Hui, ist das alles hell hier. Das libanesische Restaurant Al Zaytouna, an der Ecke Stubenring und Falkestraße (wo einst das Indochine war), drängt sich schon beim Vorbeifahren ins Blickfeld. Hallo, huhu, schau mal, wir haben das Licht angemacht! Das grelle Statement trägt aber zum Genius loci bei, schließlich sind Restaurants wie dieses überall im östlichen Mittelmeerraum wie aus Prinzip klinisch hell ausgeleuchtet. Außerdem spielen sie im Mak vis-à-vis auch gern mit den Lichtschaltern – wer da nicht in Diskretion untergehen will, muss im Zweifel auch auf die Tube drücken.

Drinnen ist es dann sehr weiß: weißer, fast echter Marmor, reichlich Messing, dazu köstlich plüschige Bänke und Stühle und, sehr angenehm in diesem subtropischen Herbst, weit zum Ring hin geöffnete Fenster. Das Al Zaytouna (Olivenbaum auf Arabisch) ist ein exotischer Ort, und keineswegs nur wegen der Gäste aus den Golfstaaten in variablen Abstufungen der Verschleierung.

Groß und hell und innen plüschig: Das neue libanesische Restaurant Al Zaytouna am Wiener Stubenring.
Groß und hell und innen plüschig: Das neue libanesische Restaurant Al Zaytouna am Wiener Stubenring.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Während der Strom des Verkehrs, gefiltert durch die Alleebäume, sanft heranplätschert, ist extensives Mezze-Studium angesagt. Die schiere Zahl der kalten und warmen Vorspeisen samt vielfältig gefüllten Fladenbroten aus dem im Gastraum installierten Pizzaofen will man erst einmal ausloten. Ist aber gar nicht leicht, jenseits der vierzig habe ich aufgehört zu zählen – und vergessen, was da nochmal ganz am Anfang war. So soll es sein!

Manches, wie Tabbouleh, ist wunderbar exakt abgeschmeckt und in der Balance aus Petersilie, Minze und mildem Gemüsezwiebel geradezu ideal erfrischend. Auch Hummus betört mit sattem Sesam-Anteil und endlos samtiger Cremigkeit. Motabal Batinjan, die Creme aus gegrillter Melanzani mit Olivenöl und Sesampaste, ist richtig spektakulär: So kühl, sanft und hinterrücks rauchig, so endlos geil und schmierig hat man das seit den Tagen des legendären Al-Badawi, tief in einem Keller in der Habsburgergasse verborgen, nicht mehr kosten dürfen. Ist wahnsinnig lange her, bot aber, von saudischem Geld befeuert, eine seitdem unerreichte Qualität und Tiefe mittelöstlicher Küchentradition.

Beeindruckend ist die Vielfalt der kalten und warmen Vorspeisen.
Beeindruckend ist die Vielfalt der kalten und warmen Vorspeisen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Anderes, wie der mit frittiertem Fladenbrot angereicherte Salat Fattoush mit Granatapfeldressing, wirkt im Vergleich grobschlächtig, mit dicken Stücken grüner Paprika mehr an Bauernsalat erinnernd als an das fein gewirkte Gegeneinander aus knackigen Romana-Blättern und hauchdünn frittierten Brotlamellen, die Fattoush so unvergleichlich machen. Auch Arayes, mit Faschiertem gefüllte Knusperfladen, gelingen nicht so duftig wie erhofft – die Fülle transportiert deutliche Nuancen fortgeschrittener Kühlschrankreifung. Auch bei Zahra Meklieh, ganz pur frittiertem Karfiol mit Zitrone und Sesamsauce, lässt die Frische von Produkt und Backfett gleichermaßen aus. Was bleibt, ist ein Gericht, das wenig elegant von Fritteusenduft und kohligen Aromen umwabert wird.

Mild, milder, Zwiebel

Kibbeh Nayeh, das libanesische Tartare aus feinst gehacktem Lammfleisch und ein bissl Bulgur, gerät dafür souverän, herrlich sanft gewürztes Fleisch, das durch ganz köstlich milde Scheiben vom Gemüsezwiebel so dezent wie stimmig akzentuiert wird. Shawarma vom Lamm kann man dafür auslassen, zu trocken die Fleischschnipsel, zu lasch die Pommes. Tipp: Stattdessen Kabsi ordern, der wunderbar saftige (und doch ganz lockere) Safranreis mit löffelweich geschmortem Lamm und allerhand knusprig frittierten Nüssen vermittelt eine gültige Idee nahöstlicher Schmorkunst. Und hinterher? Unbedingt den arabischen Kaffee mit Kardamom im Messingkännchen! (RONDO, Severin Corti, 13.10.2023)