Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki ist im Wahlkampfmodus. Das lässt sich gut verstehen. In drei Wochen, am 15. Oktober, wird ein neues Parlament gewählt, da kann der Ton bekanntlich schon mal ein wenig rauer werden. Vor allem dann, wenn das eigene Lager, in diesem Fall die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), mit unangenehmen Vorwürfen konfrontiert ist.

Im Wahlkampfmodus: Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
AP/Geert Vanden Wijngaert

Trotzdem: Morawiecki hätte darauf achten sollen, dass die heimische Wahlkampfrhetorik nicht allzu lautstark auf die internationale Ebene schwappt. Innen- und Außenpolitik mögen eng miteinander verzahnt sein, und gerade von Wahlkämpfenden wird man kaum verlangen können, auf dem diplomatischen Parkett die heimischen Launen auszublenden. Doch die Art und die Umstände, mit denen Polens Regierung die wachsenden Spannungen mit der Ukraine in politisches Kleingeld ummünzen will, verunsichern derzeit nicht nur Kiew, sondern den gesamten Westen.

Aktuelle Kehrtwende

Bei einem Auftritt in einem privaten Fernsehsender hatte Morawiecki erklärt, Polen liefere keine Rüstungsgüter mehr an die von Russland angegriffene Ukraine. Stattdessen werde sich sein Land nun vor allem selbst bewaffnen.

Das wirbelte schon allein deshalb viel Staub auf, weil Polen bisher stets zu den engsten Verbündeten der Ukraine gehört hatte – nicht ohne dabei westliche Länder, insbesondere Deutschland, zu maßregeln, weil diese bei der Solidarität mit Kiew zu zögerlich seien.

Dass die aktuelle Kehrtwende auch mit einer Verschärfung des Konflikts um ukrainische Getreideexporte einhergeht, macht die Sache nicht besser. Kiew will ja wegen des Kriegs Getreide vermehrt über den Landweg statt übers Schwarze Meer ausführen. Das Nachbarland Polen fürchtet jedoch einen Preisverfall bei heimischen Produkten und legt sich quer, was wiederum der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der UN-Vollversammlung als "politisches Theater" bezeichnete, das nur Russland zugutekomme.

Megafon-Diplomatie

Spätestens nun hätte man die Reißleine ziehen und sich gleich zur Konfliktbereinigung in ein Hinterzimmer zurückziehen sollen. Polen aber wählte mit Blick auf den heimischen Wahlkampf zunächst den Weg der Megafon-Diplomatie, bestellte den ukrainischen Botschafter ein und legte mit der Absage an weitere Waffenlieferungen nach.

Das wiederum bedient genau das Narrativ der polnischen Rechts-außen-Partei Konfederacja. Diese trommelt schon seit längerem, dass Polen sich in erster Linie um die eigene Verteidigung und nicht um die der Ukraine kümmern solle. Ausgerechnet die Konfederacja ist es auch, die vom jüngsten Skandal rund um angebliche Korruption bei der Vergabe von Schengen-Visa in polnischen Konsulaten profitiert. Immerhin wurde dadurch die Antimigrationsrhetorik der PiS untergraben, die diese gerade im Wahlkampf wieder hochgefahren hatte.

Um dort auch noch die antideutsche Karte auszuspielen, wetterte Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak gegen einen Vorschlag Selenskyjs, Deutschland solle einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhalten: Die Idee sei "eine große Enttäuschung".

Enttäuschend ist es auch, wie Polen gerade seine Reputation als besonnener Partner der Ukraine aufs Spiel setzt. Vielleicht wird das zerschlagene Porzellan nach der Wahl wieder zu kitten sein. Ganz einfach wird das aber nicht. (Gerald Schubert, 21.9.2023)