Washington – In den wachsenden Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo haben die USA die serbische Seite zur sofortigen Deeskalation und Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus dem Normalisierungsabkommen aufgerufen. US-Außenminister Antony Blinken und der serbische Präsidenten Aleksandar Vučić hätten deshalb miteinander telefoniert, teilte das US-Außenministerium am Freitag in Washington mit.

Blinken habe in dem Gespräch deutlich gemacht, dass die Verantwortlichen des schweren Überfalls vom vergangenen Sonntag, die sich derzeit in Serbien aufhielten, zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Er begrüße es, dass die Nato die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das kleine Balkanland genehmigt habe.

Aus der serbischen Hauptstadt Belgrad hieß es, Vučić und Blinken seien sich darüber einig gewesen, dass nun Deeskalation erforderlich und eine wichtigere Rolle der Nato erforderlich sei. Laut der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug, bestritt Vučić aber, dass es einen großen serbischen Militäraufmarsch an Grenze zu Kosovo gebe.

US-Außenminister Blinken vor schwarzem Hintergrund
US-Außenminister Blinken begrüßt die Nato-Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in den Kosovo.
EPA/WILL OLIVER

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, hatte am Freitag von einem "beispiellosen" Aufgebot von Artillerie und Panzern an der Grenze zum Kosovo gesprochen. "Wir fordern Serbien auf, diese Truppen an der Grenze abzuziehen."

Kosovo will Auslieferung aller am Angriff Beteiligten

Der Kosovo will von Serbien die Auslieferung all jener Personen an Prishtina fordern, die "an der Planung und Umsetzung der Terroristenaktion" am 24. September in Banjska beteiligt waren. Der kosovarische Innenminister Xhelal Sveçla sagte dem Sender "Free Europe", dass die Aufforderung an Belgrad durch internationale Partner erfolgen werde.

Am vergangenen Sonntag hatte ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica Stellung bezogen und sich Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. In seiner Erklärung behauptete der mutmaßliche Anführer der Gruppe, der kosovo-serbische Geschäftsmann Milan Radoičić, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Radoičić wurde am Samstag erstmals von der serbischen Polizei zu den Ereignissen einvernommen.

In einer durch seinen Anwalt in Belgrad verlesenen Mitteilung teilte Radoičić zugleich mit, als Vizevorsitzender der Serbischen Liste, der Partei der Kosovo-Serben, zurückzutreten. Sveçla ist nach wie vor davon überzeugt, dass Radoičić nicht auf eigene Faust, sondern mit Unterstützung des serbischen Präsidenten Vučić, handelte. Die bisherigen Ermittlungen hätten gezeigt, dass an dem Angriff in Banjska "über 80 Terroristen" beteiligt gewesen seien, so der kosovarische Innenminister.

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter auch Österreich, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert. (APA, red, 30.9.2023)