In seinem Gastblog analysiert Christian Kreil die "Gesundheitstipps" des rechten Videoportals Auf 1. Das Videoportal ist eine Bühne für absurde Ansichten und esoterischen Kram.

Marvin Haberland ist ein deutscher Ingenieur, der sich viel Gedanken macht um die Genese von Krankheiten. Er ist überzeugt, dass "Krankheit bei Mensch und Tier nicht durch einen Erreger entsteht, der von A nach B weitergegeben wird und sich dort einnistet." Das sei wissenschaftlich widerlegt. Haberland berichtet in der Sendung mit dem Titel "Existieren Viren?" über seine bahnbrechenden Erkenntnisse in der Virologie mit Isabelle Janotka. Sie moderiert das Ressort Gesundheit beim rechten Sender Auf 1 und sie ist begeistert von Haberland. Janotka fragt den Techniker: "Wenn also noch kein Virus nachgewiesen wurde, was sind dann das für Strukturen, die uns als Virus verkauft werden." Haberland antwortet: "Das ist eine sehr gute Frage." Und der Ingenieur hat auch eine gute Antwort: Proben, in denen Viren angeblich entdeckt würden und die uns präsentiert werden, die seien lediglich "eine Suppe, in der Prozesse stattfinden."

Gut 40 Minuten geht der Talk dahin und so viel sei versprochen: recht viel dicker wird die Suppe der Virenleugner nicht, die uns Auf 1 und Haberland servieren. Haberland tourt seit geraumer Zeit durch die Milieumedien der Verschwörerszene und klärt über die Viruslüge auf. Auf 1 präsentiert Haberland als Pressesprecher des Portals "Next Level – Wissen neu gedacht" und das ist immerhin die halbe Wahrheit. "Next Level" propagiert nämlich nebenbei die "Lehren" Ryke Geerd Hamers. Das verschweigt Auf1 seinen Sehern leider. Der 2017 verstorbene Mediziner Hamer ist Begründer der Germanischen Neuen Medizin (GNM). Auch in der GNM spielen Krankheitserreger keine Rolle. Krankheiten sind der wirren Theorie der GNM nach nur eine Art Sonderprogramm, mit denen der Körper auf Konflikte in der Psyche reagiert. Eine Heilung – auch bei schweren Krankheiten wie Krebs – sei demnach nur über eine Lösung des psychischen "Konflikts" möglich. Evidenzbasierte Therapien seien unnötig, die Liste der Opfer des Charismatikers Hamers ist lang. Die Medzinjournalistin Krista Federspiel geht von 500 dokumentierten Opfern aus. Seine Influencer tarnen sich heute gerne mit Bezeichnungen wie ""Universalbiologie"" oder "Fünf biologische Naturgesetze". Hinweise auf Hamer sind auch auf der Webseite "Next Level" sehr diskret in die Lauftexte zu skurril anmutenden Publikationen verbannt. Das Abo für Dokumente zur angeblich ungelösten Virusfrage und zu geschickt und neu verpackten Lehren Hamers gibt es auf der Webseite "Next Level" um 98 Euro im Jahr.

Mikrofon mit Aufschrift
In den Videos von Auf 1 kommen Personen zu Wort, die von einer "Virenlüge" sprechen, schützende Türme verkaufen und alternative Heilmittel empfehlen.
APA/ROLAND SCHLAGER

Natürlich kommen wir bei einem Kaliber wie Hamer nicht ohne politische Untertöne aus. Hamer verkündete, dass jüdische Mediziner in Israel seine GNM erfolgreich an ihren Glaubensbrüdern praktizieren und damit Krebsheilraten mehr als 90 Prozent einfahren. Der Rest der Welt freilich, der würde von den Juden mit Impfungen und Chemotherapien vergiftet. Wie gesagt, die heutigen Jünger Hamers verstecken diese ungustiösen Botschaften Hamers sehr gut. Wäre es anders, hätte Auf 1 Herrn Haberland sicher kritische Fragen zum Antisemitismus Hamers gestellt.

Im Nachspann des Interviews weist Janotka darauf hin, dass sich Auf 1 als ganzheitliches Gesundheitsmagazin nicht mit allen Inhalten der Interviewgäste gemein machen will. Man wolle Debatten nur einen Raum bieten, den die "Systemmedien" verweigern.

