Vor einem Jahr galt Sam Bankman-Fried noch als Unternehmergröße, zählte zu den reichsten Menschen der USA und lebte ein ausschweifendes Leben auf den Bahamas. Sein Vermögen wurde auf 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Davon ist nichts geblieben. Diese Woche begann der Prozess gegen den Gründer der Kryptobörse FTX, wie berichtet drohen dem 31-Jährigen im Fall einer Verurteilung bis zu 115 Jahre Haft. Dementsprechend blickt man dieser Tage nicht nur in der Kryptowelt gespannt nach Manhattan.

Video: Krypto-Unternehmer Bankman-Fried wegen Milliardenbetrug vor Gericht
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Die Staatsanwaltschaft hat SBF, unter diesem Kürzel trat Bankman-Fried stets auf, in ihrem Eröffnungsplädoyer Betrug, Lügen und Diebstahl vorgeworfen. Er habe nichtsahnenden Kunden mehr als zehn Milliarden Dollar abgenommen. "Alles war auf Lügen aufgebaut", sagte Staatsanwalt Thane Rehn am Mittwoch. "Er benutzte sein Unternehmen FTX, um Betrug im großen Stil zu begehen. Und das Geld, das er ausgab, um sein Imperium aufzubauen – das war Geld, das er von FTX-Kunden stahl."

Was war passiert

Bankman-Fried hatte nach dem Uni-Abschluss am MIT als Kryptowährungshändler beim Brokerhaus Jane Street angeheuert und mit Wetten auf Bitcoin-Preisunterschiede an Börsen in den USA und Asien ein Vermögen gemacht. Im Jahr 2019 gründete er die Kryptobörse FTX, deren Aufstieg phänomenal verlief. In weniger als drei Jahren erreichte das Unternehmen eine Bewertung von 32 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) und verwahrte Milliardenwerte im Auftrag seiner Kundinnen und Kunden.

Eine Zeichnung von Sam Bankman-Fried im Gerichtssaal.
Im Betrugsverfahren gegen Sam Bankman-Fried hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Eröffnungsplädoyer dem ehemaligen Krypto-Milliardär Betrug, Lügen und Diebstahl vorgeworfen.
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Von der Kleinanlegerin bis zum Profiinvestor mussten dann im November 2022 sehr viele Menschen schmerzlich erfahren, dass FTX ein sehr instabiles Kartenhaus war. Zwischenzeitlich war es die zweitgrößte Kryptobörse der Welt, doch innerhalb weniger Tage zerbrach das Konstrukt. Der Kollaps erschütterte die Kryptobranche schwer und riss die Kurse in den Keller. SBF wird vorgeworfen, Kundengelder in Milliardenhöhe veruntreut zu haben, um damit Defizite bei seinem Hedgefonds Alameda Research auszugleichen. Diesen Fonds hatte er 2017 gegründet, um mit Spekulationen auf Kursunterschiede Profit zu schlagen. (Details siehe Infokasten). Zudem soll er mehr als 100 Millionen Dollar für politische Einflussnahme benutzt haben.

"Kein Diebstahl"

Bankman-Frieds Verteidiger Mark Cohen erklärte dagegen, dieser habe in gutem Glauben gehandelt: "Es gab keinen Diebstahl. Sam hat niemanden betrogen. Sam hatte nicht die Absicht, jemanden zu betrügen." Vielmehr seien beim rasanten Wachstum des Start-ups Dinge übersehen worden. "Sam und seine Kollegen haben das Flugzeug gebaut, während sie damit geflogen sind", sagte Cohen. "Kein Mensch – und schon gar nicht Sam – konnte überall sein und alles machen."

