Der alte und neue ÖOC-Präsident Karl Stoss im Rahmen der Hauptversammlung.
APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – 34 Prostimmen, elf Gegenstimmen, zwei Enthaltungen. So lautete das Votum für Karl Stoss, der am Freitag als Präsident des Österreichischen Olympischen Comités wiedergewählt wurde. Damit kam Stoss auf 75,6 Prozent der 47 Stimmen, das reichte recht locker, um die erforderliche Hürde (Zweitdrittelmehrheit) zu nehmen. Auch ein neuer ÖOC-Vorstand wurde gewählt, er hätte nur eine einfache Mehrheit benötigt, kam aber auch auf 79,5 Prozent. Stoss ist seit 2009 im Amt, die neue Periode läuft bis 2025, da die Wahl wegen der Verschiebung der Tokio-Spiele ebenfalls verschoben worden war. Stoss in einer ersten Reaktion: "Der Sport hat gewonnen, eine überwältigende Mehrheit. Wir stehen für die Sache, wir stehen für den olympischen Sport, für die österreichischen Athletinnen und Athleten."

"Ich würde mir sehr wünschen, dass jetzt Frieden einkehrt", sprach Stoss in einer zweiten Reaktion die Turbulenzen an, die den Wahlgang begleitet hatten. "Und dass sich alle am Riemen reißen." Zur Anzeige gegen ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel und das ÖOC-Präsidium wegen Untreue bzw. Beihilfe sagte der Vorarlberger: "Ich bin klar der Überzeugung, das wird niedergelegt werden." Mennel werde der Staatsanwaltschaft, die hinreichenden Anfangsverdacht gegeben sieht, "alles im Detail darlegen. Und dann werden die Behörden entscheiden." Mennel selbst nannte die Wahl des neuen Vorstands "einen großen Sieg für den Sport". "Der Sport hat heute gewonnen und nicht die Verunglimpfer", sagte der ehemalige Vizepräsident Peter Schröcksnadel, der freilich kein entlasteter Vizepräsident ist.

Geheime Abstimmung

Denn zu Beginn der Hauptversammlung hatte man sich flott nicht nur darauf verständigt, Abstimmungen geheim durchzuführen, sondern auch die Punkte Entlastung und Statutenänderung von der Tagesordnung zu nehmen. Ein kluger Schachzug, so floss nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer. Schließlich ließ sich trefflich darüber streiten, ob etwa der alte Vorstand, seit März 2017 im Amt, guten Gewissens zu entlasten gewesen wäre. Dagegen hätte gesprochen, dass die Vorwürfe gegen Mennel und das Präsidium nicht eben leicht wiegen. Für die Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Den neuen Vorstand bilden sechs bisherige Vorstandsmitglieder sowie sechs neue. Der Frauenanteil im Vorstand ist von 17 auf 42 Prozent gestiegen. Mit Stoss bilden Elisabeth Max-Theurer (Pferdesportverband), Markus Prock (Rodeln) und Sonja Spendelhofer (Leichtathletik) als "Vize" das vierköpfige Präsidium. Die weiteren acht Vorstandsmitglieder sind Johannes Goess-Saurau (Golf), Gabriela Jahn (Turnen), Walter Kapounek (Hockey), Gernot Leitner (Volleyball), Horst Nussbaumer (Rudern), Martin Poiger (Judo), Roswitha Stadlober (Ski) und Yasmin Stepina (Eishockey). Max-Theurer, seit 2002 Präsidentin des Pferdesportverbands, sitzt seit 2005 im ÖOC-Vorstand, seit 2012 ist sie Vizepräsidentin. Stoss wollte die Dressur-Olympiasiegerin von 1980 (Moskau) unbedingt wieder in "seinem" Präsidium haben, der Vorschlag eines ersten Wahlausschusses hätte oder hatte sie aber nicht inkludiert. Auch damit hatte Stoss begründet, warum ihm dieser Vorschlag missfiel.

Karl Stoss und Roswitha Stadlober
ÖOC-Präsident Karl Stoss begrüßt ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober.
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Weitere und ganz neue Wickel sind programmiert, sie werden sich teils über die Grenzen des ÖOC hinausziehen. Nämlich beispielsweise auch in den Fußballbund (ÖFB) hinein. Der Präsident des Salzburger Fußballverbands Herbert Hübel, er ist Mitglied des alten, nicht entlasteten ÖOC-Vorstands und war dem ÖOC mit seiner Anwaltskanzlei wiederholt zur Seite gestanden, kündigte für die nächste ÖFB-Präsidiumssitzung quasi ein Donnerwetter seinerseits an. In einer Aussendung ließ Hübel wissen, er werde ein Schreiben, das ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer verfasste, "einer gesonderten Behandlung unterziehen".

Zoff im Fußballbund

Was war passiert? Hübel fühlte sich am Donnerstag auf den Schlips getreten, weil ihn weniger Hollerer als ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer in die Schranken gewiesen hatte. Der ÖFB tauchte nämlich, da Hübel seine Zustimmung erteilt hatte, auf einer Liste von mehr als 20 Fachverbänden auf, die sich demonstrativ hinter ÖOC-Präsident Stoss versammelt und sogar, die Sachverhaltsdarstellung außer Acht lassend, das Wording der ÖOC-Spitze ("Schmutzkübelkampagne") übernommen hatten. Mitterdorfer und Hollerer korrigierten Hübel gemeinsam, Mitterdorfer sagte dem STANDARD: "Diese Erklärung kann ich nicht unterzeichnen, weil ich die Angelegenheit ja nicht beurteilen kann. Dass der ÖFB diese Erklärung unterzeichnet hat, stimmt ganz sicher nicht."

