuge des Telekommunikationsgesetzes gäbe es zwar Möglichkeiten, Adressen oder Namen über die Plattform-Betreiber ausfindig zu machen. Das ist aber sehr zeitaufwendig.

Ein kürzlich in Niederösterreich von der zweiten Instanz, also dem Oberlandesgericht, formuliertes Urteil bezüglich Rezensionen sei aber ermutigend. Laut dem Gericht würden Plattform-Betreiber wie Google für die von ihnen ungeprüft veröffentlichten Rezensionen von Usern haften, wenn diese unwahr oder untergriffig sind. Google sei laut dem Gericht daher durchaus Medieninhaber, da betroffene Unternehmen nicht in die Kommentare ihrer Firmenseite eingreifen könnten.

Weg über die Plattformen oft zu langsam

Unwahre und übergriffige Bewertungen bleiben daher oft online sichtbar, selbst wenn "virtueller Rufmord" betrieben wird, wie es Jaindl formuliert. Das Kommunizieren mit Tech-Giganten auf "Augenhöhe" sei nahezu "unmöglich". Denn der offizielle Weg über die Plattform, wie am Beispiel Google ersichtlich wird, ist zäh.

Rechtsanwalt Hammer erklärt das Prozedere: Der online vorgegebene Weg führt meist zu keiner befriedigenden Antwort. Möchte man ungerechtfertigte Bewertungen im zweiten Schritt über eine Rechtsanwaltskanzlei melden, schickt diese einen eingeschriebenen Brief nach Irland (EU-Sitz von Google). Vor wenigen Jahren noch hätte sich daraufhin niemand gemeldet, man wäre oft "einfach ignoriert" worden. Mittlerweile bekäme man zumindest eine Antwort. Die minimale Verbesserung der Kommunikation seitens der Tech-Giganten ist für viele Betroffene aber nur ein schwacher Trost. Hammer: "Den Leuten ist nicht geholfen, wenn das ein bis zwei Jahre dauert." Denn viele Unternehmen wären wirtschaftlich von den Bewertungen abhängig, müssten in der Wartezeit also mit Umsatzeinbußen rechnen.

In den nächsten Monaten muss auch Österreich die EU-Verbandsklage-Richtlinien in das nationale Recht gießen. Dann möchte man, möglicherweise auch mit Klein- und Mittelunternehmen aus anderen EU-Ländern, die Sammelklage in Österreich auf den Weg bringen. Die sogenannte Sammelklage Neu soll dann wesentliche Vorteile für Verbraucher bringen. Noch ist aber nicht klar, ob mit dem Gesetz in Österreich auch Unternehmen die Sammelklage erlaubt wird. Danach richte sich dann das weitere Vorgehen.

Der Verein Cobin Claims betont: "Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut." Dass sachliche Kritik notwendig und Bewertungsplattformen nicht per se ein schlechtes Tool sind, ist auch klar. Unwahrheiten sollten aber gelöscht werden. Denn eines ist sicher: Das Digitale ist kein rechtsfreier Raum. (Sebastian Lang, 20.9.2023)