Ist der Fernseher verschwunden – oder nur gut versteckt? Auf Instagram & Co ist häufig zweiteres der Fall.
Ist der Fernseher verschwunden – oder nur gut versteckt? Auf Instagram & Co ist häufig zweiteres der Fall.
Getty Images/Vanit Janthra

Früher war vieles anders – und das Wohnzimmer ein abgetrennter Raum, in dem Ohrensessel, Couch und Tisch auf den Fernseher ausgerichtet waren. Man brezelte sich für die Peter-Alexander-Show auf und servierte Käseigel, gefüllte Eier und Spritzwein.

Nicht nur was die Fernsehsnacks angeht, hat sich viel getan seither. Wer sich auf Instagram und Pinterest – oder bei STANDARD-Wohngesprächen – umschaut, wird das Fernsehgerät in Wohnungen oft erst nur noch auf den zweiten Blick entdecken, wenn überhaupt. Denn mit dem Flimmerkasten wird heute gern Verstecken gespielt. Ist uns der Fernseher ausgerechnet in Zeiten von Binge-Watching auf Netflix peinlich geworden?

Viele nehmen den Fernseher als Mittelpunkt des Wohnalltags zumindest nicht mehr einfach so hin. Man wolle nicht, dass die Kinder den ganzen Tag darauf schauen, erzählen Kollegen und Kolleginnen. Hässlich sei er obendrein.

Ganz neu ist das nicht. Das Bildungsbürgertum hat auch vor 60 Jahren bereits gegen das Kastl gewettert. Aktuell scheint es vielen aber vorrangig um die Ästhetik zu gehen. Ferngeschaut wird nämlich weiterhin, nur heißt das heute Streamen – und das geht auch auf dem Tablet oder Handy, bequem im Bett oder in der U-Bahn. Den Fernseher braucht es also nicht mehr. Und wenn doch, dann lässt er sich immerhin besser verstecken als die klobigen Kästen von früher. "Die Industrie arbeitet daran, dass sich die Geräte optisch verkriechen", sagt der Architekt Gregor Eichinger.

Weg mit dem Kabelsalat

Mittlerweile passen sich die Geräte im Standby-Modus an die Tapete an – oder sie schauen, wie "The Frame" von Samsung, mehr nach Gemälde als nach Gadget aus. Die Kunst, die man zeigt, ist Geschmackssache – der Seerosenteich von Monet macht auch im kleinsten Wohnzimmer was her, während die Mona Lisa nur müde lächelt.

Auf schwarzem Hintergrund fällt der schwarze Fernseher zumindest weniger auf.
Auf schwarzem Hintergrund fällt der schwarze Fernseher zumindest weniger auf.
Live your home - Interior Design

Auch Innenarchitektinnen tüfteln an Lösungen: "TV-Geräte sind nicht mehr als Highlight im Raum erwünscht", sagt die Innenarchitektin Stefanie Szöke von Live your Home Interior Design. Am einfachsten sei, den Fernseher nicht an die prominenteste Wand zu montieren, allerdings würden die in Wohnungen vorgesehenen Anschlüsse die Pläne meist durchkreuzen. Noch eine Möglichkeit: die Wand, an der der Fernseher hängt, schwarz zu gestalten, etwa in Holz-, Marmor- oder Steinoptik, damit der ausgeschaltete Fernseher darin verschwindet. "Wir arbeiten gern in die Tiefe", sagt Szöke, in Paneelen entstehe Platz, in dem auch Lautsprecher und andere Geräte – und der dazugehörige Kabelsalat – verschwinden können.

Günstiger lässt sich der Fernseher mit Do-it-Yourself-Tricks verstecken, etwa in einem Kastl, hinter Paravents, in einem Spiegel oder auf einem Schiebewagen, der bei Bedarf hinter der Tür hervorgeholt wird.

Mit ein paar Handgriffen wird aus Kunst ein Fernseher.
Mit ein paar Handgriffen wird aus Kunst ein Fernseher.

Und dann kann man sich auch tatsächlich in Verzicht üben. Eine Kollegin mit Kind hat ihren Fernseher verräumt. Was bleibt, ist der Laptop, der abends hervorgeholt wird. Oder auch nicht: "Seit der Fernseher nicht mehr im Wohnzimmer steht, lesen wir wieder viel mehr", erzählt sie. Eine andere Kollegin hat ihren Fernseher an den Ex-Freund verloren und lebt seither ohne, gestreamt wird auf dem Laptop. "Und wenn ich ein schönes Schau-Erlebnis haben will, dann geh ich ins Kino", sagt sie.

Auch eine Option: den Fernseher auf ein Wagerl stellen und nur hinter der Tür hervorholen, wenn er gebraucht wird.
Auch eine Option: den Fernseher auf ein Wagerl stellen und nur hinter der Tür hervorholen, wenn er gebraucht wird.
Maria von Usslar

Aber was wird dann aus dem Wohnzimmer, in dem man sich heute nicht mehr um den Fernseher versammelt? Laut Architekt Eichinger hat das Folgen: "Wir haben nicht nur den Fernseher verloren. Wir haben auch das Wohnzimmer verloren." Früher sei es das Fenster zur Welt gewesen, heute eine "Mehrzweckhalle", in der die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Kochen, Essen miteinander verschwimmen. Wohl auch, weil sich die Grundrisse moderner Wohnungen verändert haben und das Wohnzimmer kein separater Raum mehr ist.

In den Wohnungen, aus denen der Fernseher verschwunden ist, werden dafür andere Dinge in Szene gesetzt. Plattenspieler nennt Architekt Eichinger als Beispiel, oder teure Musikanlagen. Wobei auch diese Geräte in der Vergangenheit immer wieder in Kisten und Kästen versteckt wurden. Trends kommen und gehen. Es gibt also Hoffnung, nicht für den Käseigel, aber zumindest fürs Wohnzimmer. (Franziska Zoidl, 23.9.2023)