Das Kalbsbutterschnitzerl ist das faschierte Laberl der gehobenen Gesellschaft. Es hat etwas herrlich Altmodisches, Französisches an sich: Sein Gelingen hängt maßgeblich von der Qualität der Sauce ab, mit der es am Ende glaciert wird – erst eine richtig gute Demiglace gibt ihm sein unwiderstehlich zart pickiges Mundgefühl und den intensiven, fleischigen Geschmack –, und buttriges Erdäpfelpüree ist sein ständiger Begleiter.

Es wird nicht nur plump plattgedrückt, sondern liebevoll oval geformt, mit gedrücktem Karomuster verziert. Es ist gutbürgerliches Blingbling im besten Sinn, wie eine üppige Cremeschnitte oder eine elegante Paté en Croute. Entsprechend sind auch altmodische, gutbürgerliche Häuser sein natürlicher Lebensraum: Das Kalbsbutterschnitzel vom Eckel ist legendär (obwohl ich da das letzte Mal kein großes Glück hatte), genauso wie jenes vom Plachutta. Wem das zu altvatrisch ist: Angeblich bereitet auch der Julian Lechner ein sehr superes zu, der im Reznicek generell gerade die Wiener Klassik feiert wie kaum einer.

Kalbsbutterschnitzel
Hier brutzelt das faschierte Laberl der gehobenen Gesellschaft.
Tobias Müller

Für mich ist ein perfektes Kalbbutterschnitzel cremig weich, mit nur zartem Biss, nicht bröselig wie ein faschiertes Laberl. Es ist mild, aber nicht fad, sondern sehr gut abgeschmeckt, ohne den möglichst kräftigen Fleischgeschmack zu übertünchen. Und, am allerwichtigsten: Es ist Wohlfühlessen par excellence, nicht fordernd, nur schmeichelnd, vielleicht ein wenig infantil, aber dafür geschmackliches Eintauchen in eine Welt, die noch in Ordnung ist (wie auch immer man sich die einbildet). Der österreichische Diminutiv "Schnitzerl" ist daher ein wesentlicher Teil des Namens.

Der Heinrich S. und ich haben uns an einem Sommernachmittag auf die Suche danach gemacht, wie es am ehesten so wird. Ist Butter die beste Fettzugabe? Wie (und wo!) sollte das Fleisch faschiert werden? Und ist mehr oder weniger Streckung mit Brot sinnvoll? Bevor es an die Antworten zu diesen Fragen geht, hier noch wie immer eine kleine historische Übersicht.

Wie und wann das Kalbsbutterschnitzerl zu seinem Namen kann

Das faschierte Laberl, großzügig definiert, ist ziemlich sicher so alt wie der Fleischgenuss. In seiner konkreten Ausprägung als faschiertes, in laberlform gebratenes, Kalbfleisch taucht es in deutschsprachigen Kochbüchern erstmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf - das älteste Rezept, das wir finden konnten, stammt aus dem Jahr 1816. Zwar heißt es da meist noch faschiertes Kotelett (genauer: “faschierte Codlet”) oder faschierte Carbonaden, die Zutaten sind aber von Anfang an ziemlich die gleichen wie heute: Kalbfleisch (anfangs noch sowohl roh als auch gebraten), Semmeln, Eier, und etwas Fett, in Fall des ersten Rezepts Rindermark.1 Gewürzt wird, wie heute, mit Zitronenschale.

Kalbsbutterschnitzel
Was in den vergangenen 200 Jahren wie oft so alles im Kalbsbutterschnitzerl gelandet ist.
Tobias Müller

Als faschiertes Schnitzel, oder "Schnitzchen" wird diese Kreation erstmals gut 50 Jahre später, 1865 bezeichnet 2, und es dauert noch weitere 50 Jahre, bis ins frühe 20. Jahrhundert, bis sich die Bezeichnung auch wirklich durchsetzt. Interessant ist, dass frühe Rezepte das mit dem Schnitzel oft nicht nur auf die Form beziehen: einige faschierte Kalbslaibchen werden in Mehl, Ei und Brösel paniert und dann schwimmend herausgebacken. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist das moderne Rezept dann ziemlich etabliert: bei Marie Dorninger 1905 finden sich sogar erstmals Instruktionen für das bis heute gebräuchliche Karo-Muster.

