Man solle die Taliban "an ihren Taten messen". Diese Aussage von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kurz nach dem Wiedereinmarsch der selbsternannten Gotteskrieger in Afghanistan im Sommer 2021 wurde zum geflügelten Wort. Mehr als zwei Jahre nach der Machtübernahme am Hindukusch liegen die Taten der militanten Islamisten recht offen auf dem Tisch: Sie verbannen Frauen wieder weitgehend aus dem öffentlichen Leben, verfolgen Minderheiten, führen öffentliche Hinrichtungen und Auspeitschungen durch. Berichte darüber gab es in den vergangenen zwei Jahren zuhauf.

Andreas Mölzer mit dem afghanischen Außenminister Amir Khan Muttaqi.
Andreas Mölzer zu Besuch beim Taliban-Regime in Kabul. Ihm gegenüber der afghanische "Außenminister" Amir Khan Muttaqi.Quelle: TOLOnews
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Zumindest manchen Mitgliedern einer österreichischen Parlamentspartei scheinen die Berichte aber nicht genug zu sein. Denn am Montag tauchte auf X (vormals Twitter) ein Bild des einstigen blauen EU-Parlamentariers Andreas Mölzer und weiterer FPÖ-Vertreter zu Besuch beim Taliban-"Außenminister" Amir Khan Muttaqi auf. Der afghanische Nachrichtensender Tolo-News hatte das Bild gepostet und dazu vermerkt, die Freiheitlichen hätten mit dem Taliban-Vertreter unter anderem über die "Erleichterung konsularischer Leistungen für afghanische Staatsbürger in Wien" gesprochen.

Bereits am Sonntag hatte das "Außenministerium" in Kabul – das Taliban-Regime wird bisher von keinem Land anerkannt – eine Aussendung zu dem Treffen veröffentlicht. Auf dem beigefügten Foto sind neben Muttaqi, weiteren Taliban-Vertretern und Mölzer auch der ehemalige freiheitliche Nationalrats- und Bundesratsabgeordnete Johannes Hübner und der FPÖ-nahe Antiquitätenhändler Ronald F. Schwarzer zu sehen.

Der Sprecher des afghanischen "Außenministers" veröffentlichte weitere Fotos des Treffens in Kabul.

Muttaqui sei froh, dass die Besucher aus Österreich die Situation in Afghanistan "aus der Nähe und auf realistische Art" betrachten würden, hieß es in der Taliban-Aussendung. Den Gästen aus Wien sei offensichtlich klar, dass diese sich "sehr anders" darstelle, "als in den Medien gezeigt". Laut Aussendung hätte FPÖ-Mitglied "Mr. Yohannes" (Anm.: gemeint sein dürfte Hübner) sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass das Taliban-Regime, das "allumfassende Sicherheit gewährleistet und vier Jahrzehnte an Konflikten in Afghanistan beendet hat", international noch nicht anerkannt worden sei.

Unternehmung der "alten Garde"

Die FPÖ-Vertreter hätten zum Ende des Besuchs "versprochen, das tatsächliche Bild der aktuellen Situation in Afghanistan in Europa zu schildern" und es mit politischen Vertretern und den EU-Mitgliedsstaaten zu teilen. Mölzer, Hübner und Schwarzer waren bisher nicht für eine Stellungnahme erreichbar. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bestritt auf STANDARD-Anfrage aber, dass die FPÖ Anteil am Besuch der freiheitlichen Parteimitglieder habe. Es handle sich "bei dieser Reise, von der wir erst heute durch Medienanfragen Kenntnis erlangt haben, um eine reine Privatangelegenheit dieser Personen". Sie sei weder in Abstimmung mit der FPÖ noch in ihrem Auftrag erfolgt und sei von dieser auch nicht bezahlt worden.

