Martin Aigner mit einem IPad in der Hand mit Skizze.
Schon in der Schulzeit schrieb Martin Aigner in das Freundschaftsbuch eines Klassenkameraden, er wolle Tischler werden.
Natascha Ickert

Sein Lieblingsmöbelstück ist ein ganz großer Tisch in einem ganz kleinen Raum. Ungewöhnlich für jemanden wie Martin Aigner, der Innenarchitekt und Tischler zugleich ist. Kleine, verwinkelte Altbauten lassen sein Designerherz höher schlagen – je kniffeliger, desto besser. Sein Arbeitsmaterial ist vor allem Holz. Wer ungewöhnliche Ideen für seine eignen Wohnräume sucht, dem empfiehlt er, sich auf den Boden – dem für ihn wichtigsten "Möbelstück" in einer Wohnung – zu setzen und die mögliche Einrichtung zu skizzieren. Im Gespräch mit dem STANDARD verrät er, was er nie tun würde und warum ein Griff zum Klo für ihn sehr wichtig ist.

1. Den Vorraum unterschätzen

"Der Vorraum ist ein hoch aufgeladener Raum, der wird leider oft vernachlässigt. Aber wieso wird er so stiefmütterlich behandelt? Für mich ist dieser Ort nicht nur Durchgang oder die Erweiterung der Abstellkammer. Ganz im Gegenteil: Hier sitzen, gehen, stehen wir. Schuhe werden angezogen, Jacken hingeworfen, Dinge vergessen und gefunden. Hier begrüßen wir Gäste, streiten, küssen uns zum Abschied. Im Vorraum brauchen wir viel Platz für alles Mögliche. Deshalb finde ich es schade, dass in Neubauten der Vorraum oft so klein ausfällt oder nur ein schmaler Gang ist. Je verzwickter ein Raum ist, desto mehr Spaß habe ich, ihn funktional zu gestalten. Denn dann muss man kreativ werden und ungewöhnliche Ideen entwickeln."

2. U- oder L-Küchen bauen

"Wenn möglich, versuche ich Küchen nicht in U- oder L-Form zu planen. Ich finde, die Ecken bei diesen Varianten sind nicht besonders platzsparend. Denn sind wir ehrlich, diese runden Drehschränke sind oft nicht sehr praktisch und übersichtlich. Da geht viel Stauraum verloren. Beim Design achte ich auch darauf, wie Kundinnen und Kunden die Küche nutzen. Backen sie gerne, kochen sie wenig, wie viele Leute wollen beim Zwiebelschneiden mithelfen, nützt jemand vielleicht sogar die Küchenarbeitsplatte als Homeoffice-Platz? Für ein überaus backfreudiges Paar designte ich zum Beispiel eine verschiebbare Kochplatte, damit bei Bedarf mehr Arbeitsfläche zum Kneten frei werden kann. Was ich auch so gut wie nie designe, sind tiefe Oberschränke oder Regale. Denn wie oft nimmt man wirklich ein Häferl aus der dritten Reihe?"

3. Zu wenige Toiletten planen

"Es gibt nichts Unangenehmeres, als im intimsten Moment des Tages gestört zu werden oder sogar von der anderen Seite der Tür Druck zu bekommen. Gerade morgens kann das zu viel Stress oder Streit führen. Deshalb habe ich eine Regel: Ab drei Personen immer eine zusätzliche Toilette. Das mag überraschend klingen, dass ich mich als Innenarchitekt mit so einem Thema befasse. Ich arbeite eben mit der gesamten Struktur und Nutzung einer Wohnung. Nicht wie viele Designer, die nur die Oberflächen und die Optik eines Raums verändern oder verschönern. Mit der Hochglanzarchitektur, die auf Social Media gefeiert wird, hat das wenig zu tun. Wir produzieren Realität. Und die weicht nun mal von dem Glatten, Perfekten ab." (Protokoll: Natascha Ickert, 15.10.2023)

Martin Aigner in der Werkstatt am Sägen.
An Holz schätzt Martin Aigner den stillen Dialog. Wenn er das Material ansieht, erkennt er, wie es sich verhält, und wenn man es abschneidet, ist das eine finale Entscheidung.
Natascha Ickert