Bloß der Name lässt noch weiter auf sich warten: Erst gegen Ende der 1920er-Jahre, taucht das Wort "Butterschnitzerl" erstmals auf. Das älteste Rezept, dass wir finden konnten, stammt vom legendären Franz Ruhm, die Butter bezieht sich dabei auf die Sauce, in der die Laberl serviert werden: Sie werden erst in Schmalz gebacken, danach wird dieses abgegossen und stattdessen stolze 40 Deka Butter in der Pfanne geschmolzen, die mit etwas Suppe angereichert wird.

Von da an ist das Gericht den Namen Butterschnitzerl nicht mehr los geworden - auch wenn die Buttermenge in den Rezepten wieder drastisch zurück geht und auf ein wenig Butter in der Fleischmasse reduziert wird. Im späten 20. Jahrhundert kommt dann auch noch der Zusatz "Kalbs-" vorn dran ans Butterschnitzerl.

Kalbsbutterschnitzel
Grandiose Kochfotografie, kreative Interpretation des Namens Butterschnitzel. Burgenland, 1996.
privat

Aber wie wird es nun am besten gemacht?

Kalbs…

Ich gestehe, bei der Art des Fleisches haben wir nicht viel herumprobiert. Manche historischen Rezepte verwenden zwar auch Schwein, aber die sind aus der Zeit, bevor das Kalb in den Namen des Gerichts kommt. Die Tierart war daher für uns gesetzt. Und was den Cut betrifft, gehe ich bei Faschiertem immer davon aus, dass fetter und mehr durchzogen besser ist als mager, weil es für mehr Geschmack und Mundgefühl sorgt (Auch hier weichen historische Rezepte oft ab und verwenden Filet, das ist aber meiner Meinung nach keine interessante Idee, sondern nur ein weiterer Beweis, dass früher nicht alles besser war). Wir haben daher alle unsere Versuche mit einer großen Portion vom gleichen Kalbshals von den Ringls unternommen.

Womit wir hingegen sehr wohl experimentiert haben, war mit dem Faschierten - und zwar in zweierlei Hinsicht.

Wann faschieren? Und wie oft?

Kalbsbutterschnitzel
Tobi Müller

Einen Teil des Fleisches habe ich direkt von den Ringls im Geschäft auf einer professionellen Maschine faschieren lassen, am Vormittag des Kochtages, und zwar doppelt, wie das fast alle Rezepte fordern, die auf diese Frage eingehen. Den Rest haben wir zu Hause, unmittelbar vor dem Kochen faschiert. Und das hat einen erstaunlich großen Unterschied gemacht.

Das einfach faschierte war zu grob und hat dem Schnitzerl eine eher burgerartige Konsistenz verliehen. Das von den Ringls faschierte wiederum war eine Spur zu fein, sodass sich die Masse im Mund schon etwas wurstig angefühlt hat, und hatte außerdem einen leicht elastischen Biss, ähnlich wie Cevapcici. Ich vermute, das lag an den mehreren Stunden, die zwischen dem Faschieren und dem Verarbeiten vergangene sind.

Klar am besten war das zu Hause doppelt Faschierte, was wieder einmal bestätigt, dass ein Fleischwolf zu Hause kein bloßes Gimmick ist - zumindest, wenn man gerne und oft kocht. Wird es Ihr Butterschnitzel ruinieren, wenn Sie Supermarktfaschiertes verwenden? Nein. Es wird aber ziemlich sicher Luft nach oben bleiben, egal, wie viel Mühe Sie sich sonst geben.

Kneten?

Ähnlich wie Teig aus Mehl und Wasser verändert auch Faschiertes seine Konsistenz, wenn es geknetet wird. Wir haben daher drei Fleischteige probiert: kaum geknetet, geknetet, und sehr geknetet. Das kaum geknetete Fleisch hat beim Braten am meisten Flüssigkeit verloren und fühlte sich danach im Mund wie ein Burger an - zu locker, und leicht auseinanderfallend. Die Unterschiede zwischen den beiden anderen waren minimal. Fazit: kneten Sie Ihr Fleisch ruhig gut durch und sorgen Sie sich nicht zu viel.

Kalbsbutterschnitzel
Tobi Müller

Wann salzen?