Er bezeichnete die Darstellung seines Mandanten als "Karikatur eines Bösewichts", die die Tatsachen völlig verzerre. An der Verteidigungsstrategie dürfte sich also nichts geändert haben. Den Betrugsvorwurf wies Bankman-Fried bereits mehrfach zurück und plädierte bei einer ersten Anhörung im Jänner 2023 auf nicht schuldig. Doch drei ehemalige Top-Manager von FTX haben sich bereits des Betrugs schuldig bekannt werden gegen SBF aussagen. Eine davon ist seine On-and-off-Lebensgefährtin Caroline Ellison, die Alameda Research leitete.

Belastende Audiodatei

Die Staatsanwaltschaft hat Millionen Seiten digitaler Beweismittel gesammelt, darunter Text- und E-Mail-Protokolle sowie Code-Ausschnitte, die zeigen, wie FTX Kundengelder an Alameda überwiesen hat, berichtet die "New York Times". Zudem gebe es eine Audiodatei aus der Woche des FTX-Zusammenbruchs, in der Caroline Ellison zugibt, dass sie mit Bankman-Fried zusammengearbeitet habe, um Kundeneinlagen zu stehlen. Die Verteidigung versuchte hingegen Ellison und die anderen kooperierenden Zeugen als unglaubwürdig dastehen zu lassen. Sie würden nur versuchen, einer langen Haftstrafe zu entgehen.

Ein Mann fährt mit einem Wagen voller Akten Richtung Gericht.
FTX war vor dem Kollaps einer der größten Handelsplätze für Kryptowährungen wie Bitcoin. Bankman-Fried wurde im Dezember auf den Bahamas festgenommen. Dort hatte FTX den Hauptsitz. Laut Staatsanwaltschaft wurden Kundengelder heimlich an den Hedgefonds Alameda Research abgezweigt – und auch dafür genutzt, Bankman-Frieds teuren Lebensstil zu finanzieren.
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Die Ansätze von Verteidigung und Staatsanwaltschaft könnten also unterschiedlicher nicht sein und machen den Prozess um Bankman-Fried besonders spannend. Es ist im Übrigen bereits der zweite spektakuläre Prozess gegen ein vermeintliches Unternehmer-Wunderkind innerhalb relativ kurzer Zeit. Im Jänner 2022 wurde Elizabeth Holmes zu elf Jahren Haft verurteilt. Sie galt als Star im Silicon Valley, doch die von ihr als revolutionär angepriesenen Bluttests ihrer Firma Theranos funktionierten nie.

Neuer Stil vor Gericht

Sam Bankman-Fried war stets für seinen legeren Look bekannt, selbst wenn er hochrangige Politiker und Politikerinnen traf, trug er Sneaker und Jogginghose. Nicht einmal von seinem berühmten Wuschelkopf ist etwas übrig geblieben. SBF hatte die letzten sieben Wochen im Gefängnis verbracht und erschien im Gerichtssaal mit Anzug, Krawatte und mit kurz geschnittenem Haar, als Friseur agierte ein anderer Häftling.

Sam Bankman-Fried steht im Anzug auf einer Treppe und blickt bedrückt in die Ferne.
Bei einer Anhörung im August trug SBF noch seinen berühmten Wuschel-Haarschnitt. Der ist nun weg.
AP/Mary Altaffer

Der Mittwoch war der zweite Prozesstag, offiziell startete das Verfahren bereits am Dienstag mit der Auswahl einer zwölfköpfigen Jury. Die Geschworenen bestehen aus einem Pool von Bewohnern von Manhattan, der Bronx und den nördlichen Vororten von New York City. Die Gruppe umfasst unter anderem einen pensionierten Investmentbanker, eine Schulbibliothekarin und einen Zugführer.

Einfluss auf Kryptowährungen

Auf Kryptowährungen selbst hat sich der Prozessbeginn bisher kaum ausgewirkt. In den vergangenen Tagen gab es einen leichten Aufwärtstrend. Der Bitcoin-Kurs steht aktuell bei rund 27.600 Dollar, jener der Nummer zwei am Markt, Ether, bei rund 1.600 Dollar. (Andreas Danzer, 5.10.2023)