flüssiges Metallbad mit mehreren Legierungselementen
Test eines neuen Verfahrens zur Wasserstoffabscheidung: In einem flüssigen Metallbad mit mehreren Legierungselementen entweicht der Energieträger, Kohlenstoff sammelt sich an der Oberfläche.
Uni Leoben

Langsam ist das Anlaufen der klimafreundlichen Wasserstoffwirtschaft, die das Verbrennen fossiler Rohstoffe ablösen soll, absehbar. Das bis dato beste Mittel zur emissionsfreien Gewinnung ist die Elektrolyse, bei der der Energieträger durch den Einsatz erneuerbarer Elektrizität aus Wasser gewonnen wird. Durch den hohen Wasserstoffbedarf der Industrie braucht es aber gewaltige Strommengen: Allein die Umstellung der hiesigen Stahlproduktion auf Wasserstoff benötige den Output von zwei bis drei großen Donaukraftwerken. Selbst mit vollem Einsatz beim Erneuerbaren-Ausbau ist ein schnelles Erreichen der nötigen Mengen kaum möglich.

Neben dem "grünen" Wasserstoff aus Elektrolyse werden deshalb eine Reihe weiterer Gewinnungsarten als Übergangstechnologien erforscht, die zwar – wie beim bisher üblichen Prozess der Dampfreformierung – Erdgas als Ausgangsstoff haben, mit deren Hilfe die CO2-Emissionen aber stark reduzierbar wären. Dafür müsste aber Erdgas günstig verfügbar sein – was durch die derzeitige geopolitische Situation fraglich ist.

Türkiser Wasserstoff

Eine dieser Varianten ist "blauer" Wasserstoff, bei dem die "graue" Dampfreformierung mit einem Carbon-Capture-Ansatz verbunden wird, also entweichendes CO2 abgeschieden wird. Bei einer anderen Variante wird der Wasserstoff dagegen durch Pyrolyse gewonnen, bei der die Methan-Moleküle durch hohe Temperaturen und bei Sauerstoffabschluss aufgebrochen werden: Auf die Entwicklung von Prozessen für diesen "türkisen" Wasserstoff konzentrieren sich die Wissenschafter im Forschungsschwerpunkt "SCoRe A+ Hydrogen and Carbon" der Montanuniversität Leoben. Neben weiterer Wasserstoffforschung soll die Methanpyrolyse hier zu ihrer industriellen Anwendbarkeit geführt werden.

Gleichzeitig entwickeln die insgesamt etwa 120 involvierten Forschenden Konzepte für Aufbereitung, Speicherung und Transport des Wasserstoffs, aber auch Prozesse für den abgeschiedenen Kohlenstoff. Die Gewinnung des Wasserstoffs durch Pyrolyse vereint zwei Vorteile: "Einerseits benötigt man viel weniger elektrischen Strom als bei der Elektrolyse", erklärt Schwerpunktkoordinator Robert Obenaus-Emler von der Montan-Uni.

Forschende im Metallwerk
Forschende versuchen bei diesem Verfahren, einen möglichst emissionarmen Wasserstoff herzustellen.
Uni Leoben

Prinzip des Lichtbogens

"Andererseits liegt der abgeschiedene Kohlenstoff nicht als CO2 vor, das man im Zuge einer – in Österreich ohnehin nach wie vor verbotenen – Carbon-Capture-and-Storage-Lösung ins Erdreich pressen müsste, sondern als Feststoff." Das resultierende Kohlenstoffpulver sei einfach zu lagern oder könne in der Industrie oder sogar in der Landwirtschaft eingesetzt werden, erklärt Obenaus-Emler. Die Forschenden nehmen zwei Varianten der Methanpyrolyse unter die Lupe – Ansätze, die in der Wissenschaft bereits lange bekannt sind und nun neue Relevanz erhalten könnten.

Bei einem Ansatz steht die Aufspaltung des Methans in einem thermischen Plasmareaktor im Zentrum. Dabei greift man auf das Prinzip des Lichtbogens zurück – ein Phänomen, das den Blitzentladungen in der Natur gleicht. Ein Trägergas, etwa Stickstoff oder Argon, wird unter hoher Spannung zu leitfähigem Plasma, in dem Methan aufgespalten wird. Ein ähnlicher Prozess wird auch für die Reduktion von Eisenerz in der heimischen Stahlproduktion entwickelt, wobei hier dem Erz mithilfe von Wasserstoff – und ohne CO2-Emissionen – Sauerstoff entzogen wird.

