Lebkuchenherz mit der Aufschrift aus Zucker:
Dieses Lebkuchenherz gab es beim Münchner Oktoberfest 2023. Nein zu sagen, Anmachen abzuwehren, das war offenbar auf der Wiesn Thema.
IMAGO/Manfred Segerer

Wie jeden Herbst findet längst nicht mehr nur das Original in München statt. Auch in anderen Städten gibt es inzwischen Oktoberfeste. In Wien besuchten die zweieinhalb Wochen dauernde "Kaiserwiesn" im vorigen Jahr 380.000 Menschen. Ein Hit? Für alle, die dort Spaß haben: sicher. Für die Gastronomie: sicher ebenso.

Doch für so manch andere: weniger. Denn das Umfeld um die Kaiserwiese und Verkehrsmittel, die dort hinfahren, werden da nicht gerade zu Wohlfühlorten. Sind sie eh sonst auch nicht? Stimmt, nicht immer. Ist das nicht bei jeder Großveranstaltung so? Ja. Aber es gibt Veranstaltungen, in deren Nähe man sich wohler fühlt als bei anderen. Die Sichtung streng heterosexueller Männergruppen in Lederhosen, die saufen und grölen, nimmt jedenfalls in Wiesn-Zeiten zu.

Und wer zur Zeit der Wiesn in Wien Bahn fährt, trifft dort auf größere Gruppen in trunken-beschwingter Laune und mit einem ausgeprägten Willen, das auch alle mitbekommen zu lassen. Bei den Abertausenden, die zu Oktoberfest pilgern, ist das eine Minderheit – aber die ist laut. Und wer Toleranz für jedes Event fordert, mit dem man als Städter:in bis zu einem gewissen Grad konfrontiert ist, soll im Gegenzug bedenken: Gerade ein Fest, das so stark auf Brauchtum und Tradition setzt, ruft nicht nur positive Assoziationen hervor. Denken wir nur an die konservativen Rollenbilder für die Geschlechter. Und die drücken sich bei derartigen Volksfesten bis heute sowohl in der Musik als auch in zahlreichen Erzählungen vom Wiesn-Personal in München über ständige sexistische Beflegelungen aus. Darüber wird inzwischen viel offener gesprochen – und das ist gut, es trägt aber nicht gerade zum guten Image dieser Art von Events bei.

Übergriffe? "Gehören dazu"

Sexualisierte Übergriffe gehören zu Volksfesten wie diesem also noch immer dazu. Dagegen muss bestimmt und nach außen hin klar und deutlich vorgegangen werden.

Von der Original-Wiesn in München ist seit Jahren bekannt, dass sexualisierte Übergriffe auf der Tagesordnung stehen. In Deutschland erleben 66 Prozent der Frauen sexuelle Belästigung, in Österreich sogar 74 Prozent. Der Zustand dürfte in Österreich auch auf diversen Festen wohl kaum besser sein. Die Sozialpädagogin Manuela Soller von der Initiative "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen" berichtet jedenfalls auch vom heurigen Einsatz der Opferschutz-Initiative in München, dass sie jeden Tag Fälle sexueller Gewalt hatten.

Zur Halbzeit der Wiesn wurden zwei Vergewaltigungen und 34 Sexualstraftaten angezeigt. Im Vergleich mit ähnlichen Volksfesten werden auf der Wiesn mehr Sexualstraftaten angezeigt, berichtete die "Frankfurter Rundschau". Das muss allerdings nicht heißen, dass auf der Wiesn mehr passiert. Es könnte auch an Initiativen wie "Sichere Wiesn" liegen, weil Opfer dadurch wissen, an wen sie sich direkt nach einem Übergriff wenden können.

Die Tonalität

Für die "Kaiserwiesn" wurde das Sicherheitskonzept "Sicher ist sicher" ausgearbeitet, das unter anderem mindestens 30 Prozent weiblicher Security-Mitarbeiter:innen vorsieht. Auf den Frauen-Toiletten gibt es Infos, dass sich Mädchen und Frauen mit der Frage "Ist Luisa da?" an das informierte und geschulte Personal auf dem ganzen Gelände der "Kaiserwiesn" wenden können, um unmittelbar und diskret Hilfe zu bekommen. Auch eine weiblich besetzte Ombudsstelle mit einer eigenen Hotline wurde eingerichtet.

Auch das Unterhaltungsprogramm bestimmt die Atmosphäre einer Wiesn mit. So hat der Münchner Stadtrat im Sommer beschlossen "rassistische, fremdenfeindliche, LGBTIQ*-feindliche, gewaltverherrlichende oder rechts- bzw. linksextremistische Parolen" bei der Wiesn zu untersagen. Dass Sexismus oder Rassismus Bestandteile vieler Wiesn-Hits sind, hat die Debatte im Sommer 2022 über den Ballermann-Hit "Layla" gezeigt.

La-La-Lass Mich - Blümchen feat. Bumble
Blümchen / Jasmin Wagner

Wie und ob das Sexismusparolen-Verbot hör- und spürbar war, davon ist bisher nichts bekannt. Ganz anders will der 90er-Jahre-Star Blümchen gemeinsam mit der Dating-App Bumble gegen Sexismus im Bierzelt vorgehen. Passend zum Start des Oktoberfests in München haben sie einen möglichen Wiesn-Hit vorgelegt: "La-la-lass mich" von Blümchen feat. Bumble. Beim Besuch des Oktoberfests sei Jasmin Wagner alias Blümchen aufgefallen, dass es ein "Fresh-up, was die Inklusivität und die veralteten Geschlechterrollen angeht", brauchen könnte, erzählte sie der "Vogue".

Ob ein einzelner Song über das Abwehren zudringlicher Männer beim Ausgehen als "Fresh-up" für diverse Wiesn reichen würde, darf bezweifelt werden. Aber es wäre ein Anfang. Einen anderen Anfang können einzelne Besucher mit ihrem Benehmen machen. Denn grölende Männergruppen wirken längst nicht mehr lässig. (Beate Hausbichler, 5.10.2023)