Exorzist Bekenntnis Green
Nein, es sind NICHT die Hormone: Angela (Lidya Jewett) und Katherine (Olivia Marcum) in "Der Exorzist - Bekenntnis"
AP

Es ist so leicht, dem Regisseur David Gordon Green Einfallslosigkeit vorzuwerfen. Nach Anfängen als Independent-Regisseur und einem kurzen Flirt mit dem Comedy-Fach ist der aus Arkansas stammende Filmemacher in die Hände des Teufels geraten. Soll heißen in die des Produzenten Jason Blum, der ihn offenbar dazu verführt hat, sein restliches Leben den Neuverfilmungen und Weiterführungen von Horrorklassikern zu widmen. Und Green hat freudig den Pakt unterschrieben, mit seinem eigenen Blut.

Wie konnte er auch anders, mit den Horrorfilm-Ikonen John Carpenter und Jamie Lee Curtis im Rücken. Wegen ihnen wurde Greens 2018 initiierter Halloween-Dreiteiler zum Erfolg, gerade weil er so vertraut wirkte.

In den atmosphärischen Bild- und Tonwelten der 1970er- und 1980er-Jahre fühlt sich Green sichtlich wohl. Das beweist er nun aufs Neue, indem er sich an Der Exorzist heranwagt, den vom kürzlich verstorbenen Regieveteranen William Friedkin inszenierten, auf dem Bestseller von William Peter Blatty basierenden Horrorklassiker aus dem Jahr 1973.

Katholisches "Rekrutierungsplakat"

Blatty verfasste auch das Drehbuch für Friedkin und betonte damals die katholische Komponente seines Buches: Er wollte ein "apostolisches Werk" schreiben. Laut der legendären Filmkritikerin der New York Times, Pauline Kael, hat sich das auch in den Film übersetzt. Zum Kinostart wetterte sie, Der Exorzist sei das "größte Rekrutierungsplakat, das die katholische Kirche" im Moment habe.

Der Exorzist, das Original, ist aus heutiger Perspektive tatsächlich eher eine Meditation über psychische Krankheit, die Pflege Angehöriger, über Glaube und Zweifel als schweißtreibender Horrorschocker. Ellen Burstyn spielte darin die alleinerziehende Mutter des besessenen Mädchens fesselnd lebensnah. Jason Miller sah man als zweifelnden Jesuiten lieber beim Joggen und Boxen zu als dem stark geschminkten Max von Sydow beim Exorzieren. Und Linda Blair hat sich seither als ordinär fluchende und grüne Kotze speiende Regan nicht ohne Grund ins kulturelle Gedächtnis eingegraben.

Der Trailer des Originals in 4K-Restaurierung.
Warner Bros. Entertainment

Jetzt dürfen auch die anderen ran

Für Blair findet David Gordon Green in seiner Neuauflage Der Exorzist – Bekenntnis mit Olivia Marcum eine Doppelgängerin. Sie spielt Katherine, eines von zwei vom Teufel, oder Dämonen, befallenen Mädchen – ganz genau wird das hier noch nicht ausbuchstabiert.

Eines Tages verschwinden Katherine und Angela (Lidya Jewett) im Wald, um drei Tage später sichtlich verstört wieder aufzutauchen. Noch sind sie sie selbst, doch das ändert sich rasch. Anders als im Original kommen die Eltern schnell darauf, dass das Wüten ihrer Töchter weder an der Psyche noch an den Hormonen liegen kann und dass die moderne Medizin hierfür kein Wässerchen hat. Das liegt auch daran, dass die Eltern Katherines einer evangelikalen Gemeinde angehören und dem Konzept Hölle nicht abgeneigt sind. Im Gegensatz zu Victor (gut: Leslie Odom Jr.), Angelas Vater, der der Kirche schon vor langer Zeit abgeschworen hat.

Der Neue: The Exorcist: Believer | Official Trailer
Universal Pictures

Haiti statt Irak

In Der Exorzist – Bekenntnis ist jedoch niemand ohne Grund ungläubig. Die Vorgeschichte zeigt Victor mit seiner hochschwangeren Ehefrau in Haiti, kurz vor den verheerenden Erdbeben 2010, dem sie schließlich zum Opfer fällt. Statt wie Friedkin das Übel in einer abendrotumglühten Ausgrabungsstätte im Irak zu situieren, wirft sich Greens Kameramann Michael Simmons (mit dem er schon bei Halloween zusammenarbeitete) mitten hinein in das lebendige Treiben Haitis. Der sachte anschwellenden Tonalität des Originals wird eine rasche Schnittfolge mit teils experimentellen Sequenzen entgegengesetzt. Und Mike Oldfields Tubular Bells, die dem Original eine Giallo-Atmosphäre verliehen, finden erfreulich dezent ihren Platz im neuen Setting.

Zurück zur Religion. Der katholische Priester ist zwar der Joker in der Teufelsaustreiberei, aber es dürfen auch Nichtkatholiken mitmischen. Selbst wenn nicht jedes Gebet und Voodoo-Kraut gegen den Teufel hilft, und alle Beteiligten immer wieder etwas ratlos herumstehen, ist das ehrenwert inklusiv. Schlussendlich geht es natürlich nicht darum, welche Religion die besten ­Exorzisten und Exorzistinnen stellt, sondern um Familienwerte. Sicherlich ist das hin und wieder plakativ, aber doch auch nervenaufreibend gruselig.

Wie man es von Green aus der Halloween-Reihe schon gewohnt ist, kommt es am Ende dann noch zu einer legendären Familienzusammenführung – und alles weitere gibt’s natürlich im nächsten Teil, der schon in Planung ist. Es lebe das Franchise. Amen. (Valerie Dirk, 5.10.2023)