Waterdrop, Wassertropfen, Start-ups, Getränkeindustrie
Unternehmen wie Waterdrop attackieren das Konzept der Wasserflasche.
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Ein Samstagnachmittag auf der Wiener Mariahilfer Straße. Menschenmengen wälzen sich durch die Fußgängerzone, aus einem Geschäft dringt elektronische Musik. Drinnen sieht man Wände aus Kalkstein und Holz, sogar ein Brunnen plätschert. Und ein weiblicher DJ legt auf. Ein Apple-Store? Nein, in den Regalen stehen keine iPhones, sondern Karaffen und kleine Brausewürfel, die sich in Wasser auflösen lassen. Der minimalistische Laden gehört dem österreichischen Unternehmen Waterdrop.

Nüchtern betrachtet verkauft Waterdrop eine Brausetablette. In dem Start-up, das der Österreicher Martin Murray 2016 gegründet hat, spricht man von "Microdrinks". Waterdrop zählt zu jenen neuen Produkten, die Leitungswasser so anreichern, dass es Geschmack bekommt. Es müssen also keine Plastikflaschen in Fabriken mehr abgefüllt werden.

Ein Schluck Lifestyle

Hersteller von Pulver (Holy), Sirup (Sodastream) und eben Brausewürfeln (Waterdrop, Dropz) drängen auf den Getränkemarkt. "Unternehmen wie Waterdrop wollen ein eher langweiliges und austauschbares Produkt wie Wasser in ein Lifestyleprodukt verwandeln und mit Emotionen aufladen", sagt Roland Schroll, Marketingexperte an der Universität Innsbruck. Die Würfel von Waterdrop haben Namen wie "Relax", "Boost" und "Focus". Hier wird keine Brausetablette verkauft, sondern ein Lebensgefühl.

Waterdrop gibt ein doppeltes Versprechen: Diese Art zu trinken sei klimafreundlich, weil keine Plastikflaschen erzeugt und transportiert werden müssten, und zudem gesund. Das soll insbesondere Junge ansprechen. Aber wie groß kann der Erfolg einer Brausetablette werden, die zwar ausgeklügelt vermarktet, aber doch ein simples Produkt ist? Der Schweizer Pascal Boll von der US-Investmentbank Stifel attestierte in der "Zeit" Waterdrops "globalen Expansionschancen schon einmal generell Grenzen", weil der Markteinstieg für neue Konkurrenten zu einfach sei.

Waterdrop, Microdrink, Brausetablette
Das Wiener Unternehmen Waterdrop: Hier wird keine Brausetablette verkauft, sondern ein Lebensgefühl.
Waterdrop Microdrink GmbH

"Nicht perfekt"

Der 38-jährige Murray lässt solche Kritik branchengemäß an sich abperlen, als er den STANDARD in der neuen Waterdrop-Zentrale beim Wiener Hauptbahnhof zum Gespräch trifft. "Wir haben unsere Drops damals drei Jahre lang entwickelt. Wir haben die Rezepturen und die Kompressionstechnologie selber gemacht und die Verpackung selber gebaut. Wir besitzen auch zwei eigene Werke in Deutschland", sagt er. Keine Angst vor Nachahmern? "Wir sind seit sieben Jahren auf dem Markt, und es hat noch niemand nachgebaut. Wo sind die Nachahmer, wenn es so leicht ist?"

Dass die Mikrotabletten einzeln in Plastik verpackt sind, sei "nicht perfekt", räumt Murray ein, aber nach seinen Angaben 98 Prozent ökologischer als die Plastikflaschen im Handel. Diese Verpackung sei notwendig, "weil unsere Produkte mindestens zwölf Monate frisch bleiben müssen".

Waterdrop-Gründer Martin Murray: "Wo sind die Nachahmer, wenn es so leicht ist?"
Waterdrop Microdrink GmbH

Denkweise des Silicon Valley

Murray will seine Würfel weltweit vermarkten. Waterdrop vertreibt sie mittlerweile in 40 Ländern, auch in den USA. Das einstige Start-up sammelt dabei immer wieder frisches Kapital ein, zum Beispiel 60 Millionen Euro vom Staatsfonds Temasek in Singapur. Der serbische Tennisspieler Novak Djokovic trägt die Marke auf dem Ärmel. 65 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen laut Murray im Onlinehandel.

