Quantencomputer
Quantencomputer haben heute noch keinen praktischen Nutzen, das könnte sich in Zukunft aber auch durch neue Rechenarchitekturen ändern.

Das Rennen um gewinnbringend nutzbare Quantencomputer gehört aktuell zu den weltweit spannendsten Forschungsfeldern. Zu den Technologieansätzen gehören supraleitende Systeme, in denen widerstandslos fließende Ströme zu Quantenbits werden, Ionenfallen, in denen Teilchen in starken Magnetfelder kontrolliert werden, oder photonische Quantencomputer, die mit Lichtteilchen operieren. Diese Technologien beschreiben allerdings nur, wie man Qubits physikalisch herstellt. Es braucht auch eine Methodik, die sie zu einem Rechensystem macht. Ein verbreiteter Ansatz ist, Qubits ähnlich wie in klassischen Rechnern zu Gattern zusammenzuschließen, um beliebige Operationen eines universellen Computers zu codieren – was die schwierige Aufgabe mit sich bringt, dass viele Qubits gleichzeitig kontrolliert werden müssen.

Eine weitere Herangehensweise ist sogenanntes Quantum-Annealing. In diesen Systemen werden die Qubits nicht zu Gattern zusammengeschlossen, sondern die individuellen Qubits werden selbst zu einer Art Recheninstrument. Aufgrund ihrer Quanteneigenschaften suchen Qubits hier innerhalb eines physikalischen Systems einen für sie optimalen Zustand. Dieser Vorgang kann, entsprechende Qubit-Kontrolle und geeignete Algorithmen vorausgesetzt, unter anderem für Optimierungsaufgaben genutzt werden.

Innsbrucker Spin-off

Eine Architektur, die diesen Ansatz auf neue Art nutzt, gehört zu den ersten Anwendungen des Innsbrucker Unternehmens ParityQC. Das Spin-off der Universität Innsbruck arbeitet an einer Methode, die sowohl Annealing-Systeme als auch universelle Quantencomputer auf neue Art rechnen lässt.

Ihr Erfinder ist Wolfgang Lechner, Quantenphysiker an der Universität Innsbruck, der die Technologie nun im Rahmen des Start-ups weiterentwickelt und vermarktet. Ein wesentlicher Vorteil betrifft die Qubit-Kontrolle: "Da jeweils nur ein Qubit kontrolliert werden muss, kann die Hardware viel einfacher gestaltet werden, und Quantenrauschen und Fehlerkorrekturen sind keine relevanten Problemfelder. Gleichzeitig erlaubt die Architektur eine hohe Modularität und Skalierbarkeit, sodass sich das System auch an große Problemstellungen anpassen lässt", beschreibt Lechner die Technologie, die in dem Unternehmen mit derzeit etwa 60 Beschäftigten vorangetrieben wird.

Ein erster funktionstüchtiger Quantencomputer mit ParityQC-Architektur ist seit kurzem für die Wissenschaft zugänglich. Der japanische IT-Konzern NEC präsentierte einen 8-Bit-Quanten-Annealer, der per Cloud-Anwendung steuerbar ist. Eine Reihe weiterer Implementierungen der Architektur entsteht gerade. "Wir kooperieren zum Beispiel mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Halbleiterhersteller NXP und dem Quantenhardwareproduzenten eleQtron, um in den nächsten Jahren einen modularen Quantencomputer auf Basis unserer Architektur zu entwickeln. Ebenso arbeiten wir mit dem französischen Start-up Pasqal, hinter dem auch der Physiknobelpreisträger von 2022, Alain Aspect, steht, zusammen", betont Magdalena Hauser, die sich mit Lechner die Geschäftsführung des Spin-offs teilt.

Nächtlicher Einfall

Die Ursprünge der ParityQC-Architektur gehen auf die Postdoc-Zeit Lechners an der Universität Innsbruck vor etwa zehn Jahren zurück. "Gemeinsam mit meinen Kollegen Philipp Hauke und Peter Zoller arbeitete ich an einer Idee für Quantencomputer, die Wechselwirkungen zwischen Qubits ins Zentrum stellen. Man könnte diese Wechselwirkungen physikalisch beschreiben, um sie dann mit einzelnen Qubits in einem Annealing-System interagieren zu lassen", erklärt Lechner den zugrundeliegenden Gedanken. "Doch ein mathematischer Beweis falsifizierte damals unseren Ansatz."

Der Geistesblitz kam einige Zeit später. "Bei einem Konferenzbesuch in Dänemark wachte ich nachts im Hotel auf und hatte die zündende Idee, wie man die Qubits anordnen könnte, um ein konsistentes Ergebnis zu bekommen", sagt der Quantenforscher. "Der ursprüngliche mathematische Beweis war also nicht so allgemein, wie ich gedacht hatte."

Aus der Idee resultierte 2015 ein Patent. Zwei Jahre später wurde Lechner für seinen Ansatz der mit 1,2 Millionen Euro dotierte FWF-Start-Preis zugesprochen. Zur Firmengründung kam es aber erst 2020. "Wir wussten, dass die Technologie Potenzial hatte. Schon ein halbes Jahr nach der Patentanmeldung bekamen wir ein Angebot von einem großen US-Techkonzern", betont Lechner. Im Zuge der Gründung stieß auch Magdalena Hauser zum Team. Sie war zuvor Geschäftsführerin des Technologieförderers IECT ihres Onkels, des Investors Hermann Hauser. 2019 gewannen die Gründer den Houska-Preis, 2020 folgte der von Austria Wirtschaftsservice (aws) vergebene Gründerpreis Phönix als bestes Spin-off des Jahres. Neben der Teilnahme im Seedfinancing-Programm der aws wurde ParityQC im Rahmen der Initiative Quantum Austria vom Wissenschaftsministerium gefördert sowie von der Förderagentur FFG von Wirtschafts- und Klimaministerium.

Optimierungsprobleme

Grundsätzlich eignen sich Annealing-Systeme besonders gut bei Optimierungsproblemen. Die Entwickler arbeiten daran, Problemstellungen in entsprechende Quantenalgorithmen zu übersetzen. "Wir suchen nach Quantenbauteilen und physikalischen Eigenschaften der Hardware, die wir bestmöglich für die Lösung mathematischer Probleme nutzen können", erklärt Lechner. "Selbst kleine Verbesserungen können für den Markt relevant sein." Das Geschäftsmodell sieht vor, Hardwarelizenzen an Chiphersteller zu verkaufen.

Auch wenn die Entwicklung bei Annealing-Systemen am weitesten fortgeschritten ist, bleibt es nicht der einzige Forschungsansatz. "Unser Ansatz ist auch für universelle Quantencomputer einsetzbar", betont der Quantenphysiker. "Wir arbeiten auch in diesem Bereich bereits mit Hardwareherstellern zusammen. In etwa fünf Jahren könnte die Technologie kommerziell interessant sein."

Die Geschäftsführenden haben jedoch Sorge, dass Europa beim Aufbau eines Quantencomputing-Ökosystems gegenüber China und den USA zurückbleiben könnte. "Die große Gefahr ist, dass in Europa viel entwickelt wird, die Wertschöpfung aber woanders passiert", beklagt Lechner. "Weltweit wird enorm viel in diese Technologien investiert. Wir müssen darauf eine Antwort haben und auch die kapitalintensive Produktion in Europa halten." (Alois Pumhösel, 7.10.2023)