Dass sich mehrere FPÖ-Mitglieder mit den Taliban in Afghanistan treffen, damit hatte wohl kaum jemand gerechnet. Über die Hintergründe der Reise ist bisher wenig bekannt. Sie hat aber für Staunen und Schlagzeilen gesorgt.

Andreas Mölzer links im Bild, Amir Khan Muttaqi rechts
Andreas Mölzer mit dem Außenminister der islamitischen Taliban.
Foto: Taliban / Tolo News

Ein Grund für die Reise nach Afghanistan könnte die Verschleppung des Rechtsextremisten Herbert F. sein. Die Taliban werfen ihm Spionage vor und halten ihn seit einigen Monaten in der Hauptstadt Kabul gefangen, wie DER STANDARD im Juni berichtete. Aus dem Umfeld von F. ist zu vernehmen, dass die Taliban ihn gegen Lösegeld freilassen würden. F. hat über eine frühere Reise nach Afghanistan in der rechtsextremen Zeitschrift "Info Direkt" geschrieben, darin bezeichnet er das Land als "sicher". "Urlaub bei den Taliban" lautete eine Überschrift. Die Erzählung, dass Afghanistan sicher sei, sollte wohl den Boden für Abschiebungen bereiten. Aufgrund des Terrorregimes der Taliban sind diese nicht erlaubt.

Es klingt plausibel, dass sich die freiheitliche Delegation für seine Freilassung eingesetzt hat. Bestätigung gibt es dafür aber keine.

Seit Jahrzehnten in der Szene verankert

F. ist seit Jahrzehnten in der rechtsextremen Szene verankert und sehr bekannt, auf ihn wird gehört. Er war in den vergangenen Jahren auf Demonstrationen der Identitären ebenso zu sehen wie bei einer Gedenkveranstaltung für Norbert Burger, den Gründer und Vorsitzenden der 1988 verbotenen neonazistischen Nationaldemokratischen Partei (NDP). Bei diesem Gedenken war auch einer der Männer anwesend, der neben dem ehemaligen FPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament Andreas Mölzer sowie dem Ex-Bundesrat Johannes Hübner und dem Arzt Moustafa Eltelby nun ebenfalls in Afghanistan mit dabei war.

F. war ebenfalls ein Gründungsmitglied der NDP, er unterhielt auch enge Kontakte zu dem im Jahr 2018 verstorbenen Holocaustleugner Gerd Honsik. Nebenbei schrieb er für die berüchtigte deutsche "National Zeitung" und gab den "Völkerfreund" heraus. Unter den Autoren war auch der heutige FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky. Eine Jugendsünde, wie er erklärte. Als Alter Herr der Burschenschaft Olympia kennt er auch hochrangige FPÖ-Politiker, die ebenfalls in der betont deutschnationalen Verbindung zu finden sind oder waren.

Bei der PKK

Zu den Passionen des ehemaligen Lehrers zählen Reisen an gefährliche Orte. So bereiste er schon in den 1980er-Jahren Afghanistan, als dort islamistisch geprägte Guerillagruppen gegen die sowjetischen Truppen kämpften. Ungewöhnlich für einen Rechtsextremen war eine Visite bei der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Vor wenigen Jahren besuchte er auch Kämpfer und Kämpferinnen der YPG, die in Nordsyrien gegen den IS kämpfen. Zu seinen Reisezielen gehörte in den vergangenen Jahren auch der Osten der Ukraine.

Zurück zur aktuellen Reise. Die Visite erinnert an Nahost-Reisen des 2011 verstorbenen FPÖ-Parteichefs Jörg Haider, der mörderische Despoten wie den irakischen Diktator Saddam Hussein in seiner Zeit als Landeshauptmann von Kärnten besuchte. Mit seinen Reisen setzte sich Haider medial in Szene und baute Kontakte aus. Nebenbei brüskierte er die heimische Politik und seine Partei, die damals mit der ÖVP erstmals in einer Regierung saß. Die Reisen passten so gar nicht zum Versuch, sich als seriöse Partei zu geben.

