Eine Frau schieb abwehrend eine Hand von ihrem Oberschenkel.
Die Vorstellung, dass Frauen sich halt wehren müssen, ist noch immer stärker verankert, als dass Männer auf Konsens achten müssen.
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"Nur Ja heißt Ja" – eh klar, oder? Im Kontext von Sexualdelikten und Debatten, was Zustimmung beim Sex genau bedeutet, ist es allerdings um einiges komplizierter. Noch immer wird in zahllosen Medienberichten von "Sex-Skandalen" geschrieben, wenn es eigentlich um sexualisierte Gewalt geht. Dass nur dann von Sex die Rede sein kann, wenn alle Beteiligten den auch wollen, das ist noch immer nicht selbstverständlich. Und ebenso wenig, dass alles andere ein sexualisierter Übergriff ist – und kein Sex. Die Zahlen zeugen jedenfalls von einem erschütternden Ausmaß von sexualisierter Gewalt. In Österreich erlebt jede dritte Frau im Erwachsenenalter sexualisierte Gewalt.

Das Konzept "Nur Ja heißt Ja" versucht einen anderen Blick auf sexuelle Handlungen zu werfen und dass die Grenze zwischen Sex und Übergriff nicht auf Abwehr beruhen soll. "Ja heißt Ja" ist die Folgeforderung von "Nein heißt Nein", mit dieser sollte noch klargemacht werden: Ein Nein muss reichen. Man muss jemanden nicht mit aller Kraft wegschieben müssen oder sich aus einer Umarmung winden, dass beim anderen ankommt, dass man etwas nicht möchte. Ein schlichtes Nein oder eine andere Abwehr, die nicht physischer Natur sein muss, ist die Grenze.

Keine Reaktion möglich

Doch es hat sich gezeigt, dass das gerade bei sexualisierten Übergriffen nicht so leicht ist. Betroffene fühlen sich – insbesondere wenn es ein Machtverhältnis gibt – oft von der Situation völlig überfordert und können nicht reagieren. Fachleute sprechen diesbezüglich von "Freezing", also das völlige Erstarren in einer Gewaltsituationen – und den Opfern weder eine verbale oder physische Abwehr möglich ist. Das ist eine Reaktion auf eine akute Bedrohung von der Betroffene von sexualisierter Gewalt oft berichten. Psychiater:innen erklären das mit einer unbewussten Risikoabwägung bei Gefahr.

Nachdem also an der ursprünglich feministischen Forderung "Nein heißt Nein" bestimmte Schwächen diagnostiziert wurden, änderte sich diese in "Nur Ja heißt Ja", die den Fokus auf konsensuale Sexualität werfen soll. Diese Konzept stellt infrage, warum meist Frauen dafür zuständig sein müssen, Grenzen zu ziehen, und warum sie ständig beweisen müssen, dass sie diese Grenzen gezogen hätten, falls die sexualisierte Gewalt vor Gericht landet.

Schon vor 15 Jahren haben die Feministinnen Jaclyn Friedman und Jessica Valenti in ihrem Buch "Yes Means Yes!: Visions of Female Sexual Power and A World Without Rape" über "enthusiastische Zustimmung" geschrieben, die Teil einer jeden sexuellen Handlung sein soll. Damit habe auch jeder und jede darauf zu schauen, dass das Gegenüber zustimmt und "offensichtlich glücklich darüber ist, was gerade passiert". Somit geht es darum, während sexueller Handlungen in Kommunikation zu bleiben – und man nicht hinterher einfach sagen könne, man hätte halt nicht mitbekommen, dass die oder der andere gar nicht will.

Definition von Vergewaltigung

"Nur Ja heißt Ja" hat inzwischen auch auf juristischer Ebene Bedeutung erlangt, nachdem in vielen Ländern erst "Nein heißt Nein" als Grenze zu Vergewaltigung installiert wurde. In Österreich musste bis 2016 Gewalt angedroht oder angewendet werden, damit etwas als sexualisierte Gewalt gelten konnte. Dann wurde mit einer Reform "Nein heißt Nein" als Grenze festlegt, womit ein sexualisierter Übergriff dann strafbar ist, wenn die Handlung gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird. Inzwischen wird immer öfter gefordert, dass das Konsensprinzip verankert werden soll: also "Nur Ja heißt ja". Die Abwehrhaltung des Opfers soll damit nicht mehr Zentrum stehen, sondern das Einvernehmen der Beteiligten.

2022 hat die EU-Kommission im Rahmen der Ausarbeitung gemeinsamer EU-weiter Richtlinien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen eine gemeinsame Definition von Vergewaltigung gefordert. Diese soll festlegen, ab wann sexualisierte Gewalt als Vergewaltigung unter Strafe gestellt wird.

In vielen europäischen Ländern gilt bereits, dass Sex ohne Zustimmung strafbar ist, etwa in Dänemark, Griechenland, Irland, Island, Kroatien, Schweden, Slowenien oder Zypern. In Belgien gilt das "Nur Ja heißt Ja"-Prinzip auf juristischer Ebene sogar schon seit 1989. Also genau seit jenem Jahr, als in Österreich erst Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft strafbar wurde. (Beate Hausbichler, 4.10.2023)