Bing spielt im aktuell laufenden Verfahren des US-Justizministeriums gegen Google und dessen Suchmaschinendominanz eine eher spezielle Rolle. Nämlich die des Sandsacks, über den sich alle ein bisschen lustig machen. Immer wieder gab es im Verlauf des Verfahrens spitze Bemerkungen zur Qualität von Bing, und das nicht nur aus der Richtung Googles: Auch Apple betonte, dass es schlicht keine taugliche Alternative zu Google gebe.

Auftritt: Microsoft

Dass Bing mit Google derzeit nicht mithalten kann, bestätigt nun vor Gericht auch einer, der es sehr genau wissen muss: Microsoft-Boss Satya Nadella. Das verblüffende Eingeständnis passiert in diesem Fall aber natürlich mit Hintergedanken – will Nadella damit doch auf etwas anderes hinführen, nämlich den Marktvorteil Googles, wie "The Verge" vom Verfahren berichtet.

Satya Nadella
Microsoft-Chef Satya Nadella auf dem Weg zu seiner Aussage im Google-Verfahren
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/DREW

Eine Suchmaschine, die viel genutzt werde, sei nämlich grundlegend im Vorteil. Wer mehr Anfragen bekommt, der hat auch mehr Daten, um die Qualität der Suchergebnisse zu verbessern, erklärt Microsoft. Das sei auch der Grund, warum man vor einigen Jahren versucht habe, Google die Position als Default-Suche wegzuschnappen, führt der als Zeuge geladene Nadella aus.

Ablehnung

Auf die Frage des Richters, wie dieser Versuch ausgegangen sei, antwortete der Microsoft-Boss recht offen "Nicht so gut". Obwohl er bereit gewesen sei, sehr viel Geld dafür auszugeben – der Microsoft-Boss spricht von bis zu 15 Milliarden Dollar pro Jahr –, habe Apple das Ansinnen abgelehnt. Bereits vor einigen Tagen hatte Eddy Cue, der Apples Servicegeschäft leitet, zu Protokoll gegeben, dass man nie ernsthaft über einen Wechsel nachgedacht habe.

Zwar könnte Microsoft Apple gleich viel oder sogar noch mehr Geld als Google liefern, Nadella spekuliert aber, dass noch andere Faktoren eine Rolle spielen. So vermutet er, dass Apple Angst davor hat, was passiert, wenn man den Google-Deal beendet. Immerhin könnte Google im schlimmsten Fall seine Apps vom iPhone zurückziehen, was auch für Apples Geschäft schlecht wäre. Finden sich doch zahlreiche Google-Apps unter den weltweit am meisten genutzten.

Simple Interessenlage

Warum er sich überhaupt für das Suchmaschinengeschäft interessiert, beantwortet Nadella mit einem simplen Begriff: Geld. "Ich war davon überzeugt, dass Windows und Office sehr profitable Geschäfte sind, bis ich die Suche gesehen habe", umreißt es Nadella plakativ.

Das erklärt dann auch, warum Nadella bereit wäre, so viel Geld in einen Deal mit Apple zu investieren. Zumal er vor Gericht betont, dass Default-Einstellungen der einzige Weg seien, das Nutzerverhalten zu ändern. Wenn Google behaupte, dass es einfach sei, auf eine andere Suchmaschine zu wechseln, dann sei das "Unsinn".

Eine Aussage, die mit einem Blick auf Microsofts eigenes Geschäft durchaus interessant ist. Immerhin versucht das Unternehmen seit Jahren, Windows-User zur Nutzung von Bing zu bringen, hat dieses auch als Default-Wahl eingestellt – und trotzdem dominieren auch dort die Google-Suche und Chrome. Microsoft repliziert auf diesen Hinweis der Google-Anwälte, dass die Google-Suche sonst sogar noch stärker verbreitet wäre, man damit also Vielfalt schaffe.

Die Rolle von künstlicher Intelligenz

Einen interessanten Austausch gab es auch zum Thema künstliche Intelligenz und Suchmaschinen. Hat Nadella vor einigen Monaten noch betont, dass man mit dem erneuerten Bing "Google zum Tanzen bringen" werde, rudert er nun zurück. "Nennen wir das den Überschwang von jemandem, der gerade einmal drei Prozent Marktanteil hat", formuliert es Nadella jetzt. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die neuen Bing-Initiativen an den Machtverhältnissen im Suchmaschinenmarkt nicht das Geringste verändert haben.

Auch sonst klingt Nadellas Prognose zu den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz nun etwas anders. Zwar habe KI das Potenzial, den Markt aufzumischen, gleichzeitig könnte sie aber die Google-Dominanz gar noch stärken. Dabei spekuliert er, dass Google Exklusivdeals mit einzelnen Webseiten zum Zugriff auf ihre Daten eingehen könnte. Das würde schlussendlich die Konkurrenz vernichten. Belege für diese Aussagen kann Nadella nicht liefern, es handelt sich um reine Spekulation. Nicht zu vergessen ist, dass all das unter dem Vorzeichen zu verstehen ist, dass Microsoft natürlich gerne eine staatliche Regulierung von Google hätte, weil das für das eigene Geschäft von Vorteil wäre.

Wer ist am Zustand von Bing schuld?

Bei Google geht man an das Thema naturgemäß aus einer anderen Perspektive heran. Dessen Anwälte betonten in der Befragung von Nadella, dass der Grund dafür, dass Bing so schlecht sei, ein ganz anderer sei: Microsoft habe einfach zwei Jahrzehnte lang sämtliche Bemühungen rund um mobile Produkte und Suchmaschinen in den Sand gesetzt. (apo, 3.10.2023)