In Afghanistan mit dabei

Mitorganisiert wurden einige der Reisen von Moustafa Eltelby, der neben den anderen drei Männern zu den Taliban reiste. Der gebürtige Ägypter Eltelby ist für seine guten Kontakte im Nahen Osten bekannt. Ebenso für seine Verbindungen zu den Freiheitlichen. Im Jahr 2002 kandidierte er selbst auf Platz 20 der FPÖ-Bundesliste – allerdings erfolglos. In den vergangenen Jahren war es eher ruhiger um Eltelby geworden. Öffentlich trat der Arzt im Jänner dieses Jahres bei einer Corona-Demonstration auf. Dabei entstand ein Foto, das ihn mit Martin Sellner zeigt, dem Wortführer der Identitären.

Die Aufnahme überraschte, gibt Sellner doch gerne den Kämpfer gegen einen angeblichen Bevölkerungsaustausch. Da passt ein Foto mit einem zugewanderten Mann nicht ins Bild.

Diskussion über das "Feindbild Islam"

Sellner beteiligt sich aktuell jedoch auch an einer Diskussion, die seit einigen Monaten das rechtsextreme Milieu erfasst hat. Es wird nämlich darüber geredet, ob das Feindbild Islam nicht ausgedient habe. Auslöser für die Diskussion ist das Buch "Feindbild Islam als Sackgasse". In der Diskussion geht es hauptsächlich um die Frage, ob nicht mit den "Millionen in Europa wohnenden Muslimen" zusammengearbeitet werden soll. Zumindest in bestimmten Bereichen, schließlich sei ja "nicht Mekka", sondern die "Globalisten" das Problem – darunter verstehen Rechtsextreme Juden und Jüdinnen. Auch würden viele Muslime ähnliche Werte wie Rechtsextreme in Bezug auf Familie teilen. Sellner spricht sich dagegen aus.

Auf 1: Keine "Schwulenparaden" bei den Taliban

Ein neuer Umgang mit Islamisten ist hingegen in Beiträgen des in Oberösterreich beheimateten rechtsextremen Onlinesenders Auf 1 zu bemerken. Allenthalben werden Gemeinsamkeiten erwähnt. So wird schon einmal wohlwollend betont, dass es in dem von den Taliban regierten Afghanistan keine "Schwulenparaden" gebe.

Das findet auch Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl 2024, positiv. "Das Lustigste, was ich beim Pride Month erlebt habe, war 2021 – da hatte die US-Botschaft in Kabul ganz stolz den Pride Month ausgerufen. Es dauerte keine drei Wochen, bis die Taliban in Kabul eingerückt sind. Ich glaube, dass das die einzig richtige Antwort auf den Pride Month gewesen ist", witzelte er vor einigen Monaten in einem Podcast.

Gemeinsame Feindbilder

Neben der Ablehnung von queeren Menschen kommt bei Islamisten und Rechtsextremen das Feindbild Feminismus dazu. Mit Gleichberechtigung können sie nichts anfangen, ihr Ideal sind klassische Rollenbilder von Mann und Frau. Vereint sind Rechtsextreme und Islamisten auch in ihrem Hass auf Israel und Juden und Jüdinnen. Antisemitismus ist, ebenso wie Antiamerikanismus, für beide Gruppen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ideologie.

Dazu passt der Gleichklang, wenn es um die Proteste im Iran, die vor rund einem Jahr durch den Tod von Mahsa "Jina" Amini ausgelöst wurden, geht. Diese werden als Putschversuch der USA und Israels bezeichnet. Das ist genau jene Verschwörungserzählung, die auch vom iranischen Regime zu hören ist. So bezeichnete der oberste Führer des Landes, der Kleriker Ayatollah Ali Khamenei die Proteste als "eine von den USA, dem zionistischen Regime (Israel, Anm.) und iranischen Verrätern im Ausland programmierte Operation, um die Sicherheit des Landes zu torpedieren". Bei Auf 1 war diese Version ebenfalls zu vernehmen. Die USA wollen eine "unfolgsame Regierung wegputschen", die dem Pentagon und "ihren Verbündeten in Jerusalem schon lange ein Dorn im Auge ist", erklärt eine Moderatorin in einem Beitrag. (Markus Sulzbacher, 28.09.2023)