Jugendlicher hält unter dem Schultisch versteckt ein Handy und schaut darauf.
Ein Verbot von Handys im Unterricht werde nicht viel bringen, sagen Fachleute. Vielmehr müsse man den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang beibringen.
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Kinder und Jugendliche chatten mit Ihren Freundinnen, spielen die neuesten Games oder surfen auf Tiktok. Und das alles auch in der Schule, womöglich noch während des Unterrichts. Mit der Konzentration kann es dann schwierig werden, vielen Lehrern sind Handys deshalb ein Dorn im Auge. In England wurde jetzt sogar ein allgemeines Verbot für Handys im Unterricht erlassen. DER STANDARD berichtete hier.

Ein Handyverbot gibt es in österreichischen Schulen derzeit nicht, Schulen aber können selbst darüber entscheiden, wie sie mit Smartphone und Tablet im Unterricht umgehen. "In manchen Schulen müssen die Handys im Spind verschwinden oder in sogenannten Handygaragen", berichtet Barbara Buchegger von der Initiative safeinternet.at. Durchschlagenden Erfolg sieht die Expertin bei dieser Regelung jedoch nicht: "Manchmal funktioniert das, aber manchmal landet dort auch das alte Handy von der Oma." Kinder und Jugendliche sind sehr erfinderisch darin, solche Verbote zu umgehen.

Selbstverantwortlicher Umgang

Und diese Verbote seien auch nicht zeitgemäß, wie viele Fachleute betonen. Die jetzige Generation an Schulkindern ist damit aufgewachsen, dass Erwachsene ständig ihr Handy, Smartphone oder Tablet dabei haben. Ist es dann überhaupt denkbar, digitale Medien aus dem Schulunterricht zu verbannen? "Nein", betont Christiane Spiel, Bildungspsychologin und Professorin an der Universität Wien. "Digitale Medien gehören mittlerweile zu unserem Alltag. Deshalb sollte man auch die Nutzung digitaler Medien in der Schule nicht verbieten."

Für sie hat Schule nicht nur eine Qualifikations-, sondern auch eine Sozialisationsaufgabe. Sprich, die Schülerinnen und Schüler sollten nicht nur Lerninhalte vermittelt bekommen, die Schule sollte auch soziale Kompetenzen fördern und dazu beitragen, dass sie in die Gesellschaft hineinwachsen. Und zu unserer Gesellschaft gehören Smartphones und Tablets einfach dazu. Doch um verantwortungsvoll damit umgehen zu können, brauche es Wissen und eigene Erfahrungen.

Dafür hat Spiel auch ein Beispiel: "Man kann den Schülerinnen und Schülern einen Text in einem Buch zum Lesen geben, und einen anderen erarbeiten sie im Internet. Wenn sie dabei selbst die Erfahrung machen, dass sie vermutlich beim digitalen Text schneller abschweifen, weil gerade eine neue Whatsapp-Nachricht reinkommt, bemerken sie auch, dass ihre Konzentration gestört wird und sie deutlich länger für das gleiche Ergebnis benötigen." Diese Erfahrungen selber sammeln zu können und danach im Klassenverband darüber zu sprechen sei genauso wichtig, wie die richtigen Excel-Skills zu beherrschen.

Digitale Grundbildung ist zwar seit einigen Jahren im Lehrplan vorgesehen, aber für die Expertin reicht das noch nicht aus – und nicht nur, weil es derzeit zu wenig ausgebildete Lehrpersonen für dieses Fach gibt. Denn digitale Medien, das Internet und künstliche Intelligenz sollten auch in anderen Fächern didaktisch begründet eingesetzt werden. "Am wichtigsten ist es, den Kindern zu vermitteln, wie sie selbstverantwortlich damit umgehen können."

Aufklärung statt Verbote

Das klingt alles sehr vernünftig, die Umsetzung ist jedoch noch einmal ein anderes Thema. Auch Erwachsene kennen das Problem der Ablenkung. Allein während dieser Text entstanden ist, kamen drei Whatsapp-Nachrichten herein – die natürlich auch sofort beantwortet wurden. Und weil man das Smartphone ohnehin bereits in der Hand hatte, wurde auch noch schnell Instagram gecheckt. Wie also sollen es Kinder oder Jugendliche in der Schule schaffen, sich nicht ständig ablenken zu lassen?

Dieses Problem kennt auch Barbara Buchegger. "Wenn zum Beispiel ein neues, spannendes Spiel auf den Markt kommt, dann kippen plötzlich alle rein. Alle Skills, die die Kinder und Jugendlichen für einen guten Umgang mit Smartphones gelernt haben, scheinen in der Sekunde vergessen zu sein." Das hat auch einen guten Grund: Diese Spiele und Apps arbeiten mit psychologischen Tricks, um die Aufmerksamkeit zu halten. Die Expertin empfiehlt: "Meistens hilft es dann tatsächlich nur, die Smartphones und Tablets für ein paar Wochen aus dem Unterricht fernzuhalten oder zumindest so lange, bis der größte Hype wieder verflogen ist."

Auch in einem aktuellen Bericht der Unesco wird vor den Gefahren einer übermäßigen Handynutzung von Schülerinnen und Schülern gewarnt (DER STANDARD berichtete hier). Nicht nur würde diese im Zusammenhang mit schlechteren Schulleistungen stehen, auch müssten Schüler vor Cybermobbing geschützt werden. Doch es sei eigentlich umgekehrt, sagt Buchegger: "Gerade Kinder, die keinen Zugang zu sozialen Medien haben, werden häufig Opfer dieser Angriffe." Sie können sich nicht wehren, weil sie nicht aktiv drin sind. Viel wichtiger sei es, auch in der Schule mit den Kindern und Jugendlichen zu besprechen, was in diesen Gruppen okay ist und was nicht, wie man mit Konflikten umgeht und was man tut, wenn sich ein Kind in der Gruppe daneben benimmt. "Wir müssen die Kinder darin begleiten, damit sie genau diese Dinge lernen und sie nicht am Nachmittag nach Schulschluss alleine damit sind", betont die Expertin. (Jasmin Altrock, 6.10.2023)