Neom, Trojena, Saudi-Arabien
Visualisierung einer Skipiste und einer Hotelanlage, wie sie im Nordwesten von Saudi-Arabien realisiert werden sollen.
Neom

Der Wüstenstaat Saudi-Arabien will sein erstes Skigebiet im Freien errichten. Bisher gibt es nur eine Skihalle in der Hauptstadt Riad. Im August verkündete das autoritär regierte Land, der Bau des Skigebiets im Sarawat-Gebirge, 50 Kilometer östlich vom Roten Meer, schreite voran. Die Hauptpiste soll auf 2.400 Meter Höhe liegen, weshalb es im Winter kalt genug für Kunstschnee werde, berichten die Planer. Philip Gullett, der britische Projektleiter in Diensten der Saudis, verspricht: "In den Wintermonaten gibt es natürlichen Schneefall und Temperaturen unter null Grad."

Die angekündigte Skiregion hat den Namen Trojena und ist Teil des saudi-arabischen Megaprojekts Neom. Trojena soll den erhofften internationalen Skigästen 30 Pistenkilometer bieten, die man künstlich beschneien will. Das Wasser dafür soll wohl aus einem geplanten künstlichen See kommen.

2026 soll das Skigebiet fertig werden, Saudi-Arabien will dort die Asien-Winterspiele 2029 stattfinden lassen, für die der Ölstaat den Zuschlag bekommen hat. Erstaunlich: Trotz des trockenen Klimas und des Bauvolumens solle das Projekt "eins der nachhaltigsten Skiresorts der Welt werden", hieß es im staatsnahen TV-Sender Al Arabiya.

Unrealistische Versprechen

Was ist davon aus ökologischer Sicht zu halten? "Rein physikalisch geht das. Man kann viel Schnee produzieren, der in der kalten Jahreszeit dann nur langsam wegschmilzt", sagt Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb dem STANDARD. Die klimatischen Auswirkungen und die Denkrichtung hält sie aber für verheerend: "Man erzählt den Menschen, die dort Ski fahren gehen werden, dass man überall alles machen kann. Dafür ist unser Planet aber nicht gemacht und nicht groß genug."

Auch ans Versprechen des Projektverantwortlichen Gullett, dass man "das geschmolzene Wasser der Skipisten sammeln und wiederverwenden" werde, glaubt Kromp-Kolb nicht: "Dass der Schnee schmilzt und das Wasser dann wieder verfügbar ist, stimmt nicht. Ein nicht unwesentlicher Teil geht durch Verdunstung verloren."

Ökologischer "Exzess"

Der Botschaft der saudischen Skipioniere, es werde in den Bergen von Trojena auch schneien, hielt der britische Wintertourismusexperte Fraser Wilkin bereits vor einem Jahr entgegen, es könne in dieser Gegend zwar "manchmal Regenschauer und Winterstürme" geben, aber man werde "ganze Monate mit blauem Himmel" erleben.

Für Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur Wien, passt Ski fahren in Saudi-Arabien "sehr gut in unsere Zeit der totalen Exzesse". Das Versprechen einer nachhaltigen Schneeproduktion sei ein Marketingschmäh. "Ohne die Betonung der Nachhaltigkeit kann man diese Projekte Investoren nicht verkaufen. Das ist komplettes Greenwashing von absurden Projekten", sagt er.

Ärgerlich findet Steurer auch die Werbung der Trojena-Betreiber, wonach 40 Prozent der Weltbevölkerung das Skigebiet innerhalb von sechs Stunden erreichen könnten. "Das geht natürlich nur mit dem Flieger, das ist für die Nachhaltigkeit eine zusätzliche Katastrophe."

Neom, Trojena, Saudi-Arabien
Der künstliche See soll Wassersport und andere Freizeitaktivitäten ermöglichen. Das Becken könnte auch der Schneeproduktion dienen.
Neom

Teure Imagepflege

Der reiche Golfstaat Saudi-Arabien versucht, mit gigantischen Bauprojekten, Investitionen in den Tourismus oder dem Einkaufen von Fußballstars sein Image zu verbessern. Menschenrechtler werfen Kronprinz Mohammed bin Salman und seinem Regime vor, dass die vielen Leuchtturmprojekte wenig wegweisend seien, sondern die Weltöffentlichkeit vielmehr blenden sollen. Die Kritik: Wenn futuristische Bürotürme oder schneefreie Skigebiete große Schlagzeilen machen, bleiben Todesstrafe, Folter und die Unterdrückung von Frauen und Homosexuellen eher im Hintergrund. (Lukas Kapeller, 11.10.2023)