Verbrieft ist, dass Hübel damit beauftragt worden war, den ÖFB in der Hauptversammlung zu vertreten und auch bei der Wahl die ÖFB-Stimme abzugeben. Dieser Auftrag führte sich darauf zurück, dass Mitterdorfer gemeinsam mit Hollerer nach Oslo reiste, um dort am Freitag dem Frauenländerspiel Norwegen gegen Österreich beizuwohnen. Interessant wäre natürlich gewesen, ob Hübel dafür gestimmt hätte, im Falle des Falles den "alten" ÖOC-Vorstand und also auch sich selbst zu entlasten. Und interessant wird auch, ob es Mitterdorfer gelingen wird, Hübel wieder zu beruhigen.

Die drei Schiedsrichter

Intern wird das ÖOC zu klären haben, wie es mit dem Spruch des Schiedsgerichts umgeht, das ebenfalls noch vor der Hauptversammlung tagte. Es hatte sich damit auseinanderzusetzen, dass der Vorstand dem ursprünglichen, von ihm selbst eingesetzten Wahlausschuss das Misstrauen aussprach und ihn seiner Aufgabe enthob. "Ein Vorfall, wie es ihn in der österreichischen Sportgeschichte noch nie gegeben hat", befand Hermann Krist, der als Präsident der Askö vorsteht, einem der drei großen Dachverbände (neben Asvö und Sportunion). Die drei Dachverbände waren im Wahlausschuss ebenso vertreten gewesen wie vier Fachverbände (Basketball, Fußball, Judo, Ski), den Vorsitz übernahm Peter McDonald, er ist Präsident der Sportunion und war auch schon Generalsekretär der ÖVP.

Auch ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel war vor Ort. Er wird der schweren Untreue verdächtigt.
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Dem Schiedsgericht gehörte zunächst je ein Vertreter der beiden Streitparteien an, für die ÖOC-Spitze war dies Hans Spohn, Präsident des Eisschnelllaufverbands, für die andere Seite war es Werner Suppan, den man weniger als Vizepräsidenten der Sportunion Wien kennt denn als Anwalt der von ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Auf den dritten Schiedsrichter, der vorgesehen ist, konnten sich die zwei Parteien nicht einigen, also musste das Los entscheiden, es fiel auf Hans Niessl, er ist Präsident der Bundessportorganisation Sport Austria, der oberste Sportfunktionär des Landes. Vor allem auch Niessls Verhandlungen mit der Regierung hatte es der Sport zu danken, dass er in der Pandemie nicht schlecht über die Runden kam und dass ihm nach vielen Jahren die staatlichen Fördermittel deutlich erhöht wurden. Dennoch wurde Niessl von der ÖOC-Spitze als Schiedsrichter abgelehnt, ihm wurde "Befangenheit" vorgeworfen, weil er u. a. schon in seiner Zeit als Landeshauptmann eine Nähe zur Askö gehabt und beispielsweise Ehrungen vorgenommen hätte.

Niessl zog sich daraufhin aus dem ÖOC-Vorstand zurück. Seine Aufgabe als Schiedsrichter nahm er aber wahr. Das Schiedsgericht kam wenig überraschend zu dem Schluss, dass der Vorstand "gegen die Statuten verstieß", als er den Wahlausschuss abberief. Als dieser Schluss gezogen wurde, waren freilich nur noch zwei Schiedsrichter anwesend, Niessl und Suppan. Spohn hatte sich aus dem Schiedsgericht zurückgezogen. In einer Aussendung hielt das ÖOC flott fest, das Schlichtungsverfahren sei "gescheitert, weil ein Mitglied der Schlichtungseinrichtung sein Mandat zurückgelegt hat. Damit kann die Schlichtungseinrichtung keine Empfehlung aussprechen." Nicht nur in Niessls und Suppans Augen lag das ÖOC damit falsch, sie hätten Spohn ja auch sonst schlicht und ergreifend überstimmt.

Gewünschte Transparenz

Eine Empfehlung Niessls an die ÖOC-Spitze lautet, die Statuten möglichst bald zu modernisieren. Das ist ein Ansinnen, das auch viele Fachverbände seit Jahren vorbringen, und seit Jahren kritisieren sie, dass ihrem Wunsch nicht nachgekommen werde. Im Gegenteil. Nicht nur Niessl und viele Verbände wünschen sich mehr Transparenz und Kontrolle im ÖOC, auch Sportminister Werner Kogler (Grüne) äußerte sich dahingehend (im "Kurier") sogar ein wenig süffisant: "Nach meinem Kenntnisstand herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Statuten einer umfassenden Überarbeitung bedürfen." Am Freitag sagte Stoss: "Eine Statutenänderung sehe ich sehr, sehr positiv. Wir wollen transparent sein."

Schiedsgericht hin, Statuten her. Das größte ÖOC-Problem bleiben die zur Anzeige gebrachten Geldflüsse im Zusammenhang mit der Crowdfunding-GmbH "I believe in you"-Österreich. Das ÖOC hat, obwohl es nur Drittelgesellschafter war, den gesamten IBIY-Bilanzverlust abgedeckt. Damit wäre, so steht es in der Sachverhaltsdarstellung, dem ÖOC ein Schaden in Höhe von 416.000 Euro entstanden. Wie Generalsekretär Mennel und der frühere, aber nun auch nicht entlastete ÖOC-Kassier Herbert Houf in der Hauptversammlung im Juli ausführten, wolle oder will das ÖOC versuchen, die IBIY-GmbH mit der Olympic Austria GmbH zu verschmelzen. Auch das ist eine ÖOC-Tochter, auch hier ist Peter Mennel Geschäftsführer. (Fritz Neumann, 22.9.2023)