Waterdrop und Co konfrontieren die alte Getränkewirtschaft mit dem Denken des Silicon Valley. So wie digitale Angebote die Lexika, CDs und Faxgeräte abgelöst haben, attackieren Waterdrop und andere das Konzept der Plastikflasche. Trinkwasser ist ihr Internet.

Waterdrop hat neben Brausewürfeln und Trinkflaschen auch Drink-Tech-Produkte im Portfolio, etwa die Lucy-Smart-Cap, eine Kappe zur Wasserreinigung durch UV-Strahlung. Ein anderes Produkt ist eine Karaffe mit einem Filter aus japanischer Aktivkohle. Solche Gadgets bringen nur einen kleinen Teil des Umsatzes, runden aber das Image als Lifestyleprodukt ab.

Air up, Flasche, Getränke, Wasser, Start-up
Air up bringt eine Flasche und Duftpods unter die Leute, die dem Gehirn weismachen, das Wasser habe Geschmack – dies geschieht allein durch den Geruch.
Air Up

Illusionen

Auch die Firma Air up aus München will mit einer technischen Neuerung das Wassertrinken hip machen. Das deutsche Start-up vertreibt eine Trinkflasche und Ringe ("Pods"), die einen Duft verströmen und dem Gehirn weismachen, das Wasser habe Geschmack. Eine lukrative Illusion – die Air-up-Flaschen sind gerade bei Schulkindern und Jugendlichen beliebt. Air up beziffert den Umsatz im Jahr 2022 mit 159 Millionen Euro.

In Deutschland wurde aber Kritik am Nachhaltigkeitsversprechen von Air up laut. "Ein einziger Pod aromatisiert mindestens fünf Liter Wasser, was zu einer Reduzierung von fünf Einweg-Plastikflaschen pro Pod führt", vermeldet Air up auf seiner Website. Eine etwas einfache Rechnung – weil zum Bespiel in Österreich und Deutschland viele ohnehin Leitungswasser trinken. Von Air up heißt es dazu zum STANDARD: "Die Annahme, dass die Nutzung von Air up den Konsum von fertig abgefüllten Getränken kompensieren kann, entnehmen wir einer Befragung unserer Community." Rund 30 Prozent "unserer Kundinnen und Kunden konsumierten vor Air up mindestens einmal pro Woche" abgefüllte Getränke.

Die auf der Website verkündete Plastikersparnis gründet dennoch auf der Annahme, die Menschen tränken sonst nur aus Einweg-Plastikflaschen. Weil Air up aber einräumt, dass auch die Duftpods aus Plastik bestehen, liegt die Plastikersparnis – zumindest nach dieser Rechnung – nicht bei 100 Prozent, sondern bei 88 Prozent. Wer sich einfach Obstscheiben ins Wasser schneidet, spart freilich noch mehr Plastikmüll.

Edle Tropfen

"Die Gefahr der Nachahmung halte ich bei Waterdrop für etwas größer als bei Air up", sagt Ökonom Schroll. "Eine Brausetablette ist relativ leicht nachzuahmen." Das sei aber nicht unbedingt ein Problem, verweist er auf Marken wie Fiji und Voss – die abgefülltes Wasser zum edlen Tropfen erklären. "Waterdrop kann sich als erstes Unternehmen, das dieses Produkt etabliert hat, einen Vorteil verschaffen. Auf diese Weise kann man eine starke Marke aufbauen und sich als 'das Original' vermarkten."

Einen solchen Startvorteil hätte Waterdrop immerhin mit Red Bull gemein, einem anderen österreichischen Getränkepionier. Auch wenn der seine Getränke ganz gewöhnlich in Dosen abfüllt. (Lukas Kapeller, 9.10.2023)