Es war eine Wahlkampferöffnung mit Fehlbesetzung. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte sich in Wien Björn Höcke neben Herbert Kickl als wahrer Verfassungsschützer aufpudeln müssen. Der macht wenigstens ideologische Nägel mit wahrhaft völkischen Köpfen. Stattdessen vor die österreichischen Wählerinnen und Wähler diesen Ausbund deutscher Mädel im Frühstadium einer Möchtegernkanzlerin heim ins Reich zu holen, musste dazu führen, dass in ihrer Doppelconférence wieder nur die abgestandenen Kalauer, garniert mit Versicherungen der wechselseitigen Selbstüberschätzung, serviert wurden. Wenn man damit auch immer wieder in die Medien kommt, ändert es nichts daran, dass es sich um substanzlose Phrasendrescherei handelt. Mit Höcke wäre wenigstens der Unterhaltungswert größer gewesen. Aber der Wahlkampf beginnt ja erst.

War auf Kurzbesuch bei FPÖ-Chef Herbert Kickl: AfD-Chefin Alice Weidel.
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Der Vorsitzenden der Alternative für Deutschland war es eine "ganz große Ehre", in Wien zu sein, warum, blieb unklar. Es beruhte auch nicht auf Gegenseitigkeit. Der Begründer der ersten Alternative für Deutschland hat sich da mehr angestrengt, als er im März 1938 von Wien als einer Perle sprach, der er schon die nötige Fassung verleihen werde. Was ihm auch gelungen ist, weshalb er in einschlägigen Kreisen nicht nur wegen seiner Beschäftigungspolitik bis heute Vorbild ist. Der Capo der Stadt-FPÖ wirbt schon wieder damit, er lasse die Wiener nicht im Stich, eine gefährliche Drohung.

Freiheitliche Erfolge

Vielleicht ist Frau Weidel gekommen, weil sie hofft: Von den österreichischen Freiheitlichen lernen heißt siegen lernen. Mag es bis zum Sieg noch dauern, der Anspruch auf den (Volks-)Kanzler ist hier wie dort erhoben. Österreich muss ihr als ein Wunderland freiheitlicher Erfolge erscheinen. Bringen es die hiesigen Alternativen in Befragungen auf 30 Prozent, schafften die deutschen trotz ihres Rückhalts im Osten bisher gerade 20 Prozent.

Wie machen die blauen Ösis das? Seit mehr als zwanzig Jahren haben sie immer wieder auf den Wirtskörper einer ÖVP gesetzt, die sie benutzt, um die Sozialdemokraten vom Regieren fernzuhalten. Auch wenn sich Freiheitliche in der Folge als Koalitionspartner noch so klar als regierungsunfähig erwiesen haben, war das kein Grund, sich nicht immer wieder von Neuem als einzige Retter anzupreisen. Ihre jeweiligen Führer enden entweder tragisch im Auto, tragikomisch auf Ibiza, landen vor Gericht – aber Vergesslichkeit des Publikums erleichtert es ihnen, aus den Fehlern von Regierungen, an denen sie gerade nicht beteiligt sind, Kapital zu schlagen. Kickls Weg vom geschassten Innenminister zum selbsternannten Systemveränderer ist das aktuelle Beispiel dafür. Vom Gaulschreck im BVT-Netz zum Elitenschreck im Kanzlerwahn war es kein weiter Weg. Nun soll am Beginn des Wahlkampfs der Retter Österreichs vor dem Ökokommunismus, vor der zersetzenden Elitenpolitik, vor dem großen Reset etc. seine üble Rolle von damals vergessen machen.

Ob Frau Weidel davon viel an nützlichen Erkenntnissen nach Deutschland mitnehmen konnte, darf allerdings bezweifelt werden. Und ob sich Österreich als das freiheitliche Wunderland erweist, von dem Kickl so tut, als wäre es mit ihm als Volkskanzler schon da, hängt noch immer nicht von ihm ab. (Günter Traxler, 21.9.2023)