NASA, ESA, Orionnebel, James Webb Space Telescope (JWST), Exoplaneten
Der Orionnebel, aufgenommen im Kurzwellen-Bandbereich der NIRCam an Bord des James-Webb-Weltraumteleskops. Das Bild zeigt die Molekülwolke in bisher nicht gekanntem Detailreichtum im nahen Infrarot.
Foto: NASA, ESA, CSA / Science leads and image processing: M. McCaughrean, S. Pearson

Trotz der offensichtlichen Unterschiede – etwa zwischen Erde und Sonne – ist ist es gar nicht so einfach, eine klare Trennlinie zwischen Planeten und Sternen zu ziehen. Als Bindeglied zwischen diesen beiden Kategorien astronomischer Objekte gelten Braune Zwerge. Häufig werden sie als "gescheiterte Sterne" charakterisiert, weil sie zu groß sind, um als Exoplaneten zu gelten, aber zu klein für die Zündung der Wasserstofffusion, die Sterne zum Leuchten bringt. Außerdem treiben sie alleine und ohne ein Muttergestirn durch das All.

Nun haben Astronominnen und Astronomen offenbar eine neue Klasse von Objekten entdeckt, die größenmäßig eher bei Jupiter angesiedelt sind, sich aber ansonsten wie die Braunen Zwerge einer klaren Einordnung widersetzen: Das Team um Mark McCaughrean von der Europäische Weltraumorganisation (Esa) erspähte mithilfe des James Webb Space Telescope (JWST) zahlreiche Gasriesen im sogenannten Trapezium Cluster, einem offenen Sternhaufen im Zentrum des Orionnebels.

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Diese zweite Aufnahme aus dem langwelligen NIRCam-Kanal zeigt Gas, Staub und Moleküle mit einer etwas geringeren räumlichen Auflösung als im kurzwelligen Bild.
Foto: NASA, ESA, CSA / M. McCaughrean, S. Pearson

Zu zweit ohne Stern

Das Besondere an diesen Exoplaneten-ähnlichen Welten ist, dass sie ohne Zentralgestirn und paarweise umherziehen. Als Einzelgänger kennt man diese Geisterwelten schon länger. Die Fachleute ringen jedoch noch um eine Erklärung für die Existenz der rund 40 beobachteten Paare, die sie vorerst Jupiter Mass Binary Objects (oder "Jumbos") getauft haben. Eine Möglichkeit wäre, dass diese Objekte in Regionen des Nebels geboren wurden, in denen die Materialdichte für die Bildung vollwertiger Sterne nicht ausreichte.

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Mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops entdeckten die Forschenden dutzende Paare von jupitergroßen Objekten.
Foto: NASA, ESA, CSA / M. McCaughrean, S. Pearson

Eine andere Theorie zu ihrer Herkunft trägt vertrautere Züge: Die Jumbos könnten auch wie Planeten in der Umlaufbahn eines Sterns entstanden sind. Aber bei gravitativen Wechselwirkungen wurden sie in den interstellaren Raum hinausgeschleudert. "Diese Hypothese wird aktuell bevorzugt", sagt McCaughrean. "Die physikalischen Vorgänge in Gaswolken legen nahe, dass Objekte mit der Masse des Jupiters eigentlich nicht allein entstehen können. Außerdem wissen wir, dass einzelne Planeten tatsächlich aus Sternsystemen herausgeschleudert werden können."

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Ein Stern und seine zirkumstellare Scheibe. Der junge Stern ist von dem elliptischen, dunklen Schatten seiner Scheibe umgeben, auf der Unterseite strömt helles, rotes Material von der Scheibe weg. Diese glühenden Gase haben die Form eines Schweifs, der nach rechts oben ausläuft.
Foto: NASA, ESA, CSA / M. McCaughrean, S. Pearson

Rätselhafte Paarbindung

Wie allerdings Exoplaneten paarweise aus einem Sternsystem hinausgeworfen werden können, ohne dass sie sich dabei voneinander trennen, lässt die Forschenden noch ziemlich ratlos zurück. Zumindest legt ihr Auftreten im Doppelpack den Gedanken nahe, dass hier völlig andere Entstehungsprozesse am Werk sind als bei herkömmlichen Planeten derselben Masse.

McCaughrean leitete ein Projekt, bei dem der Orionnebel neu durchmustert werden sollte. Mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops konnten die Forschenden dabei den Nebel im Infrarotbereich des Spektrums so detailliert wie nie zuvor einfangen. Dabei registrierten sie auch die planetenähnlichen Vagabunden.

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Das Bild zeigt Molekülwolken, die sich, angetrieben von einem nahen massiven Ereignis, wie Finger ins All hinausrecken. Jede dieser Säulen besteht aus einer Reihe von hellen Emissionsbögen, die sich wie Bugwellen hinter den Spitzen ausbreiten. Über das Bild verteilt sind viele Sterne mit den charakteristischen acht Zacken. Diese Spitzen sind auf die Beugung in der Webb-Optik zurückzuführen.
Foto: NASA, ESA, CSA / M. McCaughrean, S. Pearson

Farbenfrohe Sternenwiege

Der Orionnebel ist das erdnächste nennenswerte Sternentstehungsgebiet. Er erscheint mit freiem Auge als verwaschener sternähnlicher Fleck südlich der drei Sterne des Oriongürtels. Besonders sticht dabei im Zentrum der Trapezium Cluster mit seinem Quartett heller Sterne hervor.

Die nun präsentierte JWS-Aufnahme besteht aus einem Mosaik aus 700 Aufnahmen, die das Webb-Instrument NIRCam im Laufe einer Beobachtungswoche geschossen hat. Die Szenerie stellt einen gut vier Lichtjahre breiten Raumbereich dar, liegt rund 1.400 Lichtjahre von der Erde entfernt und beherbergt tausende junge Sterne mit einer Masse vom 40-Fachen bis weniger als dem 0,1-Fachen der Masse unserer Sonne. Das vollständige neue Bild des Orionnebels kann auf der Plattform Esa Sky in aller Pracht erkundet werden. (Thomas Bergmayr, 8.10.2023)