Türme voller Wünsche

Gar nicht um Politik ging es im Auf-1-Talk mit Gregor Drabich-Waechter. Er referierte im Auf-1-Studio über allerlei Strahlungen, denen wir ausgesetzt sind. Drabich-Waechter zeigt in dem Interview einen Sticker auf der Rückseite seines Handys, mit dem er sich erfolgreich gegen Strahlen-Unbill im Alltag wehrt. Gegen die bösen Strahlen im beängstigend verkabelten Auf-1-Studio wehrt sich der Gast mit anderen Kalibern. Drabich-Waechter präsentiert einen Anhänger an einem Halsband. Das schmucke Stück finden wir unter dem Namen "Little Tower" im Webshop von Drabich-Waechters Unternehmen Ambtion AG. Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Wir erfahren: Der "Tower ist ein Artefakt, welches aus Ägypten stammt und davor aus Atlantis." Das Amulett ist – offenbar von Drabich-Waechter selbst – auf "zehn Millionen Bovis" energetisiert worden, und mit dieser Energie stärkt es gar "die Familien und Freundschaftsbande."

Wichtig sei, dass man dem Amulett einen eigenen Namen gibt. Der Name wird dann mit dem weltweiten Tower-Netzwerk verbunden und hilft, Wünsche zu erfüllen. Notabene: "Jeweils einen kleinen Wunsch". Das vermerkt die Produktinfo zum Amulett um 111 Euro. Wer mehr und größere Wünsche hat, der muss wohl bis zu 2.980 Euro auf den Tisch blättern für einen größeren Tower. Der Webshop verspricht: "Die großen Tower können zehn und mehr Wünsche parallel bearbeiten." Bleibt nur zu hoffen, dass die Wunschgeneratoren beim Wunscherfüllen keine neuen Schwingungen in die Welt brummen, gegen die wir dann erst wieder online einen Schutzschirm bestellen müssen.

Wir tun Herrn Drabich-Waechter vielleicht unrecht mit unseren schnippischen Anmerkungen zu seinen wunscherfüllenden Wundertürmchen am Halsband. Bekannt wurde der innovative Geist mit feinen Helferlein zum Spritsparen. Drabich-Wachter sorgte einst mit einem "Fuelsaver" für Aufsehen. Das ist ein kleines Metallstück, das in der Spritleitung im Auto drapiert wird. Natürlich ist das Teil aufgeladen, sonst könnte es ja nicht funktionieren. In diesem Video mit dem Schweizer Esoterikkanal TimeToDo erklärt unser Innovator den Fuelsaver recht schön: "Der Fulesaver ist ein kleines Metallstück, das in den Tank gelegt wird, der koppelt sich ans Ätherfeld an und energetisiert den Treibstoff." Das wahre Wunder bei diesem Auftritt ist: Niemand wird rot bei dem Gespräch.

Vom Putz- zum Heilmittel

Einen stärkeren Magen benötigt der Auf-1-Konsument bei Andreas Kalker. Anfang Juni durfte Kalcker bei Janotka Chlordioxid bewerben. Aber nicht, um damit das Bad oder das Klo zu putzen. Kalcker propagiert die Chlorbleiche als Heilmittel zur oralen Einnahme. Auf-1-Moderatorin Janotka verweist im Intro darauf, dass das Liquid als Heilmittel gegen Krebs, HIV, Autismus und Alzheimer eingesetzt wird. Immerhin: Sie erwähnt auch, dass Kritiker vor Vergiftungen und Verätzungen warnen.

Kalcker ist ein Jünger von Jim Humble. Der US-Amerikaner hat vor Jahrzehnten begonnen, Chlorbleiche unter dem Namen MMS (Miracle Mineral Supplement) als Medizin zu vermarkten. Weil es sich bei der Zulassung des Putzmittels als Medikament etwas spießte, gründete Humble eine Kirche, ernannte sich zum Bischof und definierte MMS als Sakrament. Mittlerweile gibt es unzählige Anbieter, die Chlordioxid unter vielfältigen Bezeichnungen als Medizin zur oralen Einnahme vermarkten oder propagieren. Auf-1-Gast Kalcker propagiert CDS (Chlordioxid-Solution) als weiterentwickelte Variante von Humbles MMS.

Im Interview bei Auf 1 redet Kalcker viel, die Moderatorin nickt sehr oft und ergänzt: "Man spricht ja von einem richtigen Wundermittel." Das ist vielleicht gar kein so großes Wunder: Im Webshop des Senders Auf 1 gibt es CDS als Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen: 100 Milliliter um 19,90 Euro. (Christian Kreil, 25.9.2023)