Generell gab man sich in der Partei überrascht von den Bildern aus Kabul. Das sei eine Unternehmung der "alten Garde" unter "Reiseleiter" Mölzer, hieß es zum STANDARD. Die blaue Spitze hatte sich zuvor auch schon intern bemüht, die Reise an den Hindukusch nicht als blaues Projekt erscheinen zu lassen. In einer internen Mail wurde demnach auch den Mitgliedern versichert, dass die FPÖ nichts mit der Mölzer-Mission zu tun habe und auch nicht finanziell involviert sei. Besonders enthusiastisch scheint man in den blauen Reihen über den Auftritt aber nicht zu sein. Die Reise zu den Taliban sei "schräg", sagte ein Freiheitlicher. Dass mit dem Antiquitätenhändler Schwarzer, der Kontakt zu rechtsextremen Gruppen im deutschen Schnellroda halten soll, ein als eher obskur geltender Netzwerker Teil des Trosses ist, wirft Fragen auf.

Außenministerium wusste von Besuch

Das Außenministerium ließ indessen wissen, dass man bereits im Vorfeld von der geplanten Reise gewusst, von dieser aber "explizit abgeraten" habe. Es bestehe "aus gutem Grund eine aufrechte Reisewarnung" für Afghanistan, an Ort und Stelle gebe es praktisch keine Möglichkeiten zur konsularischen Unterstützung. Man betonte, dass die FPÖ-Mitglieder keine offiziellen Vertreter Österreichs sind. Die Position der Bundesregierung sei dagegen ohnehin bekannt: Man anerkenne die Taliban-Regierung nicht.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zeigte sich unterdessen empört. "Ist die Anerkennung der Taliban-Regierung FPÖ-Parteilinie?", fragte Stocker laut Aussendung. "Wir alle sind viel von der FPÖ gewohnt, aber dass wichtige FPÖ-Parteimitglieder so weit gehen würden, sich mit Vertretern einer anerkannten terroristischen Vereinigung zu treffen, schlägt dem Fass endgültig den Boden aus." Stocker forderte eine "schonungslose Aufklärung der Motive hinter dieser Reise".

Parallelen zwischen Islamismus und Rechtsextremismus

Dass ausgerechnet Vertreter der FPÖ, die seit langen Jahren mit scharfer Rhetorik gegen den Islam und Muslime in Erscheinung tritt, die radikalen Islamisten in Kabul besuchen, mag zunächst überraschen. Überschneidungen zwischen der Ideologie rechter und rechtsextremer Kräfte und jener von Islamisten sind allerdings in einigen Bereichen evident. Dazu zählt etwa die Ablehnung aktueller Gender-Debatten, der Ehe für alle oder des Rechts auf Abtreibung.

Immer wieder dringen diese Überschneidungen auch explizit an die Öffentlichkeit. So kommentierte der Chef der mittlerweile verbotenen rechtsextremen "Identitären Bewegung", Martin Sellner, ein Interview mit dem Pressesprecher der Taliban kurz nach deren Einmarsch betont wohlwollend auf seinem Telegram-Kanal: Die Ansichten des Taliban-Vertreters würden "zehn Mal" vernünftiger wirken als das, "was Politiker bei uns über Migration und Asyl labern". Ein anderer "Identitärer" schrieb damals in einem Posting zum Taliban-Regime: "Dragqueens, Homoparaden und Menschenrechtsideologie haben dort Sendepause."

Video: Vor gut zwei Jahren haben die radikalislamistischen Taliban in Afghanistan die Macht übernommen. Wie hat sich das Leben der Menschen seitdem verändert?
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Auch der weit rechts auslegende und mittlerweile von seinem einstigen Arbeitgeber Fox News geschasste US-Moderator Tucker Carlson ließ einst Ähnliches anklingen. Die afghanische Bevölkerung würde "ihre eigene Männlichkeit" nicht hassen und sie nicht für toxisch halten. "Sie mögen das Patriarchat. Und einige ihrer Frauen auch." Das würde das Land am Hindukusch mit dem Taliban-Regime nun zurückbekommen. (Martin Tschiderer, Oliver Das Gupta, 25.9.2023)