"Flood the zone with shit." Die Parole des zeitweiligen Donald-Trump-Beraters Steve Bannon bringt es auf den Punkt, was insbesondere rechte und populistische Parteien auf ihren Kanälen erfolgreich betreiben: Die Öffentlichkeit und insbesondere die eigene Wählerschaft werden auch mit Unsinn und absurden Informationen geflutet, was im Zeitalter der digitalen Medien und künstlicher Intelligenz leichter denn je möglich ist.

Trump Social Truth Fake News
Fehlinformationen als Wahrheiten getarnt: Donald Trump gründete 2022 sein eigenes Portal, weil er 2021 von Facebook und Twitter verbannt wurde.
IMAGO/NurPhoto

Dass Ex-US-Präsident Donald Trump seine eigene Plattform ausgerechnet "Truth Social" taufte, war dann quasi das Tüpfelchen auf dem i der Falschinformation: Während seiner Präsidentschaft wurde der klare Favorit im aktuellen Nominierungsrennen der Republikaner nicht weniger als 30.573 Fehlinformationen oder Lügen überführt, das sind immerhin 21 pro Tag.

Aber warum kommen Politikerinnen und Politiker wie er damit anscheinend durch? Und stimmt es überhaupt, dass eher Angehörige der republikanischen als der demokratischen Partei – und genereller formuliert: eher Rechte als Linke – für die Verbreitung irreführender Informationen verantwortlich sind?

Erosion der Ehrlichkeit

Ein internationales Team von Forschenden um Jana Lasser vom Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz hat sich gleich in zwei neuen Artikeln mit diesen beiden Fragen vor allem im US-amerikanischen Kontext befasst. "Wir wollten herausfinden, welche Gründe und gesellschaftlichen Veränderungen dazu beitragen, dass Menschen wenig vertrauenswürdige Informationen teilen", sagt die in Physik promovierte Lasser. Mit ihrem Team konnte sie erstmals den Zusammenhang zwischen einer Veränderung des Verständnisses von "Ehrlichkeit" und der Verbreitung von Falschinformation belegen, wie sie am Montag im Fachmagazin "Nature Human Behaviour" berichten.

Für ihre großangelegten Untersuchungen analysierten Daten-Fachleute der TU Graz, der Uni Bristol und der Uni Konstanz 3,8 Millionen Twitter-Beiträge, die demokratische und republikanische Kongressabgeordnete zwischen 2011 und 2022 gepostet hatten. Erste Analysen, die dieser Tage im Fachjournal "PNAS Nexus" publiziert wurden, zeigen tatsächlich ein Anschwellen der Desinformation bei vor allem in Tweets republikanischer Abgeordneter.

Believe-Speaking versus Fact-Speaking

Die Forscherinnen und Forscher identifizierten allerdings noch einen anderen Trend: Politikerinnen und Politiker beider Lager setzen seit dem Wahlsieg Donald Trumps Ende 2016 verstärkt darauf, anstelle von Fakten ihre Meinungen und Überzeugungen mitzuteilen. Die Forschenden nennen diese Art zu kommunizieren "Believe-Speaking", das vom "Fact-Speaking" zu unterscheiden sei. Beim Believe-Speaking verweisen republikanische Abgeordnete zunehmend auf Nachrichtenseiten von geringer Qualität. Beim Fact-Speaking, also dem Teilen von Informationen mit Fokus auf objektiv verifizierbaren Fakten hingegen, verwiesen die Abgeordneten beider Parteien gleichermaßen auf Quellen hoher Qualität und Vertrauenswürdigkeit.

Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, mussten die Forschenden zuerst einmal die Sprachmuster von Believe-Speaking und Fact-Speaking erkennen und messen. Das gelang mittels der Erstellung zweier Wörterbücher mit Begriffen, die diese mit authentischer Meinungsäußerung (Believe-Speaking) und faktenbasiertem Informieren (Fact-Speaking) assoziieren. Diese Begriffe wurden computergestützt um verwandte Ausdrücke erweitert und in Zahlenwerte übersetzt, die jeweils ein Wort im Kontext der gesamten Sprache repräsentieren.

"Mit diesen Werten können wir den Abstand eines Wortes oder eines gesamten Wörterbuchs zu sämtlichen Begriffen der englischen Sprache berechnen", erklärt Lasser. So konnten dann die Texte der Tweets der Kongressabgeordneten ausgewertet werden: Jeder Tweet erhielt einen Score für das Sprachmuster Believe-Speaking und einen Fact-Speaking-Score.

Trump Social Truth Fake News
Warum 75 Prozent seiner Anhängerinnen und Anhänger Donald Trump für ehrlich halten, könnte durch die neu eingeführte konzeptuelle Unterscheidung erklärbar werden.
AFP / Stefani Reynolds

Warum Trump als glaubwürdig gilt

"Die Differenzierung zwischen Fact-Speaking und Belief-Speaking könnte erklären, warum drei Viertel der republikanischen Wählerinnen und Wähler Donald Trump für ehrlich halten, trotz seiner zahlreichen falschen und irreführenden Aussagen", sagt Stephan Lewandowsky, renommierter Kognitionspsychologe an der University of Bristol, der wiederholt von Wissenschaftsleugnerinnen und Verschwörungsideologen angegriffen wurde. "Denn eine Facette von Ehrlichkeit ist, Überzeugungen aufrichtig zum Ausdruck zu bringen, unabhängig davon, ob sie korrekt sind oder nicht."

Um die Qualität der verlinkten Websites zu bewerten, griffen die Forschenden auf Daten der Fact-Checking-Organisation NewsGuard zurück. NewsGuard hat seit 2018 mehrere Tausend Nachrichtenseiten hinsichtlich journalistischer Qualitätsstandards untersucht und auf einer Skala von 0 (sehr unglaubwürdig) bis 100 (sehr glaubwürdig) eingestuft. Mit statistischen Modellen konnten die Forschenden um Lasser für die republikanischen Abgeordneten einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Sprachmuster Believe-Speaking und der Verlinkung von schlecht bewerteten Quellen feststellen.

"Bei der Verbreitung ihrer Meinung und Überzeugungen auf Twitter entwickeln sich die Republikaner immer mehr in Richtung von Rechtspopulisten", sagt Lasser. "Vor einigen Jahren war die Qualität der verlinkten Websites noch vergleichbar mit denen, die CDU-Abgeordnete in Deutschland teilen. Mittlerweile ist das Niveau auf das der AfD gesunken." (red, tasch, 25.9.2023)