Wohl kaum ein anderes Gesetz wurde während der aktuellen Legislaturperiode mehr wie eine heiße Kartoffel behandelt als das Klimaschutzgesetz. Dessen Novelle ist seit mehr als tausend Tagen ausständig. Ein Entwurf liegt seit April 2021 vor, seither ist es still darum. Woran hakt es?

Das Gesetz hat vielerlei Funktionen: Es soll etwa den Emissionsreduktionspfad vorgeben, der notwendig ist, um bis 2040 klimaneutral zu werden. Darüber hinaus wird festgehalten, wie groß die Treibhausgasreduktion in welchen Sektoren sein soll, und auch, was geschieht, wenn die Werte in Bereichen nicht eingehalten werden.

Menschen demonstrieren für ein Klimaschutzgesetz
Von der Klimabewegung eingefordert, von der Regierung noch nicht umgesetzt: Das Klimagesetz fehlt.
EPA/CLEMENS BILAN

Fragt man bei den Grünen nach, warum nichts weitergeht, bekommt man zwei Antworten: Die Wirtschaftskammer (WKO) würde das Gesetz in der bestehenden Form ablehnen, sie habe Teile immerhin als "ideologiegetriebene Bestrafungsfantasie" bezeichnet.

Aufrechte EU-Vorgaben

Oft fällt aber auch ein zweites Argument: Das Gesetz sei nur ein Rahmengesetz, das keine Tonne CO2 einspare. Es sei zwar wichtig, seine Relevanz aber durch Medien und die Klimabewegung aufgebauscht worden, was die Verhandlungen zäher mache. Außerdem: Österreich sei durch EU-Vorgaben ohnehin verpflichtet, Emissionen zu reduzieren – mit oder ohne Klimaschutzgesetz.

Das stimmt zumindest teilweise. Die EU schreibt der Republik vor, ihre Emissionen außerhalb des Emissionshandels bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent zu senken. Gelingt das nicht, wovon das Umweltbundesamt ausgeht, muss Österreich Zertifikate zukaufen. Im Finanzministerium rechnet man bis 2030 mit einer Summe von 4,7 Milliarden Euro, wie das Nachrichtenmagazin Profil unlängst berichtete.

Österreich wird seine Emissionen also entweder drastisch reduzieren oder viel zahlen müssen, um die EU-Vorgaben zu erreichen. Was bei diesem Narrativ allerdings fehlt: Die EU peilt Klimaneutralität bis 2050 an, Türkis-Grün schon zehn Jahre früher. Der Reduktionspfad im Klimaschutzgesetz ist damit nicht redundant – und müsste steiler sein als die Vorgaben aus Brüssel.

Bleibt das Argument, die Wirtschaftskammer stelle sich gegen das Gesetz. Was ist dran? Auf die Fragen, woran es hakt oder ob die Kammer ein solches Gesetz überhaupt wolle, ging man auf Nachfrage nicht ein. Aus der WKO heißt es lediglich: "Unseres Wissens laufen intensive Gespräche zwischen den Regierungsparteien. Diese bedürfen keiner Kommentierung unsererseits."

Tiefe Gräben

Lassen sich die Gräben schließen? Es wird schwierig bis kaum möglich, sagen mehrere mit der Materie Vertraute zum STANDARD. Nach wie vor seien die Auffassungen der Parteien zu unterschiedlich.

Auf offizieller Seite hält man an der Novelle fest: "Die Gespräche zur Erarbeitung des Klimaschutzgesetzes laufen", heißt es aus dem Klimaschutzministerium. Laut ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager werde derzeit auf Ebene der Klima-, Finanz- und Landwirtschaftsministerien verhandelt. Er selbst sei optimistisch, dass das Gesetz bis Koalitionsende verabschiedet werde, noch seien für die ÖVP jedoch einige Punkte strittig.

"Klimaschutz im Verfassungsrang, das geht nicht", sagt der Politiker. Er sei auch gegen Sektorziele, immerhin könnten nicht alle Sektoren Emissionen im gleichen Tempo reduzieren. Auch die geplanten Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung der Klimaziele schließt Schmuckenschlager aus – sie seien "ein politischer Knackpunkt".

Sein grünes Gegenüber, Klimasprecher Lukas Hammer, hält daran fest, dass die WKO dem Gesetz im Wege stehe: "Die Blockaden kommen insbesondere aus der Wirtschaftskammer." Gegenüber der ÖVP sei man gesprächsbereit, nur unüberbrückbare Differenzen dürfe es nicht geben: "Ich bin bereit, viele Kompromisse zu machen, solange das Gesetz kommt", so Hammer. Nachsatz: Wirkungslos dürfe es aber nicht sein. (Nora Laufer, 10.10.2023)