Noch mehr als Kneten hat Salz einen Einfluss darauf, wie sich die Konsistenz entwickelt. Salz löst Myosin aus den Muskelfasern, ein Protein im Fleisch, das dann dafür sorgt, dass das Faschierte zusammenklebt. Burger, die schön locker bleiben sollen, dürfen daher stets erst nach dem Formen der Patties und nur außen gesalzen werden, Würste, die binden sollen, brauchen unbedingt schon vor dem Mischen Salz im Teig. Das Kalbsbutterschnitzerl sollte irgendwo zwischen den beiden liegen, unsere Versuche sprechen aber für Salzen vor dem Mischen. 3

…butter…

Welches Fett ins Fleisch?

Die größte Varianz zwischen Kalbsbutterschnitzel-Rezepten, vor allem den historischen, gibt es bei der Frage, welches Fett noch in die Fleischmasse gemischt werden soll. Heute ist Butter üblich, früher waren aber auch Rindermark, Speck/Schmalz, Obers oder Creme Fraiche beliebt, und der Plachutta mischt überhaupt gleich Hollandaise in den Fleischteig.

Kalbsbutterschnitzel
Leider habe ich diese Grafik erst nach der Kochsession gesehen, sonst hätte ich einem Haslinger-Versuch nicht widerstehen können.
Tobi Müller

Wir haben das fast alles probiert. So sehr ich die Variante mit Rindermark lieben wollte, sie war mir einfach geschmacklich zu derb - das Mark fährt über das zarte Kalb brutal drüber. Ähnlich hat sich, wenig erstaunlich, der Speck ausgewirkt. Die Creme Fraiche hinterließ einen seltsamen, nicht wünschenswerten Nachgeschmack. Als am mit Abstand besten hat sich, wenig überraschend, die namensgebende Butter erwiesen.

Und die Hollandaise, auf deren Erprobung Heinrich S. bestanden hat, obwohl ihm die erste nicht geraten ist und er eine zweite schlagen musste? War zugegeben schon sehr gut. Ist mir aber, wenn ich nicht gerade mit dem Heinrich koche, den Aufwand nicht wert. Muss jeder selbst entscheiden.

Wer mit gezählt hat: Das Obers habe ich leider beim Einkaufen vergessen.

Welches Fett zum Braten?

Wir haben mittlerweile so oft verschiedene Speisen in verschiedenen Fetten gebraten, dass wir uns hier getraut haben, ganz ohne Versuche einen Sieger und Liebling zu bestimmen: geklärtes Butterschmalz, und zwar reichlich.

Sonstige Gewürze

Ein Kalbsbutterschnitzel soll meiner Meinung nach vor allem nach Kalbfleisch schmecken. Wir haben uns daher mit dem Würzen zunächst an die Standards gehalten und seltsame historische Experimente wie Champignons, Schalotten oder Piment weggelassen. Etwas Zitrone, ein wenig Muskatnuss, das war’s. Bloß einen Versuch haben wir dann doch unternommen, und der hat sich zugegeben doch als sehr gut erwiesen: ein wenig Dijonsenf in der Fleischmasse schmeckt super.

…schnitzerl

Semmelbrösel oder eingeweichte Semmel?

Klarer Punktesieg für die in Wasser eingeweichten Semmeln. Die Semmelbrösel-Variante schmeckte merkbar nach alten Semmeln. Der Teig müsste vielleicht über Nacht rasten, damit das besser wird.

Mehr oder weniger Semmeln?

Kalbsbutterschnitzel
Tobi Müller

Wenig Semmeln und mehr Fleisch klingt nach einer guten Formel, wenn man nicht sparen muss - ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Mit Semmeln geizen ist keine gute Idee. Mit einem steigenden Semmel-Anteil wird das Butterschnitzerl eine Zeit lang immer saftiger und cremiger, bis es dann irgendwann zu viel wird und die Konsistenz ins Knödelige kippt. Wir haben uns bei einem Verhältnis von ungefähr 15 Prozent des Fleischgewichts eingependelt, also ungefähr eineinhalb trockene Semmeln pro 500 g Fleisch.

Mehr oder weniger Ei?

Die meisten Rezepte setzen auf einen Eianteil von einem Ei pro 500 g Fleisch, und das war auch bei uns eindeutig der Sweetspot. Mehr Ei - auch nur mehr Eigelb - brachte keine Verbesserung, nur schlechtere Konsistenz. Gar kein Ei ließ das Schnitzerl zwar fleischiger schmecken, verschlechterte aber ebenfalls das Mundgefühl.

