Jedes Jahr treffen sich Menschen zur Sommersonnenwende bei Stonehenge. Die Steinsetzung ist nach astronomischen Gesichtspunkten ausgerichtet.
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Stonehehenge ist nicht nur die bekannteste, sondern auch die am besten erforschte Steinsetzung der Welt, stellt die Wissenschaft aber weiterhin vor Rätsel. Die Faszination für die Kultstätte, die heute jährlich von Millionen Menschen besucht wird, ist ungebrochen, manchen gilt sie als Beweis für die Existenz von Außerirdischen, für bestimmte rassistische Gruppen markiert sie den Beginn der Zeitrechnung der Welt.

Eines der Rätsel dreht sich um den sogenannten Stein 80, auch Altarstein genannt. Er befindet sich im inneren Kreis des Bauwerks. Die Blöcke in diesem Bereich der Anlage sind besonders ungewöhnlich. Sie bestehen nicht wie die bis zu 40 Tonnen schweren Blöcke des äußeren Kreises aus Sandstein, sondern aus Dolerit, einer Art von Basalt, und wurden über eine Distanz von etwa 240 Kilometern aus dem Westen herbeigeschafft. Wie die tonnenschweren Blöcke, Bluestones genannt, vor fast 4.000 Jahren bewegt wurden, ist nicht restlos geklärt, sie könnten auf Schlitten über Schnee gezogen worden sein. Der Grund für diese Anstrengung ist unbekannt.

Liegender Stein

Der Altarstein steht nicht aufrecht da, sondern liegt im Boden unter mehreren Bluestones begraben. Schon bisher war bekannt, dass es sich nicht um Basalt, sondern um roten Sandstein handelt. Bisher war vermutet worden, dass er aus einer Sandsteinregion in der Nähe des Ursprungsorts der Bluestones in Wales stammt. Doch nun zeigten Analysen der Zusammensetzung des Altarsteins, dass seine Zusammensetzung sich von dem dort üblichen Gestein unterscheidet. Das berichtet ein Forschungsteam um Richard Bevins von der Aberystwyth University nun in einer Studie in der Fachzeitschrift "Journal of Archaeological Science: Reports".

Ein Übersichtsplan der heutigen Form von Stonehenge. Der Altarstein ist jener mit der Nummer 80. Er liegt unter zwei aus Wales stammenden Bluestones begraben.
Anthony Johnson

Konkret ist es der hohe Barium-Anteil des Altarsteins, der nicht zu dem Sandstein des sogenannten Anglo-Walisischen Beckens passt, das sich von Südwales über das walisische Grenzland, die West Midlands und Somerset zieht. Das Team analysierte den dortigen Sandstein an 58 Stellen mit mehreren verschiedenen Methoden. Nur an vier Positionen wurde ein vergleichbar hoher Barium-Anteil gemessen. Doch der Fels an diesen vier Stellen unterscheidet sich in anderen Eigenschaften vom Altarstein.

Das Forschungsteam betont, ein anderer Ursprung sei wahrscheinlicher. Seine räumliche Nähe zu den Bluestones habe die Forschenden bisher getäuscht. "Es besteht kein Zweifel daran, dass die Betrachtung des Altarsteins als Bluestone das Denken über die seit langem vertretene Ansicht einer Quelle in Wales beeinflusst hat", heißt es dazu in der Studie.

Unbekannter Zweck

Der Altarstein bleibt also ein Fremdkörper im inneren Kreis. Der Begriff des "Altars" ist allerdings irreführend, auch dieser Block stand ursprünglich aufrecht und ragte fast fünf Meter hoch auf. Sein Zweck ist ebenso rätselhaft wie jener der Anlage insgesamt. Einen Hinweis gibt die Ausrichtung der beiden hufeisenförmigen Strukturen, die nach den Sonnenaufgängen der Sommer- und Wintersonnenwende orientiert sind. Bei jüngeren Forschungen wurden auch komplexere Muster in der Ausrichtung der Steine entdeckt. Allerdings halten manche Forschende diese für ein Zufallsprodukt.

Viele Menschen sprechen Stonehenge noch heute kultische Bedeutung zu.
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Bekannt ist, dass die etwa 4.500 Jahre alte Stätte Teil einer größeren Struktur ist, deren Ausmaße nur aus der Luft erkennbar sind und die sich im Lauf der Zeit immer wieder veränderte. Die Herkunft der größten Blöcke konnte vor einigen Jahren geklärt werden, sie stammen aus etwa 25 Kilometer Entfernung. Von den Bluestones weiß man, dass sie bereits in einer früheren Anlage genutzt wurden. Womöglich handelte es sich um einen Steinkreis im heutigen Wales, der abgebaut und in Stonehenge neu errichtet wurde. Der Altarstein gehört zu keiner der beiden Gruppen und dürfte einen völlig anderen Ursprung haben. (Reinhard Kleindl, 8.10.2023)