Elisabeth Fürstaller vom Bergführerverein Heiligenblut in Kärnten.
Die Frau an der Spitze: Elisabeth Fürstaller.
Der Standard

"Aufgewachsen in Salzburg, hat es mich schon immer sehr stark in die Berge gezogen. Ich bin mit fünf Geschwistern auf einem Bergbauernhof aufgewachsen, und da habe ich mich sehr viel draußen bewegt. Mein Vater war selbst Bergführer, und so bin ich schon sehr früh mit Bergtouren in Berührung gekommen, denn wir sind sehr viel zusammen unterwegs gewesen und ich habe auch schon mitgeholfen. Daraus entwickelte sich recht bald die Motivation, selbst einmal diesen Job zu machen. Der Großglockner hat mich schon immer fasziniert, und deshalb führe ich am liebsten auf ihn hinauf.

Schon in jungen Jahren bin ich mit dem Rad die Großglockner-Hochalpenstraße hinaufgefahren und habe eine Leidenschaft fürs Klettern entwickelt. Heute ist meine große Liebe das Eisklettern. Außerdem bin ich staatlich geprüfte Skilehrerin und Skitourenführerin. Aber all das braucht man auch für die Ausbildung zur Bergführerin. Das Schwierigste in der Vorbereitung ist das Ausfüllen des Tourenberichts. Diesen braucht jeder, um für die Prüfung antreten zu dürfen.

Zahlreiche hochalpine Touren musste ich dabei zurücklegen, Hunderte Meter beim Eisklettern hinter mich bringen und anspruchsvolle Skitouren gehen. Fünf Jahre lang arbeitete ich an dem Tourenbericht. Die staatliche Prüfung zur Bergführerin ist sehr hart, und nicht jeder schafft sie auf Anhieb. Ich habe zwei Jahre für den Abschluss gebraucht, aber ich finde das auch berechtigt. In dem Beruf hat man letztlich eine riesige Aufgabe: Man ist für das Leben und Wohlergehen der bergsteigenden Gäste verantwortlich.

Überblick behalten

Ich muss außerdem viele Dinge im Auge behalten. Sowohl die Wetterverhältnisse muss ich richtig einschätzen können als auch das Können und die Fitness der Gruppe, die ich Richtung Gipfel führe. Ich muss ständig lebenswichtige Entscheidungen treffen: etwa ob trotz Müdigkeit der Gäste ein Weitergehen möglich ist oder ob das Wetter aushaltbar ist. Die Zeit, die man da zusammen als Gruppe verbringt, ist sehr intensiv, und die Menschen müssen mir vertrauen können. Letztlich ist es aber auch wichtig, Verantwortungsbewusstsein und gute Selbsteinschätzung mitzubringen. Der Berg hat sich in den Jahren auch verändert, denn der Permafrost schmilzt, und dadurch gibt es mehr Geröll und Steinschlag. Gletscherspalten tun sich immer mehr auf. Das ist eine zusätzliche Herausforderung.

Auch wenn es mir Freude bereitet, ist auch mein Beruf ein Job wie jeder andere, aber eben mit anspruchsvollen Arbeitszeiten. Für mich hat die Sommersaison immer Siebentagewochen. Ich schaue also nicht auf die Wochentage, sondern auf das Datum, an dem ich Buchungen habe. Als Ein-Personen-Firma organisiere ich mich selber und erledige die Büroarbeit unterwegs zwischen den Touren. Im stärksten Jahr war ich rund 60-mal auf dem Großglockner. Oft sehe ich meine siebenjährige Tochter einige Tage lang nicht und schaue dann, dass ich auch wieder ins Tal hinuntergehe und genügend gemeinsame Zeit mit ihr einplane, wenn gerade keine Touren anstehen.

Ausblick genießen

Wenn ich auf dem Berg oben zwischendurch Freizeit habe, gehe ich auch für mich berglaufen, teilweise auch auf Höhe der Adlersruhe unweit des Gipfels des Großglockners. Früher bin ich auch viel in Frankreich, Slowenien oder Südtirol unterwegs gewesen. Dafür bleibt heute nicht mehr viel Zeit. Touren wie auf den Mount Everest wollte ich nie machen. Ich möchte immer in der Lage sein, mit eigener Kraft ohne zusätzlichen Sauerstoff auf einen Berggipfel gelangen zu können.

Eine lustige Erinnerung war eine Tour mit einem Gast, der sich beim Gipfelkreuz angestrengt hinsetzte, kein Wort sprach, die Aussicht nicht wirklich beachtete und auch kein Foto haben wollte. Ich habe dann gefragt, ob alles in Ordnung ist, und es stellte sich heraus: Er hatte gar nicht bemerkt, dass wir auf dem Gipfel angekommen waren. Ich habe zwar nicht mitgezählt, aber insgesamt war ich schon mehrere Hundert Mal auf der Spitze des Großglockners. Für mich ist es aber jedes Mal aufs Neue schön. Oft habe ich das Gefühl, ich freue mich mehr über den Gipfel und genieße es mehr, als die Gäste es tun." (Melanie Raidl, 10.10.2023)