Reverse Sear vs. klassisches Braten

Traditionell werden Butterschnitzerl im Fett in der Pfanne gebraten, und dürfen dann eventuell im Rohr fertig ziehen. Bei vielen Fleischteilen, vor allem Steaks ist diese Reihenfolge nicht ideal: viel besser ist es, das Fleisch erst im Rohr auf die perfekte Kerntemperatur zu bringen, und dann erst in der Pfanne zu braten. Das gibt einem bessere Kontrolle, weil so der ideale Garpunkt langsam und sicher erreicht werden kann, und das Fleisch, wenn es schon warm ist, in der Pfanne schneller und schöner bräunt. Beim Kalbsbutterschnitzel hat sich die Technik allerdings nicht ausgezahlt. Die im Rohr gebackenen und dann erst gebratenen haben genauso gut geschmeckt wie ihre klassisch zubereitete Konkurrenz. Muss nicht sein.

Offene Forschungsfragen

Kalbsbutterschnitzel
Heinrichs hausgemachte Demiglace aus Knochen und Kalbsfuß, aus dem Behälter gestürzt.
Tobi Müller

Eine ganz wesentliche Zutat für ein gutes Kalbsbutterschnitzerl ist zugegeben der Kalbsfond. Für die Ergründung dessen perfekter Zubereitung hat uns bisher aber schlicht die Zeit gefehlt. Nach eingehender, wenn auch nur punktueller Verkostung kann ich aber sagen: Heinrich S. Variante muss schon sehr nah dran sein.

Und das Rezept aus Ingrid Haslingers Buch mit knapp 300 g extra Fett auf 500 g Fleisch will ich auch noch einmal probieren.

Was wir über das Kalbsbutterschnitzerl gelernt haben

Voila, das war’s für dieses Mal. Hier das vorerst perfekte Kalbsbutterschnitzerlrezept.

Das "Gruss aus der Küche"-Kalbsbutterschnitzerl-Rezept

Fleisch gut salzen. Semmeln in Wasser einweichen, bis sie sehr weich sind und dann gut ausdrücken. Gemeinsam mit dem Fleisch auf der mittleren Scheibe (4 mm) zwei Mal durch den Fleischwolf laufen lassen. Ei, Senf, geriebene Muskatnuss, den Großteil des gehackten Petersils und Zitronenschale zur Masse geben und gut durchkneten.

Den Teig in vier etwa gleich große Teile teilen und zu ovalen, flachen Laibchen formen. Auf beiden Seiten mehlieren und dann mit dem Messerrücken das klassische Karomuster hinein drücken.

Tobi Müller

Das Backrohr auf 120 Grad vorheizen. Demiglace gut salzen, mit etwas kalter Butter montieren und einem Schuss Zitronensaft würzen.

In einer Pfanne reichlich Butterschmalz heiß werden lassen. Die Schnitzel darin auf beiden Seiten goldbraun braten, bis sie eine Kerntemperatur von etwa 65 Grad haben, oder der austretende Saft fast klar ist. Idealerweise beim Braten mit einer Bacon Press oder einem anderen Bratgewicht beschweren. Aus dem Fett heben, mit Demiglace begießen und im Backrohr etwa zehn Minuten gar ziehen lassen.

Mit gehacktem Petersil garnieren und mit ordentlich gebuttertem Erdäpfelpüree mit frittierten Zwiebeln servieren.

Glaciert und bereit, genossen zu werden.

Kalbsbutterschnitzel
Tobi Müller

1 Sybilla Dorizio, "Mein durch vierzigjährige Ausübung und bisher nur durch mündliches Mittheilen bekanntes Kochbuch für große und kleinere Tafeln" (etc.), Kienreich, 1816

2 Katharina von Steiger, "Die süddeutsche Küche auf ihrem gegenwärtigen Standpunkte"

3 Unstimmigkeiten zwischen dem Heinrich S. und mir, ob wir nun doch vor dem Mischen (meine Notizen) oder erst vor dem Braten (Heinrichs Erinnerung) gesalzen haben, lassen vermuten, dass diese Frage vielleicht nicht ganz so essenziell ist, wenn der Teig nicht ewig rumsteht.

(Tobias Müller, 1.10.2023)