Kevin McCarthy, Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses.
Kevin McCarthy, bisheriger Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses.
EPA/SHAWN THEW

Washington – Das US-Repräsentantenhaus hat am Dienstag dafür gestimmt, Kevin McCarthy als Sprecher abzusetzen. 216 Abgeordnete stimmten für die Amtsenthebung, 210 dagegen. Der republikanische Hardliner Matt Gaetz hatte am Montag beantragt, McCarthy abzusetzen, indem er im Plenum des Repräsentantenhauses einen Antrag auf Räumung des Vorsitzes stellte – ein seltenes verfahrenstechnisches Manöver, mit dem man eine Abstimmung zur Absetzung des Speakers erzwingen kann.

Der radikale Abgeordnete Gaetz wirft McCarthy unter anderem vor, er mache gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten. Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA. Gaetz stört sich unter anderem daran, dass McCarthy am Wochenende mit den Stimmen von Demokraten einen Stillstand der Regierung im letzten Moment abgewendet hatte. Er wirft McCarthy aber auch Verstöße gegen fraktionsinterne Absprachen vor.

Video: "Ich bereue es nicht, verhandelt zu haben. Unsere Regierung ist darauf ausgelegt, Kompromisse zu finden“, sagte McCarthy in einer Pressekonferenz nach der Abstimmung.
AFP

McCarthy tritt nicht erneut an

McCarthy erklärte, sich nicht erneut zur Wahl zu stellen: "Ich werde nicht wieder als Vorsitzender kandidieren." Er lasse sein Fraktion jemand anderen wählen. Über seine Nachfolge wollen die Republikaner voraussichtlich am 10. Oktober entscheiden. Eine Abstimmung ist für 11. Oktober vorgesehen.

Bei einem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt sagte McCarthy, für ihn sei der Vorsitzenden-Posten die größte Ehre gewesen. "Ich habe jede Minute geliebt." Er sei mit sich im Reinen. "Ich würde rein nichts anders machen", betonte er. "Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich wirklich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben." Selbstironisch sagte er: "Ich habe Geschichte geschrieben, oder?"

Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen – insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches – und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen. Gaetz' Vorwürfe wies er zurück. "Nur weil Gaetz etwas gesagt hat, heißt das nicht, dass es wahr ist. Ich habe ihn noch keine einzige wahre Sache sagen gehört."

US-Präsident Biden rief das Repräsentantenhaus dazu auf, rasch einen Nachfolger zu wählen. "Die dringenden Herausforderungen für unser Land werden nicht warten", erklärte Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre am Dienstag.

Zugeständnis an Trump-Anhänger

Kurz vor der Abstimmung hatten die Demokraten ausgeschlossen, McCarthy mit ihren Stimmen im Amt zu halten. Viele stellten sich gegen McCarthy, weil er ein Amtsenthebungsverfahren gegen Biden zuließ und Trump auch nach dem Sturm auf das US-Kapitol unterstützte. Dass einzelne Abgeordnete seine Absetzung beantragen konnten, war ein Zugeständnis McCarthys an die radikalen Trump-Anhänger in der eigenen Partei gewesen. McCarthy wurde erst im Jänner nach 15 Wahlgängen zum Vorsitzenden gewählt.

Das letzte Mal, dass das Repräsentantenhaus über die Absetzung eines Sprechers abstimmen ließ, war im Jahr 1910, abgesetzt wurde er damals nicht. McCarthy zu entlassen stellt eine erhebliche Eskalation der Spannungen unter den Republikanern im Repräsentantenhaus dar, die von internen Streitigkeiten geprägt sind und nun in ein noch größeres Chaos gestürzt werden könnten.

Die Ordnung des Kongresses besagt, dass "im Falle einer Vakanz im Amt des Sprechers" eine von McCarthy bestimmte Person übergangsweise Vorsitzender wird, bis ein neuer Vorsitz gewählt wird. Ein Protokollführer des Repräsentantenhauses gab unmittelbar nach der Abstimmung bekannt, dass der republikanische Abgeordnete Patrick McHenry aus North Carolina zum zwischenzeitlichen Vorsitzenden ernannt wurde. (APA, red, 4.10.2023)