Hosea Ratschiller
Ein Glück für den ÖBB-Fan: Hosea Ratschiller tourt mit seinem neuen Programm ab sofort durchs ganze Land.
Christopher Glanzl

"Hä?“, kriegt Hosea Ratschiller jedes Mal zu hören, wenn er sich jemandem neu vorstellt. Denn er ist der Einzige mit diesem Namen, den er kennt, sagt er. Von den Eltern benannt nach dem Propheten im Alten Testament. Weil der Kärntner Pfarrer aber antisemitisch war, steht im Taufschein "An­dreas". Dass ein Taufschein wiederum nur so viel wert ist wie ein selbstgemaltes Klimaticket, weiß der Kabarettist, seit er sich am Standesamt vor zwölf Jahren als Vater seiner Tochter hat eintragen lassen. Aber warum bitte benennt niemand in Österreich sein Kind nach ihm? Was hat er so Böses angestellt, außer als Kind am Millstätter See einmal eine Biene zu zertreten, weil er neugierig auf das Geräusch war?

Mit diesen Kostproben aus der ersten Viertelstunde wären auch schon einige der wichtigsten Themen in Ratschillers neuem Ka­barettprogramm Hosea umrissen: Zugfahren und Familie. Es ist das bereits achte des 1981 geborenen Kärntners, der inzwischen mit Frau und drei Kindern in Wien lebt, aber oft die Oma in Spittal besucht. Dorthin wird also immer per Zug gereist, und jedes Mal bröseln die Kinder alles voll, selbst wenn Ratschiller nur Karottensticks als Snack dabeihat. Wie machen sie das? Schlechte Manieren findet er dafür bei den "Sündern" in der ÖBB-Economy-Class.

Freundliche Schmähs

Alltagsbeobachtungen bilden das Rückgrat des Programms. Ratschiller ist der nicest guy unter den heimischen Kabarettisten. Er lächelt viel, auch seine Schmähs sind stets freundlich – und hervorragend. Der mehrfach Ausgezeichnete spielt sich nicht als Kabarettwelterklärer auf, sondern hinterfragt sich, feiert seine Kinder für kluge Sprüche.

Man glaubt ihm jedes Wort! Den Begriff "cringe" sieht Ratschiller als "rhetorische Demarkationslinie" zwischen den Generationen. Dass er in seiner Jugend damals auf dem Land nur ein Joghurt kannte, ist für seine Zwölfjährige unbegreiflich. Den Namen "Papi" trägt er – trotz mancher Unzufriedenheit der Kinder mit Ofengemüse als Abendessen – wie einen Orden und als Schutzmantel gegen Besserwisserfreunde: Hast du jemanden, dem du hilfst?!

Staunen über den Alltag

So ungewöhnlich sein Vorname sei, sagt Ratschiller, vom bürgerlichen Dasein trenne ihn nur eine Erbschaft. Lebenshaltungskosten sind in diesem Programm, das oft eine Haltung des Staunens einnimmt, der einzige Jammerposten. Immerhin muss sich, wer Sorgen wegen der Gasrechnung hat, wegen Vermögenssteuern nicht den Kopf zerbrechen. Handyabhängigkeit und Zigarettensucht scheinen vergleichsweise kleine Kümmernisse.

Politischer wird es an dem zweistündigen Abend (inklusive Pause) noch mit einem Seitenhieb auf die vielen Filme über Sebastian Kurz oder dem Vergleich der FPÖ mit einem Aasgeier, der über seinen Opfern kreist. Zur Darstellung zweier des Querdenkens Verdächtiger packt Ratschiller noch sein Kärntnerisch aus. Sympathisch und stark! (Michael Wurmitzer, 22.9.2023)