Simonischek
Burgtheaterschauspieler Peter Simonischek (1946–2023) stellt in seinem posthum erschienenen Gesprächsband Fragen an das Dasein.
Juerg Christandl / KURIER / pict

Peter Simonischek starb am 29. Mai diesen Jahres an einer Lungenkrebserkrankung. Da konnte er das gemeinsam mit Journalistin Saskia Jungnikl-Gossy verfasste Buch Kommen Sie näher in der Rohfassung gerade noch lesen. Nun liegt der im Molden-Verlag erschienene 206-Seiten-Band fertig vor. Es ist ein auf der Basis von Gesprächen und persönlichen Begegnungen verfasstes Vermächtnis, das auf intime Weise einen um den nahenden Tod wissenden Menschen und seine damit korrelierenden Lebensfragen begleitet.

Jungnikl-Gossy führt die Leserinnen und Leser nah an die Person Simonischek heran, an seine Art, zu antworten, Erinnerungen wachzurufen, mühsamen Fragen auszuweichen, sie führt in seine Lebensräume der letzten Monate hinein, von der Wiener Wohnung bis zum Ferienhaus in der Steiermark, wo er einst sogar die Jagdprüfung machte und Hirsche wie Gämsen schoss, was er später dann bereute.

Suizid und Sterbehilfe

In einer organisch wechselnden Abfolge von atmosphärischem Bericht und Interview folgt man den persönlichen Gedanken. Der Text wird begleitet von einer Vielzahl an Familien- und Theaterfotografien, die den gebürtigen Grazer in seiner ersten Highlifephase an der Berliner Schaubühne zeigen oder als längstdienenden Jedermann auf dem Domplatz in Salzburg oder verschmitzt grinsend mit dem unvergesslichen deftigen Gebiss aus dem Filmerfolg Toni Erdmann.

Peter Simonischek war keine abgehobene Persönlichkeit, deshalb ist Kommen Sie näher ein passender Titel. Der Schauspieler geizt nicht mit Bekenntnissen, er gibt alles preis, was ein Publikumsliebling im Angesicht des Lebensendes der Öffentlichkeit noch hinterlassen kann. Gedanken an Suizid und Sterbehilfe spricht er an und lässt erkennen, wie verdutzt er als erfolgsverwöhnter und selbstbestimmter Mensch vor dieser letzten, nicht mehr vollends zu kontrollierenden Lebensphase steht.

"Der Tod ist eine solche Unverhältnismäßigkeit zur Schönheit des Lebens". Zugleich merkt Simonischek im Nachgang nestroyhaft an: "Obwohl wir alle wissen, dass wir sterben werden, rechnet komischerweise niemand damit."

Mit der Familie im Dialog

Der Gesprächsbildband flicht Rückblicke auf Simonischeks schwierige Kindheit und Jugend am Land und im Internat ein, auf die gegen den Vater erkämpfte Schauspielkarriere, auf seine großen Erfolge, und er räumt Simonischeks eigener Familie, allesamt am Theater beschäftigt, Platz ein – bis hin zum gemeinsamen Downton Abbey-Schauen. Der Band bildet Dialoge mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Brigitte Karner, sowie mit Simonischeks drei Söhnen Max, Kaspar und Benedikt ab.

Diese Auseinandersetzungen zeigen eine Familie, wie sie in einer der schwierigsten Zeiten ihres Daseins offen und unverstellt miteinander umgeht. Dabei geht es selbstredend immer auch um Theaterfragen – etwa: Wie blicken unterschiedliche Generationen auf das Schauspiel von heute, gibt es Konkurrenzdenken zwischen Vater und Söhnen, wie organisiert man nebst einer Ehe auch noch die künstlerische Zusammenarbeit zu zweit?

Grübler, Scherzbold

Saskia Jungnikl-Gossy holt auch andere Stimmen ein, etwa von der Regisseurin und langjährigen Wegbegleiterin Andrea Breth oder von Freunden wie Erich Marx aus längst vergangenen Schultagen. Anekdotisch wird es auch: Selbst wenn einem der Sog einer Simonischek-Erzählung aufgrund der doch jeweils knappen und ausgiebig reflektierten Texthappen verwehrt bleibt, so spürt man in den Erinnerungen sowohl den Grübler als auch den Scherzbold gleichermaßen.

So erfährt der Simonischek- und Theaterfan beispielsweise, dass für den vom Tod heimgeholten Jedermann unter der Domplatzbühne jedes Mal pronto ein frisch gezapftes Bier bereitstand. (Margarete Affenzeller, 5.10.2023)