Wien – Volkspartei und Grüne waren sich an sich schon bei der Koalitionsbildung einig, dass das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll. Doch Widerstände innerhalb der Kanzlerpartei verhinderten einen Beschluss des Gesetzes innerhalb der ersten zweieinhalb Regierungsjahre. Am Donnerstagvormittag wollen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) nun doch noch die frohe Botschaft verkünden: Die Bundesregierung hat sich auf einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz geeinigt. Wieder einmal, aber diesmal wirklich.

Ist das Ende der Geheimniskrämerei in Österreichs Behörden damit besiegelt? Noch lange nicht. Ein Überblick über die nächsten Etappen hin zum Ziel des gläsernen Staates.

Aktenschränke
Kramen in den Aktenschränken der öffentlichen Hand? Bis das in Österreich möglich ist, wird es noch lange dauern.
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Etappe 1: Verhandeln mit der Opposition

Das Informationsfreiheitsgesetz beinhaltet Änderungen der Verfassung. Das bedeutet, dass für den Beschluss im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Die Stimmen der Regierungsparteien reichen also nicht, notwendig ist auch die Zustimmung zumindest einer der beiden großen Oppositionsparteien, FPÖ oder SPÖ. Die Regierung strebt auch die Zustimmung der Neos an, technisch gesehen ist diese aber nicht notwendig.

Es stehen also Verhandlungen im Parlament bevor. Das wichtigste Gegenüber für ÖVP und Grüne sind dabei die Sozialdemokraten, da die Freiheitlichen kein Interesse am Thema haben. Die SPÖ wird dem Entwurf nicht ungeschaut zustimmen, sondern Änderungen erzwingen wollen. Da ihre Zustimmung de facto alternativlos ist, kann sie viel Druck machen.

Etappe 2: Die Wartefrist

Der neue Gesetzesentwurf ist noch nicht öffentlich, er wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine sogenannte Legisvakanz beinhalten: Wenn das Informationsfreiheitsgesetz beschlossen und kundgemacht wurde, dauert es noch eine gewisse Zeit, bis es in Kraft tritt. Diese Wartezeit soll den betroffenen Behörden die Möglichkeit geben, sich auf das neue Gesetz vorzubereiten. In jenem Entwurf, den die Koalition 2021 vorgestellt hat, betrug die Legisvakanz eineinhalb Jahre.

Diese Wartefrist ginge über die aktuelle Legislaturperiode hinaus. Folglich hätte ein neu gewähltes Parlament auch die Möglichkeit, noch vor Inkrafttreten des Gesetzes Änderungen daran vorzunehmen.

Etappe 3: Praxis und Gerichtsentscheide

Die österreichische Verwaltung ist derzeit kein Hort der Transparenz, und das wird sich mit einem neuen Gesetz nicht schlagartig ändern. Über Jahrzehnte hat sich in vielen Behörden eine Kultur der Geheimniskrämerei etabliert, die schon von der geltenden Rechtslage nicht immer gedeckt ist. Aktuell müssen viele Informationen auf Basis der bestehenden Auskunftspflichtgesetze vor Gericht erstritten werden, das wird sich auch mit dem Informationsfreiheitsgesetz nicht ändern.

Bürgerinnen und Bürger müssen wohl also auch künftig vor Gericht ziehen – und wie bei vielen Gesetzen werden erst höchstgerichtliche Entscheidungen klare Richtlinien für die Interpretation der Rechtslage erstellen. Solche Entscheidungen dauern oft Jahre. Selbst falls das Informationsgesetz beschlossen wird, vergeht also noch einige Zeit, bis Österreich zum Transparenzparadies wird.

Der lange Weg bis hierher

Ergebnislose Debatten über das Ende des Amtsgeheimnisses haben in Österreich eine lange Tradition. Schon Anfang der 2000er-Jahre wurde darüber diskutiert. Unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) scheiterte ein Entwurf zunächst im Jahr 2013, auch in der nächsten Legislaturperiode verhandelte die große Koalition ausführlich und ohne Beschluss. Die türkis-blaue Koalition ab 2017 setzte ein Informationsfreiheitsgesetz ebenfalls auf die Agenda, bis zum frühzeitigen Ende der Legislaturperiode ist aber auch damals nichts geschehen.

ÖVP und Grüne hatten ihre Pläne schon im Regierungsprogramm detailreich paktiert, ein koalitionsintern abgestimmter Gesetzesentwurf war schon ein halbes Jahr nach Amtsantritt der Regierung im Jahr 2020 fertig. Damals musste die Regierung aber noch einige Verhandlungsrunden mit Ländern und Gemeinden drehen, die das Transparenzgesetz so nicht wollten. Im Februar 2021 präsentierte die Koalition dann einen Entwurf – doch trotz der langen Verhandlungen scheiterte dieser am Widerstand innerhalb der Volkspartei. Verfassungsministerin Edtstadler leistete dann monatelang Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen – nun soll der adaptierte Entwurf aber tatsächlich abgestimmt sein. (Sebastian Fellner, 5.10.2023)