Nutzen für Landwirtschaft

Das zweite Verfahren, das für die industrielle Praxis vorbereitet wird, nutzt ein flüssiges Metallbad zur Wasserstoffabscheidung. Dabei steigt das Methan durch einen mit flüssigem Metall – etwa Zinn – gefüllten Reaktor nach oben. Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius und die katalytischen Eigenschaften des Metalls sorgen für eine Aufspaltung des Methans: Wasserstoff entweicht nach oben, Kohlenstoff sammelt sich an der Oberfläche des Metallbads. Die Forschenden arbeiten hier etwa an der Optimierung der Metallzusammensetzung. Je besser die Eigenschaften der Legierung, desto mehr Wasserstoff wird abgeschieden.

"Die Metallbad-Pyrolyse hat den Vorteil, dass wesentliche Bestandteile der Technologie schon in industriellen Prozessen verwendet werden", erklärt Obenaus-Emler. "Im Vergleich zur Plasma-Variante, die alles in allem einen vergleichbaren Energiebedarf hat, ist es hier zudem einfacher, den Kohlenstoff im Rahmen eines kontinuierlichen Prozesses ohne Verunreinigungen abzuscheiden." Gleichzeitig ist über das Metallbad auch die Form des abgeschiedenen Kohlenstoffs beeinflussbar, sodass er etwa in einer graphitähnlichen Gestalt vorliegt.

Die Forschenden prüfen nicht nur Anwendungen wie Druckertinte und Gummiprodukte, sondern auch einen Einsatz in der Landwirtschaft. "Ist der Kohlenstoff rein genug, kann er zur Bodenverbesserung eingesetzt werden", sagt Obenaus-Emler. "Der niedrige Schwefelgehalt im heimischen Erdgasnetz ist eine gute Voraussetzung für diese Nutzung. Die Metallbad-Pyrolyse müsste auch auf diese Anwendung hin optimiert werden, denn der Kohlenstoff müsste möglichst frei von Metallen aus der Legierung bleiben." Eine grundsätzliche Eignung des Pyrolysekohlenstoffs für die Landwirtschaft konnte das Team schon belegen. Ziel ist nun, die strengen Grenzwerte einer biozertifizierten Kohle zu erreichen.

Kohlenstoffpulver
So sieht das Kohlenstoffpulver am Ende dann aus. Bei ausreichender Reinheit könnte es auch in der Landwirtschaft zur Bodenverbesserung eingesetzt werden, hofft Forscher Obenaus-Emler.
Uni Leoben

Nie ganz emissionsfrei

Der resultierende Wasserstoff liegt nicht in hochreiner Form vor. Für viele Anwendungen – etwa in der Stahlindustrie – ist das kaum relevant. Nachdem der Ausgangsstoff fossilen Ursprungs ist, kann der Prozess nie ganz frei von klimaschädlichen CO2-Emissionen sein. "Bei optimalen Voraussetzungen wie der Nutzung von Strom aus Wasserkraft und Erdgas aus Norwegen können wir auf einen Emissionswert von unter zwei Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilogramm Wasserstoff kommen. Das ist vergleichbar mit Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen", fasst Obenaus-Emler Erkenntnisse einer von der Universität Graz durchgeführten Lebenszyklusanalyse zusammen.

Bei den derzeitigen Voraussetzungen für Strom und Erdgas in Österreich würden die Pyrolyse-Emissionen allerdings bei etwa zwölf Kilo CO2-Äquivalent liegen – ähnlich hoch wie bei der Dampfreformation ohne Carbon-Capture oder der Elektrolyse mit Österreichs aktuellem Strommix. Eine Aussage der Studie der Universität Graz ist daher auch, dass man zu den Klimaauswirkungen kaum generelle, sondern nur fallbezogene Entscheidungen treffen könne, die die konkrete Herkunft des Erdgases und der Elektrizität miteinbeziehen. (Alois Pumhösel, 13.8.2023)