Gut die Hälfte der österreichischen Wahlberechtigten ist sich der Tatsache bewusst, dass 2024 Wahlen zum Europäischen Parlament anstehen. Etwa gleich viele (53 Prozent) erklären, dass sie die EU-Politik in den vergangenen Jahren verfolgt haben. Das geht aus der September-Umfrage des Linzer Market-Instituts im Auftrag des STANDARD hervor.

Der Vergleich mit einer vor der Wahl 2019 durchgeführten Umfrage zeigt: Das Bild von der EU und ihrem Parlament hat sich kaum verändert. Auch damals erklärte knapp mehr als die Hälfte der Befragten, dass sie die EU-Politik verfolge. Und diese Aufmerksamkeit genießt das Parlament in der Wählerschaft aller Parteien, besonders jener von FPÖ und ÖVP.

Wie die Sitze im Plenarsaal des Europäischen Parlaments in Straßburg besetzt sind, wird Anfang Juli 2024 neu gewürfelt.
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Nur diejenigen Befragten, die derzeit keiner Partei zuneigen, erklären mehrheitlich, dass sie die EU-Politik zuletzt nicht verfolgt hätten. Insgesamt stehen den 53 Prozent, die die EU-Politik verfolgen, 37 Prozent gegenüber, die dies ausdrücklich nicht tun. Die übrigen zehn Prozent äußern sich dazu nicht.

Skeptische FPÖ-Wählerschaft

DER STANDARD ließ anschließend erheben, wie die Österreicherinnen und Österreicher das Europäische Parlament einschätzen. Die höchsten Werte (jeweils 52 Prozent) bekam die Aussage, dass das Europäische Parlament die EU-Kommission kontrollieren soll, und jene, dass das Europäische Parlament die Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg fördere. Während der Kontrollaspekt die Wählerschaften aller Parteien mehr oder weniger deutlich anspricht, stößt die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg auf besonders wenig Gegenliebe aus dem freiheitlichen Lager.

Ähnlich ist das Muster, wenn es um die Antwort auf die Aussage geht, dass das EU-Parlament die EU-Außenpolitik bestimmen sollte: Diese Idee kommt besonders gut bei der Wählerschaft von SPÖ, Neos, Grünen und ÖVP an (dort gibt es überall Mehrheiten dafür) – und besonders schlecht bei Freiheitlichen. Insgesamt wünschen sich 39 Prozent eine Steuerung der EU-Außenpolitik durch das EU-Parlament, 29 Prozent sind dagegen, 31 Prozent trauen sich keine Einschätzung zu.

Mitbestimmung in Europa

49 Prozent stimmen der Aussage zu: "Die Wahl zum Europäischen Parlament ermöglicht Mitbestimmung, wie es in Europa weitergehen soll." Dies ist eine der wenigen Aussagen, bei denen es eine Abweichung von den Antworten vor der Europawahl im Jahr 2019 gibt – wenn auch innerhalb der Schwankungsbreite von plus/minus 3,5 Prozent. Zuletzt hatten 54 Prozent die Mitbestimmung über den Kurs der Union durch die Wahl bejaht.

Umgekehrt sagen nur 27 Prozent, dass die Wahl den Kurs der EU gar nicht beeinflusse. Das geben besonders häufig die FPÖ-Anhänger an – während vor allem die SPÖ-Wählerschaft und ältere Befragte einen großen Einfluss durch die Wahl vermuten. Und nur 28 Prozent meinen, es gäbe bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten für EU-Bürger als die Parlamentswahl.

Mit weiteren Fragen erhob Market, wie denn der derzeitige Kurs bewertet wird – mit der Frage: "Glauben Sie, dass sich die Dinge in der EU zurzeit eher in die richtige oder eher in die falsche Richtung entwickeln?" Das glauben nur 18 Prozent der Befragten, 64 Prozent sagen ausdrücklich, dass sich die EU in die falsche Richtung entwickle. Market-Politikforscher David Pfarrhofer sagt dazu, dass die Entwicklung der Dinge in Österreich von denselben Befragten um nichts besser eingeschätzt wird, denn da sagen auch nur 17 Prozent, dass es gut liefe, 67 sehen eine Entwicklung in die falsche Richtung.

Diese negative Einschätzung findet in allen Parteiwählerschaften eine Mehrheit, wobei die FPÖ-Anhänger besonders negativ eingestellt sind. Jüngere Befragte und Menschen mit höherer Bildung sehen die Entwicklung etwas weniger negativ als andere.

Ein klares Bild der EU

Market fragte weiter, welcher Partei eine klare Vorstellung davon zugetraut wird, wie es in der EU weitergehen soll. Dabei zeigt sich, dass dies bei keiner Partei mehrheitlich der Fall ist– am ehesten bei der ÖVP (31 Prozent), gefolgt von FPÖ (31 Prozent), SPÖ (30 Prozent), Grünen (29 Prozent) und Neos (27 Prozent). Politikforscher Pfarrhofer merkt dazu an: "Die vermuteten Ziele der Parteien sind natürlich unterschiedlich, daher haben wir diejenigen, die glauben, die Ziele der jeweiligen Partei zu kennen, befragt, ob sie mit diesen Zielen auch übereinstimmen oder ob sie diese Ziele kritisch sehen."

Dabei zeigt sich, dass da scharf unterschieden wird: 60 Prozent derer, die über die Ziele der SPÖ Bescheid zu wissen glauben, sagen, dass die Ziele der SPÖ auch ihren eigenen Vorstellungen entsprechen – jeder Dritte sieht die Ziele und Ideen der SPÖ für Europa dagegen kritisch. Die Vergleichszahlen für die ÖVP lauten 55/40, für die Neos 50/41, für die Grünen 50/43 und für die FPÖ 48/46.

Die FPÖ-Wähler selbst haben die Kritik ihrer Parteiführung an der EU übrigens besonders stark verinnerlicht: Sie stellen die einzige Gruppe dar, die mehrheitlich sagt, dass das Europäische Parlament eine unnötige Institution sei. In allen anderen Gruppen ist diese Einschätzung eine klare Minderheitenposition. Im Schnitt aller Wahlberechtigten sagen nur 26 Prozent, dass das EU-Parlament unnötig sei – und nur 17 Prozent sehen einen geeigneten Protest gegen die EU in einer Nichtteilnahme an der Wahl.

Was allerdings auch auffällt: Während es eine hohe Zustimmung zur Kontrollfunktion des EU-Parlaments gibt, ist nur eine Minderheit von 23 Prozent für eine Ausweitung der Gesetzgebungskompetenz. 51 Prozent sind ausdrücklich dagegen, dass die Gesetzgebung in Europa eher durch das Europäische Parlament als durch nationale Parlamente wie den Nationalrat erfolgen sollte.

ÖVP, SPÖ und FPÖ gleichauf

Wären bereits am Sonntag und nicht erst im Juni Wahlen zum Europaparlament, kämen ÖVP, SPÖ und FPÖ übrigens auf Gleichstand. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse für die APA erreichten alle drei Parteien 25 Prozent der Stimmen. Die Grünen lukrierten aktuell 14, die Neos acht Prozent. (Conrad Seidl, 16.10.2023)