Reinhold Messner: "Das spielt in solchen Dimensionen überhaupt keine Rolle."
IMAGO/Bernd Alfanz

Rom/London – Die Bergsteigerlegende Reinhold Messner hat gelassen auf den Verlust zweier Titel im Guinness-Buch reagiert. Bislang galt Messner dort als der erste Mensch, der alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hat – und außerdem als erste Person, die dies ohne Hilfe von Sauerstoff aus der Flasche geschafft hat. Gemäß neuen Berechnungen wird nun in der neuen Ausgabe des "Buchs der Rekorde" dem US-Amerikaner Ed Viesturs dieser Titel zugesprochen, wie die Organisatoren mitteilten.

Grundlage der Guinness-Entscheidung sind neue Berechnungen mit Geodaten, wonach manche Gipfel bisher nicht korrekt identifiziert wurden. Viele Kletterer hätten deshalb vor Erreichen des "wahren Gipfels" angehalten. Messner sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag zu der Entscheidung: "Das interessiert mich nicht, ob mein Name im Guinness-Buch steht. Einen Rekord, den ich nie in Anspruch genommen habe, kann man mir auch nicht nehmen."

Messner: "Völlig wurscht"

Der deutsche Himalaya-Chronist Eberhard Jurgalski behauptet schon länger, dass Messner nie ganz oben auf dem Gipfel der 8.091 Meter hohen Annapurna stand. Jurgalskis Berechnungen spielten bei der Entscheidung nun auch eine Rolle. Auch die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner ist durch die neuen Richtlinien nicht mehr die erste Frau, die ohne zusätzlichen Sauerstoff auf allen Achttausendern stand. Der Rekord geht an die Chinesin Dong Hong Juan.

DER STANDARD sprach Messner schon im Oktober 2022 auf die Berechnungen an: "Ich habe mir geschworen, nicht mehr zu reagieren. Verschwörungstheorien multiplizieren sich nur, wenn man dagegen vorgeht. Viele lassen sich von diesem Menschen ins Bockshorn jagen. Ich sage: Ja, und? Am Gipfelgrat gibt es meterhohe Schneeverwehungen. Mir ist es völlig wurscht, ob er sagt, irgendwer sei fünf Meter unter dem höchsten Punkt gewesen. Das spielt in solchen Dimensionen überhaupt keine Rolle."

Toleranzgrenze gefordert

An erster Stelle steht im Guinness-Buch nun Viesturs, der 2005 mit der Annapurna seinen letzten fehlenden Achttausender schaffte. Unter Bergsteigern gilt als Nonplusultra der Himalaya-Gipfelchroniken "The Himalayan Database". Dort wird Messners Annapurna-Expedition, die er 1985 zusammen mit Hans Kammerlander unternahm, weiterhin angeführt.

Die Deutsche Billi Bierling ist Leiterin der "Himalayan Database" in Kathmandu. Sie sprach sich im März 2023 im STANDARD für die Einführung einer Toleranzgrenze aus: "Ich finde, man kann die Geschichte nicht umschreiben, wenn es nur um ein paar Meter geht. Man muss auch sehen, was sie davor geleistet haben." Heutzutage könne man den Gipfel mit technischen Hilfsmitteln viel besser bestimmen und eine Achttausenderbesteigung nicht wie einen Hundertmeterlauf bewerten. (red, APA, 25.9.2023)