Bergsee in den österreichischen Alpen, Achensee, eine Familie lässt die Beine über der hellgrünen Wasseroberfläche sitzend von einem Pier baumeln.
In Bergseen wird die Zusammensetzung der Bakterien immer problematischer, wie eine aktuelle Studie zeigt.
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Die sommerliche Abkühlung im See bekommt einen fahlen Beigeschmack, wenn wegen potenziell giftiger Mikroorganismen vom Schwimmengehen abgeraten wird. Das geschah vor einem Monat in Niederösterreich, im Stausee Ottenstein im Waldviertel: Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) riet vom Baden ab. Der Grund dafür war die massenhafte Vermehrung von Cyanobakterien, die bei Menschen etwa zu Übelkeit, Fieber, Kollaps und Lähmungserscheinungen führen können. Sie werden vor allem dann zum Problem, wenn größere Mengen an Seewasser geschluckt werden oder dieses in die Atemwege gerät. Auch für Hunde können die Bakterien, die Giftstoffe produzieren, lebensgefährlich werden.

Auch Bergseen sind zunehmend von diesem Problem betroffen. Wie nun ein Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung zeigte, wird der sogenannte Biofilm – eine dünne Mikrobenschicht, die etwa in Seen Steine, Wasserpflanzen und Boden bedeckt – aufgrund des globalen Wandels zunehmend giftiger. Die Studie erschien im Fachjournal "Water Research".

Stausee Ottenstein, Niederösterreich, Waldviertel. Blick aus der Vogelperspektive auf die Burgruine Lichtenfels. Zu hohe Bakterienbelastung sorgte dafür, dass das Baden nicht empfohlen wurde.
Im Stausee Ottenstein – hier mit der Burgruine Lichtenfels zu sehen – tummelten sich Ende August so viele Cyanobakterien, dass die Ages vom Baden abriet.
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Mittlerweile ist hinlänglich belegt, dass die Artenvielfalt, insbesondere im Süßwasser, aufgrund menschlicher Aktivitäten dramatisch abnimmt. Das wurde vor allem bei Tieren und Pflanzen dokumentiert, mikrobiellen Gemeinschaften wurde bisher noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei haben Mikroorganismen eine große Bedeutung für das Funktionieren von Ökosystemen.

Hilfreiche und giftige Algen und Bakterien

So besteht die schleimige Schicht auf verschiedenen Oberflächen in Gewässern, etwa auf Steinen, aus Milliarden Mikroorganismen. Diese Mikroben bilden nicht nur die Basis des Nahrungsnetzes im Wasser, sie reinigen dieses auch und entgiften es, indem sie organische Schadstoffe abbauen. Damit haben sie großen Einfluss auf die Wasserqualität.

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Dirk Schmeller und Hugo Sentenac vom Institut National Polytechnique de Toulouse (Frankreich), an dem auch Luca Zoccarato vom Institut für Computergestützte Biologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und Fachleute des deutschen Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beteiligt waren, hat Biofilme in 26 Seen in den französischen Pyrenäen über fünf Jahre hinweg untersucht.

Sie zeigten, dass sich die Zusammensetzung der Biofilmgemeinschaften erheblich verändert und die beachtliche Artenvielfalt in den Mikrobenschichten im Laufe der Zeit abgenommen hat: Bestimmte Mikroorganismen wie Cyanobakterien, die umgangssprachlich als Blaualgen bezeichnet werden, haben sich vermehrt, während andere Mikrobenarten, die eine gute Wasserqualität anzeigen, etwa Kieselalgen, abgenommen haben. Das Problem dabei: Einige Cyanobakterien bilden Cyanotoxine, die für Tiere und Menschen schädlich sind.

Risiko der Vergiftung

Probleme mit Cyanobakterien waren bisher eher von Flachlandseen bekannt. Dort kommt es immer wieder zu Vergiftungen von Hunden und Wildtieren durch Cyanotoxine. In Bergseen könnten die Veränderungen in der Zusammensetzung des Biofilms "Kaskadeneffekte in Nahrungsnetzen hervorrufen und die Widerstandsfähigkeit des gesamten See-Ökosystems gefährden", schreiben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in der Arbeit. "Der Anstieg potenziell toxigener Cyanobakterien erhöht auch das Vergiftungsrisiko für Menschen, Haus-, Wild- und Nutztieren, die Bergseen nutzen."

Die Fachleute führen die Veränderungen in der Zusammensetzung des Biofilms auf mehrere gleichzeitig wirkende Faktoren zurück. Konkret untersucht haben sie Schwankungen des pH-Werts und der Wasserhärte als wichtige Treiber. "Sie werden unter dem Einfluss des Klimawandels durch Auslaugung des Gesteins weiter zunehmen", erklärte Schmeller in einer Aussendung. Die Forschenden empfehlen daher, Managementstrategien zu entwickeln, um Bergseen von beeinflussbaren Stressfaktoren wie Fischbesatz und invasiven Arten zu entlasten. (APA, red, 21.9.2023)