Donika Gërvalla-Schwarz
Die kosovarische Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz warnt vor einem neuen Krieg auf dem Balkan.
EPA/MARTIN DIVISEK

Belgrad/Prishtina – Im Zusammenhang mit den wiederaufgeflammten Spannungen im Kosovo warnt die kosovarische Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz vor einem neuen Krieg auf dem Balkan. "Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben", sagte sie am Montag im Deutschlandfunk. Serbien wolle Tatsachen schaffen, um den Kosovo dazu zu zwingen, in Brüssel über territoriale Fragen zu verhandeln.

"Zum Glück ist der Versuch vor acht Tagen gescheitert, aber wir wissen nicht, was die Pläne für die Zukunft sind", sagte Gërvalla-Schwarz. Sie fordere deshalb die EU auf, den serbischen Status als Beitrittskandidat einzufrieren und Geldzahlungen zu stoppen.

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Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani hatte am Donnerstag Serbien und dessen Präsidenten Aleksandar Vučić für die Gewalteskalation verantwortlich gemacht. Serbien erhebe nach wie vor territoriale Ansprüche auf den Kosovo und versuche ein "Krim-Modell" zu verwirklichen, sagte sie in Anspielung auf das russische Vorgehen in der Ukraine.

Vor etwa einer Woche hatten 30 bewaffnete Maskierte in einem Dorf unweit der Grenze zu Serbien das Feuer auf kosovarische Polizisten eröffnet. Nach Polizeiangaben wurden bei den Schusswechseln ein Polizist und drei Angreifer getötet.

Kosovo: Angreifer wurden auf serbischem Militärübungsplatz trainiert

Der kosovarische Innenminister Xhelal Sveçla sagte am Sonntag, dass die serbische Gruppe, die die Polizeipatrouille angegriffen hatte, auf einem serbischen Militärübungsplatz trainiert worden sei. Sveçla präsentierte mehrere Aufnahmen, die seinen Angaben nach von einer bei der Angreifergruppe beschlagnahmten Drohne stammten.

Demnach bezeugten die Aufnahmen, dass Trainings der Gruppe sowohl auf dem zentralserbischen Militärübungsplatz Pasuljanske Livade bei Jagodina sowie in der Nähe des Hotels Grej am südserbischen Kopaonik-Gebirge stattgefunden hätten. Der Hotelinhaber soll der Kosovo-Serbe und Geschäftsmann Milan Radoičić sein, der am Freitag in einer Mitteilung die alleinige Verantwortung für den Angriff in Banjska bei Mitrovica übernommen hatte. Die Drohnenaufnahme vom Kopaonik wurde laut Sveçla am 26. August gemacht.

Radoičić wurde am Samstag in Belgrad einvernommen, blieb aber auf freiem Fuß. Laut der Tageszeitung "Blic" nahm Radoičić am Sonntag auch an dem Begräbnis eines der drei getöteten Angreifer im zentralserbischen Vrnjačka Banja teil. Zwei weitere getötete Angreifer wurden gleichzeitig im nordkosovarischen Leposavić beerdigt.

Serbiens Generalstabschef widerspricht

Serbiens Generalstabschef Milan Mojsilović wies am Montag Behauptungen zurück, wonach sich Radoičić auf dem Militärübungsplatz in Pasuljanske Livade aufgehalten habe. "Milan Radoičić hat nicht an einer Übung in Pasuljanske Livade teilgenommen, hat kein einziges Geschoß, keine einzige Granate abgefeuert, er hat an diesen Aktivitäten nicht teilgenommen", sagte Mojsilović vor Journalistinnen und Journalisten. "Was Radoičić mit seinem Privatvermögen tut, ist keine Angelegenheit der Streitkräfte Serbiens."

Der Generalstabschef äußerte sich auch zur Truppenpräsenz an der Grenze zum Kosovo. Demnach hat Serbien einige in der Nähe der Grenze zum Kosovo stationierte Truppen abgezogen. "Serbien hatte 8.350 Soldaten in der Nähe der Grenze zum Kosovo stationiert und hat diese derzeit auf 4.500 reduziert", sagte Mojsilović am Montag in Belgrad.

Er fügte hinzu, dass die Armeepräsenz in der so genannten Bodensicherheitszone, einem fünf Kilometer breiten Streifen innerhalb Serbiens entlang der Grenze zum Kosovo, "zur Normalität zurückgekehrt" sei. Bei frühen Krisensituationen im Norden des Kosovo, etwa im Mai oder Dezember des Vorjahres, als die Streitkräfte in höhere Alarmbereitschaft versetzt worden seien, hielten sich in der Grenzregion zum Kosovo laut Mojsilović 14.400 Mann auf.

Großbritannien stockt Nato-Friedenstruppe auf

Wegen der serbischen Truppenkonzentration an der Grenze erhöht die Nato ihre Präsenz im Kosovo im Rahmen der Friedensmission Kfor. Wie das britische Verteidigungsministerium am Sonntag mitteilte, sollen 200 zusätzliche Soldaten das bisher 400 Mann starke britische Kontingent als Teil einer jährlichen Übung im Kosovo verstärken. Man komme damit einer entsprechenden Nato-Anfrage nach, hieß es in der Mitteilung.

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Auch in Deutschland haben sich die Regierungsparteien für eine Aufstockung der Bundeswehrkräfte im Rahmen von Kfor ausgesprochen.
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In Deutschland haben sich unterdessen Vertreter der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP für eine Aufstockung der Bundeswehrkräfte im Rahmen von Kfor ausgesprochen. "Deutschland sollte in Absprache mit den Verbündeten schnell prüfen, ob das Kfor-Mandat komplett ausgefüllt wird, und weitere Soldaten in den Kosovo entsenden", sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, dem Magazin "Spiegel". Aus den Reihen der SPD forderte Außenpolitiker Adis Ahmetovic, das Kfor-Mandat mit mehr Streitkräften zu versehen.

Dem "Spiegel" zufolge hat die Bundeswehr derzeit 85 Soldaten im Kosovo stationiert. Das zuletzt im Mai vom Bundestag verlängerte Mandat sieht bis zu 400 Einsatzkräfte vor. "Da ist also, ohne das Mandat verändern zu müssen, noch deutlich Luft nach oben", sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. "Sollte es also erforderlich werden, werden wir auch mehr dorthin verlegen."

Stationiert sind im Kosovo derzeit etwa 3.400 Kfor-Soldatinnen und -Soldaten. Das österreichische Bundesheer ist zurzeit mit 275 Personen im Kfor-Kontingent vertreten.

Verteidigungsministerium: "Beobachten die Lage ganz genau"

"Wir müssen seit längerer Zeit eine Zunahme der Spannungen vor Ort feststellen und beobachten die Lage ganz genau", erklärte das österreichische Verteidigungsministerium der APA. "Darüber hinaus ist das österreichische Kontingent mit Masse im Westen und Süden des Kosovos eingesetzt."

Im Ö1-"Mittagsjournal" am Montag sagte Florian Bieber vom Zentrum für Südosteuropastudien der Uni Graz, sollte Serbien glauben, den Kosovo "handschlagartig zu übernehmen", sei das "naiv". Serbien sei – mit Ausnahme von Bosnien-Herzegowina – von Nato-Staaten umgeben. Der Angriff am 24. September sei aber "eine neue Gewaltstufe" gewesen, und "es scheint klar zu sein, dass der serbische Staat informiert gewesen" sei.

Serbien erkennt Unabhängigkeit nicht an

Der heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hat sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter auch Österreich, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert. (APA, red, 2.10.2023)